09. Juni 2022 | Repression gegen streikende Lehrer*innen in Togo
Sowohl im November 2021 als auch im April 2022 traten in Togo Lehrer*innen in den Streik, um eine Erhöhung des Gehalts und eine allgemeine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu fordern. Anstatt auf die Forderungen der streikenden Lehrkräfte einzugehen, antwortete die Regierung mit Repression: Viele der am Streik beteiligten Schulleiter*innen und Lehrkräfte wurden entlassen. Das folgende Interview wurde im Dezember 2021 in Togo geführt. Zum Schutz unserer Interviewpartnerin veröffentlichen wir es in anonymisierter Form.
F: Du bist Lehrerin. Wie erlebst du die derzeitige Situation an den Schulen in Togo?
A: Die heutige Situation der Lehrer*innen in Togo ist alarmierend. Das Gehalt ist im Vergleich zu anderen Nachbarländern niedrig. Wir rangieren hier auf einem der letzten Plätze, vielleicht im untersten Fünftel. Daher kam es zu Streiks unter Lehrer*innen, in denen diese das Recht auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen einforderten. Viele von uns haben diese Streiks der Gewerkschaften aufmerksam verfolgt und alle haben positiv reagiert. Zuletzt haben die Lehrer*innen am 3. und 4. November 2021 gestreikt.
F: Wie hat die Regierung reagiert?
A: Die erste Antwort der Regierung auf die Forderungen der Gewerkschaften war negativ, danach gab es überhaupt keine Reaktion mehr. Die Hauptforderung der Gewerkschaften war die Umsetzung der Gehaltserhöhungen, die die Regierung für 2020 in Aussicht gestellt hatte. Denn Oktober mussten die Lehrer*innen feststellen, dass hier nichts getan wurde. Aus diesem Grund sind dann im November in den Streik getreten, um die versprochene Gehaltserhöhung und eine allgemeine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen einzufordern.
F: Woraufhin viele Lehrer*innen entlassen wurden, oder nicht?
A.: Genau das ist der Punkt! Bereits am ersten Tag nach dem Streik hat die togoische Regierung über das Bildungsministerium versucht, mehr als 1.400 Lehrer*innen zu entlassen, woraufhin viele auch tatsächlich ihre Stelle verloren haben. Und dies geschah nur, weil sie den Streikaufruf unterstützt hatten. Laut der togoischen Regierung haben sich die 1.400 Lehrer*innen auch aktiv am Streik beteiligt, während die meisten der Betroffenen sagen, dass dies nicht stimme. Trotzdem hat der derzeitige Bildungsminister versucht, sie aus dem Amt zu entfernen.
F: Wer wird diese Lehrer*innen ersetzen?
A: Der Bildungsminister ist dabei, andere, neue Lehrer*innen zu ernennen, die die Posten der alten übernehmen. Jene Lehrer*innen, denen vorgehalten wird, den Streik zu unterstützen, werden also nach und nach durch neue ersetzt.
F: Wie beurteilst du diese Reaktion der Regierung auf den Streik?
A: Es scheint, als ob der Bildungsminister, der jetzt seit zwei Jahren im Amt ist, mit dem Schlagstock gekommen ist, um den Streik der Lehrer*innen gewaltsam niederzuschlagen, anstatt auf ihre Forderungen einzugehen. Wir können diese Repression nicht verstehen, denn niemand streikt ohne Grund, ohne legitime Forderungen. Das zeigt sich auch daran, dass die Lehrer*innen, denen am zweiten Tag des Streiks mit Entlassung gedroht wurde, den Streik weiterhin unterstützten. Es ist eine bedauerliche Situation.
F: Und wie kann es jetzt weitergehen?
A: Wir können sagen, dass es um die Bildung in Togo schlecht bestellt ist. Denn die Lehrkräfte, deren eigentliche Aufgabe es ist, den Schüler*innen Wissen zu vermitteln, werden in ihrem Elan gestört und mittlerweile frage ich mich, wie sie diese ihnen anvertraute Aufgabe unter den gegebenen Bedienungen überhaupt noch erfüllen können. Ich glaube also, dass die togoische Regierung ihre Bildungspolitik überdenken muss. Denn das Bildungssystem hat in den letzten Jahren gelitten und viele fragen sich, was die togoische Regierung nun tun wird, um die Situation der Lehrkräfte und die der Schüler*innen zu verbessern. Sind das wirklich die zukünftigen Erben unseres Landes, die wir hier ausbilden? Die meisten togoischen Lehrkräfte stellen sich diese Frage. Wenn die Situation so weitergeht, befürchte ich, dass die Kinder verdummen werden. Ich sehe die Zukunft der togoischen Kinder in Gefahr, denn die qualitativ hochwertige Bildung, die die togoische Regierung anstrebt, ist keine Realität. Es wird nur geredet, aber vor Ort passiert nichts. Es passt nicht zusammen, dass die Regierung einerseits von qualitativ hochwertiger Bildung spricht und andererseits mit Repression gegen Lehrkräfte vorgeht. Denn es gibt keinen Zusammenhang zwischen Repression und Bildung. Selbst die Erziehung von Kindern zu Hause funktioniert nicht über Repression. Ich glaube also, dass die togoische Regierung ihr Vorgehen überdenken und vor allem ihre Entscheidung, bis zu 1.400 Lehrer*innen zu entlassen, rückgängig machen sollte.
F: Vielen Dank.