Redebeitrag auf der Demo "Abolisch Frontex!" in Den Haag

Ich bin Vincent von All Included, Mitglied von Afrique-Europe Interact.

Wir sind hier vor dem “Europa-Haus”, das die Europäische Union und ihre Migrationspolitik repräsentiert. Waren es früher vor allem die nationalen Regierungen, die ihre eigene Politik verfolgten, so ist es jetzt die Europäische Union, die für die Praktiken an den Außengrenzen verantwortlich ist.

Frontex, das Symbol der EU-Migrationspolitik, steht für eine geschlossene Gesellschaft mit militarisierten Grenzen und keiner Verantwortung/Solidarität gegenüber Nachbarländern oder Kontinenten. Abschreckungspolitik und die Behandlung als Bürger*innen 2. Klasse ist die Lebensrealität vieler Migranten*innen. Die Schließung der Grenzen bedeutet eine Verlagerung der Migration auf gefährlichere Routen.

Migrant*innen kommen nicht ohne Grund; sie sind auf der Suche nach einem menschenwürdigen Dasein. Als AEI sind wir in direktem Kontakt mit selbstorganisierten Gruppen in Mali: ein Staatsstreich, eine bankrotte Wirtschaft, hohe Lebensmittelpreise, islamistischer Terrorismus, Korruption.

Die Antwort ist eine strukturelle Kriminalisierung von NGOs und Migrant*innen entlang der Balkan-Route und dem Mittelmeer. Sogar ein senegalesischer Vater wurde als angeblicher Schleuser verurteilt, was ein gutes Beispiel ist für die Externalisierung der europäischen Außengrenzen.

Ständig werden Klagen gegen Migrant*innen und NGOs wegen Menschenhandels eingereicht:

- Fouad Kakaei, ein iranischer Asylbewerber, wurde vor zwei Wochen vom Vorwurf des Menschenhandels freigesprochen, nachdem er in Großbritannien zu zwei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden war und bereits 17 Monate im Gefängnis verbracht hatte. Er hatte zugegeben, dass er geholfen hatte, das Boot zu steuern: “Ich wollte nicht auf dem Meer sterben”.

- 13. Mai 2021: Der Flüchtling Mohamad H. wurde vom Gericht in Mytilene, Lesbos, zu 146 Jahren Haft verurteilt. Zwei Mitreisende auf dem Boot sagten aus, dass Mohamad derjenige war, der versuchte, das Leben aller zu retten, indem er das Boot irgendwie sicher an Land steuerte – er selbst ein Flüchtling ohne Erfahrung in der Seefahrt -, dass der Schleuser ein türkischer Mann war, der sie im Meer zurückgelassen hatte und dass der Schiffbruch durch die Handlungen dieses Schmugglers verursacht wurde.

- Übermorgen findet der Prozess gegen 4 der 6 jungen Geflüchteten statt, die angeklagt sind, im September 2020 das Feuer im Camp Moria gelegt zu haben. 70 europäische Organisationen fordern unter dem Slogan “Free Moria 6!” Fairness und Transparenz im Prozess gegen die 6 angeklagten Geflüchteten. 2 der 6 Angeklagten wurden bereits im März zu fünfjährigen Haftstrafen verurteilt, trotz mangelnder Beweise und eines von Unregelmäßigkeiten durchzogenen Prozesses.

- “Lethal disregard” (Tödliche Missachtung) lautet der Titel eines neuen, eindringlichen Berichts des UN-Menschenrechtsbüros über Such- und Rettungseinsätze und den Schutz von Migrant*innen im zentralen Mittelmeer, der letzten Monat – im Mai 2021 – veröffentlicht wurde: Durch unbeantwortete Notrufe, Behinderung humanitärer Rettungsbemühungen und Zurückdrängungen nach Libyen trägt die EU eine Mitschuld am Tod von Hunderten von Migrant*innen auf der Mittelmeerroute.

Manchmal schaffen wir es, den Spieß umzudrehen und den Staat auf die Anklagebank zu setzen:

Vor zwei Wochen wurde Frontex – erstmals – wegen Menschenrechtsverletzungen vor den EU-Gerichtshof gebracht. Frontex hat es versäumt, seine Aktivitäten in Griechenland einzustellen, obwohl es schwerwiegende, systematische und weit verbreitete Verstöße gegen die Grundrechte nach EU-Recht gab. Zwei Asylsuchende, die auf EU-Territorium (Lesbos) Asyl suchten, wurden gewaltsam aufgegriffen, misshandelt, beraubt, entführt, festgehalten, gewaltsam ins Meer zurückgebracht, kollektiv ausgewiesen und schließlich auf Schlauchbooten ohne Navigationsmittel, Nahrung und Wasser zurückgelassen.

Frontex und Griechenland verfolgen das politische Ziel, “Migration” um jeden Preis zu stoppen. Der Direktor von Frontex, Leggeri, erklärt dem EU-Parlament und der EU-Kommission, dass diese “Push-Backs” in Wirklichkeit nicht stattfinden. Es ist ein Spiel zwischen den Nationalstaaten und Europa, bei dem sich jeder hinter dem anderen versteckt. Niemand ist verantwortlich.

Deshalb sollten wir alle jene Initiativen unterstützen, die Frontex sowie nationale und europäische Politiker*innen und Institutionen für diese Diskriminierungen und vorsätzlichen Tötungen zur Rechenschaft ziehen!

Für Bewegungsfreiheit & selbstbestimmte Entwicklung!

Stoppt Frontex, stoppt die Festung Europa!