27. Mai 2022 | Interview zur Lage der politischen Gefangenen in Togo und dem engen Verhältnis zwischen Togo und Deutschland
Im Dezember 2021 fand eine Delegationsreise von drei Mitgliedern der europäischen Sektion von Afrique Europe Interact nach Togo statt. Dabei trafen wir uns auch mit einem Vertreter des Bündnisses „Komitee für die Freilassung aller politischen Gefangenen Togos“. Derzeit gibt es über 100 politische Gefangene in Togo, von denen mindestens fünf in Haft gestorben sind.
L: Bitte stelle Dich und Deine Arbeit kurz vor.
C: Ich bin Mitglied des “Komitees für die Befreiung aller politischen Gefangenen in Togo” (Comité pour la Libération de tous les Prisonniers Politiques du Togo). Ursprünglich bin ich Sekretär der Arbeiterpartei (Parti des Travailleures) und dort für die Koordination zuständig. Die Arbeiterpartei ist Teil besagten Komitees, das aus verschiedenen Organisationen besteht, politischen Parteien, Vereinigungen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen, die sich Ende letzten Jahres anlässlich der willkürlichen Verhaftungen von Herrn Gérard Djossou und Frau Brigitte Adjamagbo-Johnson zusammengeschlossen haben, um ihre Freilassung zu fordern. Im Rahmen dieses Kampfes für ihre Freilassung wurden wir dann über die Verhaftung mehreren Dutzend weiterer politischer Gefangener informiert, von denen es derzeit über 100 gibt und von denen einige in der Haft gestorben sind. Wir haben ein Memorandum über die Situation der politischen Gefangenen in Togo verfasst, das wir veröffentlicht und an die togoischen Behörden geschickt haben, um die Freilassung der Gefangenen zu fordern, zunächst an den Präsidenten der Republik, Herrn Faure Essozimna Gnassingbé, und dann an die Premierministerin, die Regierungschefin, den Justizminister, den für Menschenrechte zuständigen Minister sowie an den Verteidigungsminister, um sie über die tatsächliche Situation in den togoischen Gefängnissen und die willkürlichen Verhaftungen zu informieren. Bis heute haben wir keine Antwort von ihnen erhalten. Also haben wir unsere Arbeit fortgesetzt, um die Öffentlichkeit über die Situation der politischen Gefangenen zu informieren, die zum Teil seit drei Jahren im Gefängnis schmoren – die ersten Verhaftungen begannen im November 2018, eine zweite Welle begann 2019, wir schreiben das Jahr 2021. Sie sind also seit zwei Jahren inhaftiert, ohne Kontakt zu ihren Familien und, aufgrund der Coronapandemie, in Haftanstalten wie dem Zivilgefängnis von Lomé und der ehemaligen Direktion der nationalen Gendarmerie untergebracht, die nicht einmal reguläre Haftanstalten sind, die den internationalen Richtlinien über die Haftbedingungen für politische Gefangene oder für Gefangene überhaupt entsprechen. Unter diesen Umständen sind die meisten von ihnen heute krank, und einige von ihnen sterben an den Folgen ihrer katastrophalen Haftbedingungen. Deshalb appellieren wir an alle Demokrat*innen und Aktivist*innen in Togo und vor allem im Ausland, sich für das Wohl dieser Gefangenen einzusetzen und bei den togoischen Behörden zu intervenieren und die Freilassung dieser armen Menschen zu verlangen, unter denen sich auch eine Frau befindet, die zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung ein Baby bekommen hat.
L: Ihr habt auch Fälle von Folter dokumentiert. Kannst Du das genauer erklären?
C: (…). Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die meisten der Gefangenen im Zuge der Repressionswelle nach der Niederschlagung des Aufstands des togoischen Volkes nach dem 19. August 2017 verhaftet wurden, der von der “Parti National Panafricain” (PNP) von Tikpi Achadam ins Leben gerufen und anschließend von einer ganzen Reihe togoischer politischer Organisationen aufgegriffen wurde, die die C14-Koalition bildeten. Von 2017 bis 2018 gab es riesige Demonstrationen hier in Lomé und in mehreren Städten im Landesinneren, die grausam niedergeschlagen wurden, was viele Tote forderte. Um diese Bewegung zu stoppen, hat das Regime eine schreckliche Repression gegen alle Aktivist*innen eingeleitet, die sich damals mobilisiert hatten, um etwas sehr Einfaches zu fordern: die Rückkehr zur ursprünglichen Verfassung von 1992 und das Wahlrecht für die Togolesen in der Diaspora. So wurde die Bewegung unterdrückt, während die togoische Regierung sich an die Staatschefs der Länder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (CEDAO) wandte, um sich durch einen Dialogprozess, der mit der C14-Koalition stattfand, aus der Affäre zu ziehen. Dieser Prozess war auf die Parlamentswahlen gerichtet, die im Dezember 2018 stattfand. Nach Abhaltung dieser Wahlen, den anschließenden Kommunalwahlen und den Präsidentschaftswahlen, die im Jahr 2020 stattfanden, war es das erklärte Ziel des Regimes, jegliche Bestrebungen, seine Macht infrage zu stellen, zu unterdrücken: Es sollte nie wieder einen 19. August in Togo geben. Dieses Ziel wird erreicht durch eine schreckliche Unterdrückung von Aktivist*innen, um sie von jedwedem Versuch, die Macht des Regimes infrage zu stellen, abzuschrecken.
Menschen wurden verhaftet und in der Zentrale des SCRIC („Service Central de Recherche et d'Investigation Criminelle”) festgehalten, wo sie unter abscheulichen Bedingungen brutal gefoltert wurden. Noch schlimmer war es im Lager der GIPN (“Groupe d'Intervention de la Police National”), wo Menschen mit den Füßen in der Luft und dem Kopf nach unten hängend gefesselt wurden. Man schlug ihnen mit Knüppeln und Schlagstöcken auf die Fußsohlen, sodass einige von ihnen bis heute nicht mehr laufen können und gezwungen sind, sich in einem Rollstuhl fortzubewegen. Einige Gefangene wurden in Handschellen gelegt, gefesselt und andere in Klärgruben mit menschlichen Exkrementen gesteckt und dort stundenlang stehengelassen, bevor man sie wieder herausholte. Einer von ihnen starb unter diesen Bedingungen. Auch danach gab es eine Reihe von Todesfällen unter ähnlich schrecklichen Bedingungen. Die nationale Menschenrechtskommission, mit der wir uns getroffen haben, hat interveniert, um all dies zu stoppen und zu erreichen, dass die Menschen aus den Folterlagern geholt und in das Zivilgefängnis von Lomé gebracht werden. Aber auch dieses Gefängnis ist absolut überfülltes und die gesundheitlichen Bedingungen, aufgrund der Folter, die die Gefangenen zuvor erlitten haben, sowie aufgrund der beklagenswerten Haftbedingungen, sind erbärmlich.
L: Wie lassen sich die engen Beziehungen zwischen der deutschen Regierung und Togo erklären?
C: Zu den Beziehungen zwischen den togoischen Behörden und den Vertreter*innen der deutschen Regierung in Togo ist zu sagen, dass sie sich im Laufe der Zeit verändert haben. Zu Beginn der Demokratiebewegung vom 5. Oktober 1990 erschien uns die deutsche Regierung und ihre Vertretung in Togo vielmehr als ein Freund des togoischen Volkes. Die deutschen Vertreter*innen in Lomé waren als die Persönlichkeiten bekannt, an die man sich wenden konnte, wenn bestimmte Gefangene verhaftet wurden, wenn es bestimmte Massaker gab usw. So kam es, dass 1993 um den 25. Januar herum, als die Proteste gegen das Éyadema-Regime auf dem Höhepunkt waren, ein Vertreter des französischen Entwicklungsministeriums und ein Staatssekretär des deutschen Außenministeriums, Herr Helmut Schäfer, im Land waren, als ein schreckliches Massaker in Fléau Jardin stattfand, bei dem mehr als 100 Menschen getötet wurden. Und als diese beiden Diplomaten davon erfuhren, brachen sie ihren offiziellen Empfang in Kara ab, kehrten nach Lomé zurück und es wurden Sanktionen gegen Togo verhängt. Deutschland spielte eine wichtige Rolle bei der Verurteilung dieser Repression, die praktisch vor den Augen der beiden Regierungsvertreter stattfand. Immer wenn es daraufhin zu politischen Morden kam, suchten Menschenrechtsgruppen die deutsche Botschaft auf und wandten sich systematisch an die deutschen Diplomat*innen. So ging es bis Mitte der 2000er-Jahre.
Aber in den letzten zehn Jahren hat sich die Situation geändert. Denn die togoische Regierung arbeitet daran, jene Diplomat*innen, die seit ungefähr zehn Jahren ankommen, auf ihre Seite zu ziehen. Sie haben sie wirklich wie Mogule empfangen. Aber man muss auch sagen, dass sie sie korrumpiert haben, denn in unserem Land gibt es eine starke Korruption, sodass unsere Behörden meinen, alles kaufen zu können, einschließlich der diplomatischen Vertreter*innen. Die Unterstützung, die das togoische Volk früher vonseiten der deutschen Botschaft bekommen konnte, findet es nun nicht mehr. (…). Im Gegenteil: Wenn Menschenrechtsorganisationen heute zur deutschen Botschaft gehen, um ihnen zu erklären, was vor sich geht, werden sie schlecht empfangen. Und wenn deutsche Diplomat*innen Togo verlassen, sieht man, wie die Regierung riesige Bankette und Feste organisiert, um ihnen für das zu danken, was sie in Togo getan haben. Jeder versteht, dass weit davon entfernt, der Sache des togoischen Volkes zu dienen, es eher die Verteidigung des Regimes ist, in deren Namen diese Art von kooperativer Zeremonie durchgeführt wird.
Ich möchte noch hinzufügen, dass die Dinge sich vielleicht auch deshalb geändert haben, weil man den Eindruck hat, dass die deutschen Behörden sich jetzt mit einer Form von Realpolitik arrangieren. Denn seit die togoische Regierung eine Politik betreibt, von der v.a. ausländische Investor*innen, u.a. auch aus Deutschland, profitieren, hat man den Eindruck, dass die deutschen Behörden schweigen. So hält die deutsche Firma Heidelberg Zement, die die Konzession für den Klinkerabbau in Togo erhalten hat, auch Anteile an Sim Togo, einem Unternehmen, das Zement herstellt. Oder der Fall einer ehemaligen Leiterin der Steuerbehörde, die verdächtigt wird, viel Geld veruntreut zu haben, da sie heute eine sehr reiche Person ist: Sie hat sich gemeinsam mit anderen Regimebaronen mit deutschen Geschäftsleuten zusammengetan, um eine neue Brauerei in einem Vorort von Lomé zu eröffnen, wo sie ein neues Bier namens Djama herstellen. Es sind also Vertreter*innen deutscher Firmen, mit denen hier Geschäfte gemacht werden. Aber all dies geschieht in völliger Undurchsichtigkeit, während unsere Bevölkerung in einem der größten Elendszustände lebt, die es auf dem gesamten afrikanischen Kontinent geben kann. So haben sich die Dinge entwickelt.