Für Bewegungsfreiheit & selbstbestimmte Entwicklung!

Protestbrief-Kampagne zu politischer Repression in Togo

Bitte diesen Brief herunterladen, ausfüllen und per Post an das Auswärtige Amt bzw. an das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schicken: Herrn Bundesaußenminister Heiko Maas, Auswärtiges Amt, 11013 Berlin + Herrn Bundesminister Dr. Gerd Müller, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Postfach 120322, 53045 Bonn (wir freuen uns, wenn uns per Mail kurz Bescheid gegeben wird, wenn Briefe verschickt wurden: info@afrique-europe-interact.net). Afrique-Europe-Interact ruft auch dazu auf, die Arbeit der Memorandum-Gruppe in Togo finanziell zu unterstützen, dafür haben wir einen Spendenaufruf erstellt.

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Datum:

Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister Maas,
sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Müller,

hiermit erkläre ich, dass ich mich dem offenen Brief von Afrique-Europe-Interact zur aktuellen Situation in Togo vollumfänglich anschließe. Ich wäre Ihnen daher verbunden, wenn ich seitens der Bundesregierung Antworten auf die in dem Brief gestellten Fragen erhalten würde.

Mit freundlichen Grüßen,

(Unterschrift)

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Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister Maas,
sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Müller,

einer Pressemitteilung des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung konnten wir entnehmen, dass sich der togoische Außenminister vom 16. bis 18. März 2021 zu einem Arbeitsbesuch in Berlin aufgehalten hat [1]. Uns ist bewusst, dass solche Begegnungen ganz normaler Regierungsalltag sind. Gleichwohl haben uns die Ausrichtung und der Ton der Pressemitteilung hochgradig irritiert. In dieser heißt es, dass Togo in den letzten Jahren sowohl politisch als auch wirtschaftlich “viele Reformen erfolgreich umgesetzt” habe. Entsprechend sei Deutschland bereit, Togo eine “Reformpartnerschaft” anzubieten, auch mit Blick auf den Umstand, dass die beiden Länder freundschaftlich verbunden seien, wie eigens hervorgehoben wird.

Angesichts der aktuellen Menschenrechtslage in Togo sind derartige Einschätzungen absolut nicht nachvollziehbar. Wir möchten daher auf einen Brief zurückkommen, den wir der Bundesregierung am 5. Februar 2020 mit Blick auf die damals unmittelbar bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Togo geschickt haben [2]. In dem Brief berichteten wir von zahlreichen Einschüchterungen, denen sich verschiedene Oppositionsparteien im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen ausgesetzt sahen. Wir machten auch darauf aufmerksam, dass die togoische Regierung die mit der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS ins Auge gefassten Reformen nicht umgesetzt hatte, unter anderem eine Neuzusammensetzung der Wahlkommission. Entsprechend baten wir darum, dass sich die Bundesregierung für die Durchführung transparenter, fairer und gewaltfreier Wahlen in Togo einsetzen möge, vor allem darum, dass die Wahlergebnisse nicht pauschal, sondern aufgeschlüsselt nach Stimmbezirken veröffentlicht würden.

Am 14. Februar 2020 hat die Bundesregierung auf unseren Brief geantwortet. Sie schrieb, dass eine Wahlbeobachtung bei den Präsidentschaftswahlen am 22. Februar 2020 unter anderem durch die ECOWAS gewährleistet sei. Zudem versicherte sie, dass die Bundesregierung eine “detaillierte Veröffentlichung der Wahlergebnisse” für notwendig erachte [3]. Umso bedauerlicher ist, dass es völlig anders gekommen ist: Innerhalb von 24 Stunden verkündete die Togoische Wahlkommission, dass Amtsinhaber Faure Gnassingé die Wahlen mit 72,4 Prozent gewonnen habe – eine detaillierte Aufschlüsselung der Wahlergebnisse erfolgte allerdings bis heute nicht. Auch Wahlbeobachter*innen waren nur in sehr begrenztem Umfang zugelassen, nämlich 280 für über 9000 Wahllokale. Insofern konnte es nicht überraschen, dass die Friedrich-Ebert-Stiftung unmittelbar nach den Wahlen über zahlreiche Unregelmäßigkeiten berichtete – hierzu gehörte auch, dass zwei Tage vor den Wahlen das eigens installierte elektronische System für die relativ fälschungssichere Erfassung der Wahlergebnisse seitens der Wahlbehörde außer Kraft gesetzt wurde [4].

In einem zweiten Brief am 4. März 2020 ging Afrique-Europe-Interact auf diese und weitere Probleme detailliert ein, dabei kamen auch Erkenntnisse zum Tragen, die eine dreiköpfige Delegation unserer Organisation in der Woche vor den Wahlen in Togo selbst gewonnen hatte [5]. Insofern bedauern wir es sehr, dass die Bundesregierung auf die zahlreichen Fragen und Empfehlungen in unserem zweiten Brief nicht mehr geantwortet hat. Denn natürlich haben wir uns gefragt, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus dem Umstand zieht, dass alle vorhandenen Indizien dafür sprechen, dass die jüngsten Präsidentschaftswahlen in Togo in mehrfacher Hinsicht unter irregulären Bedingungen stattgefunden haben.

Doch dabei blieb es nicht. Denn auch nach den Wahlen ist es immer wieder zu schwersten Menschenrechtsverletzungen seitens staatlicher Sicherheitskräfte gekommen – unter anderem willkürliche Inhaftierungen, Folter, exzessive Gewalt der Sicherheitskräfte, Verletzung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit und Drangsalierung von Gewerkschaften. Passend hierzu wurden auch Journalist*innen regelmäßig eingeschüchtert, unter anderem, indem Zeitungen nach unliebsamer Berichterstattung über Korruption und andere Verfehlungen ihr Erscheinen wochenlang einstellen mussten. Vieler dieser Fälle sind in einem Memorandum dokumentiert, das 24 zivilgesellschaftliche Organisationen und 11 Parteien am 16. Februar 2021 in Togo veröffentlicht haben [6]. Die europäische Sektion von Afrique-Europe-Interact unterstützt dieses Memorandum, auch die Zielsetzung, die internationale Öffentlichkeit auf die Vorgänge in Togo aufmerksam zu machen [7].

Wir möchten die Bundesregierung daher fragen, welche Schlussfolgerungen sie aus den Unregelmäßigkeiten der jüngsten Präsidentschaftswahlen gezogen hat, auch aus der Tatsache, dass es weder zu einer ernsthaften Wahlbeobachtung noch zu der von ihr geforderten detaillierten Bekanntgabe der Wahlergebnisse gekommen ist. Darüber hinaus möchten wir wissen, ob die Bundesregierung bei den Gesprächen mit dem togoischen Außenminister im März auf die massiven Menschenrechtsverletzungen in Togo eingegangen ist. Dies umfasst auch die Frage, ob die Bundesregierung das oben erwähnte Memorandum kennt und ob sie mit den togoischen Behörden darüber im Gespräch steht, insbesondere was die Freilassung dutzender willkürlich Inhaftierter betrifft. In diesem Zusammenhang interessiert uns auch, ob die Bundesregierung Kontakt mit den Initiator*innen des Memorandums hergestellt hat, auch um die wohl mutigste Stimme der togoischen Opposition effektiv zu schützen.

Wir stellen diese Fragen auch deshalb, weil wir die bei den jüngsten Massenprotesten der togoischen Opposition in den Jahren 2018/2019 formulierte Forderung teilen, wonach Präsident Faure Gnassingbé zurücktreten müsse, um einen echten Neuanfang in Togo zu ermöglichen. Faure Gnassingbé ist 2005 durch gefälschte Wahlen an die Macht gekommen, bei Protesten wurden etwa 900 Menschen durch staatliche Sicherheitskräfte getötet, 4.000 wurden verletzt, mindestens 60.000 mussten in die Nachbarländer Ghana und Benin fliehen – gewaltige Zahlen für ein Land mit damals 5 Millionen Einwohner*innen. Seitdem ist es bei sämtlichen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu Wahlmanipulationen oder Boykottaufrufen seitens der Opposition gekommen. Dies gilt auch für die 2019 erstmalig durch die Bundesregierung lobend hervorgehobenen Kommunalwahlen, zu denen eine ausführliche Untersuchung seitens des zivilgesellschaftlichen Bündnisses “Les Universités Sociales du Togo” vorliegt [8]. Zudem befindet sich Faure Gnassingbé entgegen der Verfassung in seiner 4. Amtszeit, als Ergebnis eines willkürlichen Zusatzgesetzes im Mai 2019. Kurzum: Wir teilen die Einschätzung der Friedrich Ebert Stiftung, wonach in Togo lediglich eine Fassadendemokratie bestünde. Das Land wird seit 54 Jahren von der gleichen Familie regiert, insofern ist es deplatziert, von freundschaftlichen Beziehungen zu reden, wie es die Bundesregierung in ihrer eingangs zitierten Pressemitteilung tut. Darüber hinaus gilt es, die wirtschaftliche Zusammenarbeit stets unter den Vorbehalt zu stellen, dass es im menschenrechtlichen und demokratischen Bereich zu substantiellen Verbesserungen kommt. Geschieht dies nicht, wird die Position jener Menschen in Togo geschwächt, die sich seit Jahrzehnten unter hohem persönlichem Risiko für eine Demokratisierung der togoischen Gesellschaft stark machen, auch im Bereich des gewerkschaftlichen Engagements.

Bremen/Berlin/Wien, 20. April 2021

Fußnoten:

[1] Pressemitteilung vom 18.03.2021. Download: https://www.bmz.de/de/aktuelles/reformpartnerschaft-togo-absichtserklaerung-66386

[2] Download: https://afrique-europe-interact.net/1850-0-Brief-an-Bundesregierung-02-2020.html

[3] Die Antwort der Bundesregierung ist unter dem Link aus Fußnote [1] auffindbar.

[4] Download: Hans-Joachim Preuss: Und ewig grüßt die Dynastie. Die Dauerherrschaft der Familie Gnassingbé in Togo zeigt sich unantastbar. Verantwortung dafür trägt auch die gespaltene Opposition. Download: https://www.ipg-journal.de/regionen/afrika/artikel/detail/und-ewig-gruesst-die-dynastie-4102/

[5] Download: https://afrique-europe-interact.net/1955-0-Pressemitteilung-Maerz-2020.html

[6] Das Memorandum ist im Original unter anderem an folgender Stelle als Download verfügbar: https://blogs.mediapart.fr/francois-fabregat/blog/050421/togo-memorandum-pour-larret-de-la-vague-repressive-en-cours-d-acceleration. Dort finden sich auch Listen mit den Namen derer, die durch Misshandlungen in Gefängnissen ums Leben gekommen sind bzw. die derzeit willkürlich inhaftiert sind.

[7] Afrique-Europe-Interact hat das Memorandum auf Deutsch übersetzt, zudem haben wir eine zweiseitige Zusammenfassung mit den wichtigsten Aussagen erstellt. Download: https://afrique-europe-interact.net/2056-0-Komitee-fuer-die-Freilassung-der-politischen-Gefangenen.html

[8] Download: „IRREGULARITES DANS LES ELECTIONS AU TOGO : NICHES POUR LA FRAUDE ?“ Downlaod: https://www.lesust.org/gallery/rapport%20fraude%20%C3%A9lectorale%20au%20togo%202019%20ust%20basse%20d%C3%A9f.pdf