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Stellungnahmen zur Togo-Demo in Bonn

Stellungnahme des Oppositionsbündnisses Front Citoyen Togo Debout mit zahlreichen Forderungen an die die deutsche Bundesregierung

Togo oder die Verweigerung der Rechtsstaatlichkeit

Togo hat nach wie vor mit enormen Schwierigkeiten im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Staatsführung zu kämpfen. Das Wiederaufleben von Menschenrechtsverletzungen, insbesondere durch Personen in öffentlichen Ämtern, gefährdet die Achtung der Grundrechte und -freiheiten sowie den Grundsatz der Fairness im Rechtssystem. In der Tat scheint das Justizsystem heute mehr denn je darauf ausgelegt, alle abweichenden Stimmen zu unterdrücken. Es ist zu einem Instrument des Regimes im Kampf gegen politische Gegner, Akteure der Zivilgesellschaft und sogar gegen Journalist*innen geworden. Der Aufbau einer demokratischen Nation erfordert jedoch die Gewaltenteilung. Leider wird die Justiz in Togo von der Exekutive instrumentalisiert, was den Anstieg der Menschenrechtsverletzungen seit der letzten soziopolitischen Krise 2017 erklärt.

Tötungsdelikte und Straffreiheit

Der übermäßige und unverhältnismäßige Einsatz öffentlicher Gewalt zur Unterdrückung friedlicher Demonstrationen während der soziopolitischen Krise 2017-2019 forderte mehrere Todesopfer, darunter auch Kinder (u.a. Jojo Zoumekey, Rachad Agrignan-Maman, Moufidou Idrissou, Nawa Ino Tchakondo). Die Justiz hat Ermittlungen zur Klärung der Verantwortung eingeleitet, die jedoch nie abgeschlossen wurden. Vermutlich haben die Sicherheits- und Verteidigungskräfte diese Tötungsdelikte, inklusive der Tötung von Kindern, zu verantworten.

Einschränkung des öffentlichen Raums

In einem im Oktober 2020 veröffentlichten Bericht der Organisation Civicus wird der öffentliche Raum in Togo als “eingeschränkt” eingestuft und es werden mehrere Verstöße gegen bürgerliche Grundrechte aufgeführt, darunter willkürliche Verhaftungen von Menschenrechtsaktivist*innen.
Am 1. Dezember 2020 prangerte Amnesty International die willkürlichen Verhaftungen von Oppositionellen an. Diese seien Teil einer zunehmenden Unterdrückung dissidenter Stimmen durch die togoischen Behörden. Am 5. Dezember 2020 veröffentlichte das Nachrichtenportal Médiapart einen Artikel mit dem Titel “Au Togo les libertés publiques sont réprimées”. Das Zensieren von Journalist*innen und die erzwungene Einstellung von Zeitungen (u.a. „l'Alternative“ und „L'Indépendant Express“) ist zu einer gängigen Praxis geworden. Oppositionelle werden verhaftet (u.a. Frau Adjamagbo, Herr Djossou, Herr Djimon Oré) und zivilgesellschaftliche Akteure verfolgt (u.a. der Künstler Fadel, der sich noch immer in Haft befindet).

Die Covid-19 Pandemie

Die Covid-19 Pandemie liefert dem togoischen Staat den Vorwand für eine weitere Einschränkung der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Mindestens fünf Menschen wurden während der Ausgangssperre ungestraft getötet, vermutlich von Teilen der Sicherheitskräfte; die eingeleiteten Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Seit Anfang 2020 wurden keine friedlichen öffentlichen Kundgebungen mehr genehmigt. Dies ist jedoch kein neues Phänomen. So richteten am 11. September 2019 vier UN-Sonderberichterstatter ein Schreiben an den togoischen Staatschef, um auf den restriktiven Charakter des neuen Gesetzes über die Versammlungsfreiheit und friedliche öffentliche Demonstrationen in Togo hinzuweisen.

Willkürliche Verhaftungen und Berichte von Folter

Diesen Dezember werden mehrere Dutzend Gefangene, die derzeit wegen Meinungsdelikten ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden, ihre zweijährige Haftstrafe unter unmenschlichen Bedingungen beenden. Am 18. November 2020 ordnete die Anklagekammer des Berufungsgerichts von Lomé angesichts der von den Inhaftierten eindeutig erhobenen Foltervorwürfe an, dass der Untersuchungsrichter eine Untersuchung der von den Angeklagte behaupteten Folterhandlungen während ihrer Verhöre durchführen sollte. Doch seit fast einem Jahr wurde die geforderte Untersuchung nicht eingeleitet. Die Folterhandlungen sind hinreichend belegt, um ein Verfahren zu eröffnen. Die Kläger ziehen es nun vor, sich an den ECOWAS-Gerichtshof zu wenden. Togo wurde vor kurzem (im Oktober 2021) von gerade diesem Gericht dazu verurteilt, einer Frau, die nach einer friedlichen Demonstration im Jahr 2017 von Polizeibeamten gedemütigt und gefoltert wurde, Schadenersatz zu zahlen. Bereits am 7. August 2019 hatte der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter Togo wegen Vorwürfen von Folter und Misshandlung in Haft gerügt. Des Weiteren werden Häftlinge ohne angemessene medizinische Versorgung inhaftiert. Dies ist der Fall von Herrn Yacoubou, einem Mitglied der Panafrikanischen Nationalpartei, der an Krebs erkrankt war und im Gefängnis keine angemessene Behandlung erhielt. Eine Aktion der Zivilgesellschaft führte zu seiner Freilassung am 16. Juli 2021. Doch sein Krebs war unheilbar und er starb am 26. August.

Abgesehen von all diesen Fällen, die mit Missständen in der Justiz zusammenhängen, sollte daran erinnert werden, dass sich die Bedingungen, unter denen Wahlen durchgeführt werden, nie verändert haben und dass die von der Zivilgesellschaft und EU-Expert*innen geforderte Veröffentlichung der Wahlergebnisse nach Wahllokalen von der Regierung, die auf Wahlbetrug setzt, um sich selbst zu erhalten, bisher nicht umgesetzt wurde.

Im Rechtsstaatlichkeitsindex des World Justice Project (WJP), der 2020 veröffentlicht wurde, steht Togo auf Platz 16 von 31 Ländern in der Region Subsahara-Afrika. Des Weiteren gehört Togo zu den 30 Ländern mit dem größten Defizit an Rechtsstaatlichkeit weltweit.

Forderungen von Front Citoyen Togo Debout an die Bundesregierung

Ausgehend von all diesen Überlegungen erinnert Front Citoyen Togo Debout daran, dass die Grundsätze der Menschenrechte universell sind und nicht von der geografischen Herkunft einer Person abhängen. Die togolesischen Männer und Frauen verdienen genauso viel Respekt für die Grundsätze der Demokratie, die die Menschenrechte garantieren, wie alle anderen Bürger*innen der Welt. Front Citoyen Togo Debout appelliert daher an die deutsche Regierung, die schweren Menschenrechtsverletzungen in Togo nicht zu ignorieren. Gesetzt den Fall, das sie die Zusammenarbeit mit Togo weiterhin als eine gute Sache betrachtet, fordert Front Citoyen Togo Debout von der Bundesregierung, sich für folgende Belange einzusetzen:

- die Freilassung aller politischen Gefangenen und die Beendigung willkürlicher Inhaftierungen;

- die Beendigung der Einschränkung des öffentlichen Raums sowie die Garantie friedlicher öffentlicher Demonstrationen;

- den Abschluss der Ermittlungen zu den Tötungsdelikten, u.a. an Kindern, die sich während der soziopolitischen Krise 2017 ereignet haben und für die Elemente der Sicherheitskräfte verantwortlich gemacht werden;

- die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wahlen und die Akzeptanz des Grundsatzes der Bekanntgabe der Stimmergebnisse nach Wahllokalen.

Lomé, den 4. November 2021

Front Citoyen Togo Debout

Stellungnahme des Memorandum-Komitees

Schreiben zur Situation der politischen Gefangenen in Togo für das Treffen der DTA (Diaspora Togolaise en Allemagne) mit den deutschen Behörden

In wenigen Wochen, am 21. Dezember 2021, wird es genau drei Jahre her sein, dass in Togo eine Repressionswelle gegen Demokrat*innen und unschuldige Bürger*innen begann, die – aufgrund ihrer von der der Regierungspartei abweichenden Meinung – willkürlich an ihrem Wohnort, an ihrem Arbeitsplatz oder auf Reisen verhaftet und ohne Gerichtsverfahren oder Verurteilung inhaftiert wurden. Sie werden unter unglaublichen Anschuldigungen inhaftiert, die nichts mit den Tatsachen zu tun haben und oft frei erfunden und falsch sind. Diese sind u.a.: “Schwere Störung der öffentlichen Ordnung“, „Vorsätzliche Zerstörung“, „Kriminelle Verschwörung“ und „Untergrabung der inneren Sicherheit des Staates”.

Es handelt sich größtenteils um einfache Menschen: Handwerker*innen, Bauarbeiter*innen, Fahrer*innen von Transportfahrzeugen, Bauern und Bäuerinnen, Sänger*innen, Ladenbesitzer*innen und Hausfrauen, die zu mehr als 90 % der ethnischen Gruppe der Tem-Cotocoli angehören und somit jene einfachen Menschen repräsentieren, die während der jüngsten soziopolitischen Protestbewegungen Teil der Proteste gegen die blutige Unterdrückung des friedlichen Marsches vom 19. August 2017 waren. Ursprünglich von der Panafrikanischen Nationalen Partei (PNP) initiiert und dann von einer Koalition politischer Parteien namens C14 übernommen, forderten diese Proteste die Rückkehr zur ursprünglichen Verfassung von 1992, die die Anzahl der Amtszeiten des Präsidenten auf zwei begrenzt.

Die Menschen wurden also im Rahmen einer ethnischen Stigmatisierung verhaftet und u.a. durch Angehörige der Armee, der Polizei und der Gendarmerie brutal gefoltert, die, wie wir in Togo wissen, in überwältigender Mehrheit aus der ethnischen Gruppe der Kabylen stammen, aus der auch der seit über 55 Jahren regierende Familienclan Eyadéma-Gnasingbé stammt. Mit solchen Mitteln, die zur Sicherung der politischen Macht eingesetzt wurden, die um jeden Preis erhalten werden sollte, hatte die in Gang gesetzte Repression nicht nur einen grundlegend antidemokratischen Charakter, sondern auch einen ethnischen, da sie darauf abzielte, die Tem-Cotocoli-Gemeinschaft zum Schweigen und zur Untätigkeit zu bringen, indem sie sie in großen Schrecken versetzte, der in Zukunft jeden Anflug von Protest verhindern sollte.

Die 111 politischen Gefangenen, die alle aus politischen Gründen oder wegen der Äußerung abweichender Meinungen verhaftet wurden, lassen sich in die folgenden sechs Gruppen unterteilen:

- 6 Gefangene, die in der Haft oder kurz nach ihrer Freilassung verstorben sind, einer von ihnen im sogenannten Fall „Tigerrevolution”, der am 26. Januar 2020 begann;

- 17 Inhaftierte im Fall Goma Abdoul-Aziz, die am 19. Dezember 2018 am Rande der Parlamentswahlen vom 20. Dezember 2018 verhaftet wurden;

- 80 Gefangene im Fall “Tigerrevolution”, die seit dem 4. November 2019 verhaftet wurden, darunter eine Frau, die zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung ein 9 Monate altes Baby stillte, sowie schwerkranke Gefangene;

- 3 Gefangene, die wegen der Teilnahme an friedlichen Demonstrationen ab dem 7. Juni 2013 verhaftet wurden und derzeit Haftstrafen verbüßen, nachdem sie angeklagt und verurteilt wurden;

- 2 Gefangene, die seit dem 29. April 2021 wegen Meinungsdelikten verhaftet wurden, weil sie ihre Meinung zu Fragen von nationalem Interesse oder im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in einer politischen Partei geäußert hatten;

- 3 Gefangene, die 2009 verhaftet und 2011 wegen Verschwörung gegen die Staatssicherheit verurteilt wurden, deren Freilassung jedoch vom ECOWAS-Gerichtshof und der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu willkürlichen Inhaftierungen gefordert wurde, bisher ohne Erfolg.

Die meisten dieser politischen Gefangenen wurden grausam gefoltert, und fünf von ihnen starben im Dezember 2020 in Haft, einer von ihnen am 26. August 2021, nur 38 Tage nach seiner vorläufigen Freilassung, Sie alle starben an den Folgen grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung in inoffiziellen Haftanstalten, insbesondere in den Lagern der Nationalen Polizeieinsatzgruppe (GIPN) in Agoè-Logopé und des Inlandsgeheimdienstes (SCRIC) in Agoè-Cacavéli, die sich beide in der togoischen Hauptstadt Lomé befinden.

Mehr als 75 der Gefangenen befinden sich derzeit – aufgrund der Folter und der schlechten Haftbedingungen im GIPN-Lager in einem schlechten Gesundheitszustand – im Lager des SCRIC in der ehemaligen Direktion der Nationalen Gendarmerie in Lomé sowie im Zivilgefängnis von Lomé, dessen Schließung den togoischen Behörden seit vielen Jahren von den für Menschenrechte zuständigen UN-Institutionen empfohlen wird. Sie alle leiden in der Haft an verschiedenen Krankheiten, die auf die erlittene Folter zurückzuführen sind: Herz-, Nieren-, Augen- und Hautkrankheiten, körperliche Schmerzen, Bluthochdruck, Diabetes, psychische Störungen mit beginnender Demenz usw., aber die togoischen Behörden weigern sich, ihre Gesundheitskosten zu übernehmen.

Auf seiner 67. Sitzung im Juli-August 2019 in Genf hatte der UN-Ausschuss gegen Folter bereits folgende Empfehlungen an die togoische Regierung ausgesprochen:

- die Freilassung der Personen, die zwischen dem 19. und 21. Dezember 2018 im Fall Goma Abdoul-Aziz willkürlich festgenommen wurden;

- die strafrechtliche Verfolgung derjenigen, die diese Folterungen und willkürlichen Verhaftungen begangen haben;

- die Entschädigung der willkürlich Verhafteten;

- die Schließung des Zivilgefängnisses in Lomé, das die von der UNO festgelegten Standards und Haftbedingungen nicht einhält.

Obwohl die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen im Anschluss an ihren Ausschuss gegen Folter die togoischen Behörden ebenfalls aufgefordert hat, diese politischen Gefangenen freizulassen, und alle diese Bitten und Empfehlungen unbeachtet blieben, hat sich die togoische Justiz selbst in dieselbe Richtung geäußert.

Mit Beschluss vom 20. November 2020 wies die Anklagekammer des Gerichts erster Instanz von Lomé den Untersuchungsrichter an, eine Untersuchung der von den Angeklagten behaupteten Folterungen während ihrer Vernehmung durchzuführen, nachdem die Angeklagten die Verletzungen durch die ihnen in der Haft zugefügten Folterungen an ihrem Körper gezeigt hatten.

Seit fast einem Jahr weigern sich die Richter jedoch, diese Entscheidung umzusetzen, wohl wissend, dass sich die Anschuldigungen bestätigen würden mit der unmittelbaren Folge, dass alle diese Gefangenen bedingungslos freigelassen würden. Dies steht im Einklang mit den vom togoischen Staat ratifizierten internationalen Abkommen, insbesondere mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, in dem es heißt:

„Artikel 12: Jeder Vertragsstaat stellt sicher, dass die zuständigen Behörden unverzüglich eine unparteiische Untersuchung einleiten, wenn hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass in einem seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Gebiet eine Folterhandlung begangen worden ist. (…)

Artikel 15: Jeder Vertragsstaat stellt sicher, dass Aussagen, die nachweislich durch Folter zustande gekommen sind, in keinem Verfahren als Beweismittel verwendet werden dürfen.“

Noch gravierender ist, dass einige Richter nach dieser Entscheidung die politischen Gefangenen vorgeladen haben, als hätte es diese nie gegeben, und zwar ohne die Anwesenheit ihrer Anwälte, um sie zu zwingen, ein Dokument zu unterschreiben, dass ihre Akten geschlossen werden, mit dem unausgesprochenen Ziel, sie zu öffentlichen Anhörungen zuzulassen, um sie am Ende dieser Farce von einem Prozess, an die wir in Togo gewöhnt sind, zu verurteilen.

Deshalb rufen wir alle humanitären und demokratischen Organisationen, Regierungen und Institutionen auf, bei den togoischen Behörden zu intervenieren, damit sie die internationalen Verpflichtungen, die sie freiwillig eingegangen sind, einhalten, die Folter und Misshandlung der politischen Gefangenen beenden und diese bedingungslos freilassen, sobald sich die Foltervorwürfe bestätigt haben.

Die togoischen Behörden müssen unabhängigen Delegationen oder internationalen Untersuchungskommissionen die Möglichkeit geben, sich ungehindert mit den genannten politischen Gefangenen zu treffen, ihre Haftanstalten zu besichtigen und mit denjenigen Verantwortlichen der Einrichtungen zu sprechen, die für ihre Akten zuständig sind, um sich ein genaues Bild von ihrer Situation machen zu können.