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Memorandum zu staatlicher Repression in Togo (Langversion)

Seit dem Ende der Demokratiebewegung von 2017/18 missachtet die togoische Regierung zunehmend die fundamentalen Grundrechte aller Bürger*innen und insbesondere die der aus politischen Gründen Inhaftierten. Zu den einschüchternden Maßnahmen zählt insbesondere die Behandlung von Menschen, denen politisch motivierte Delikte vorgeworfen werden: willkürliche Festnahmen, endlose Untersuchungshaftzeiten, Verschwindenlassen, Folter, unmenschliche Haftbedingungen. Angesichts dieser alarmierenden Entwicklung gründeten mehrere togoische zivilgesellschaftliche Gruppen das „Komitee für die Freilassung aller politischen Gefangenen“. Ziel dieser Initiative ist es, die menschenrechtswidrige Behandlung politischer Gefangener durch die togoische Justiz und Exekutive auch international bekannt zu machen, und den Betroffenen und ihren Familien juristisch und sozial beizustehen. Um dieses Vorhaben zu unterstützen, veröffentlichen wir folgendes Memorandum, das in seiner überarbeiteten Version von April 2021 auf der Nachrichtenseite Mediaprt erschienen ist, in deutscher Übersetzung.

Das Memorandum kann ebenfalls als PDF-Dokument heruntergeladen werden.

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Das Komitee zur Befreiung aller politischen Gefangenen, das anlässlich der willkürlichen Verhaftung von Brigitte Adjamagbo-Johnson und Gérard Djossou als Ad-hoc-Komitee gegründet wurde, verpflichtet sich, weiterhin für die Freilassung aller in togoischen Gefängnissen inhaftierten politischen Gefangenen zu kämpfen. In diesem Zusammenhang nahm sich das Komitee zuerst die Zeit, alle Zeugenaussagen und Informationen aus verschiedenen Quellen über diese Gefangenen zu identifizieren, rigoros zu sammeln und sie gegenzuprüfen, um sich so gut wie möglich über ihre Situation zu informieren. Anschließend traf es sich mit verschiedenen Akteuren, Organisationen und Institutionen, darunter Amnesty International-Togo, die togoische Anwaltskammer und die Nationale Menschenrechtskommission (Commission Nationale des Droits de l'Homme, CNDH), die auf der einen oder anderen Ebene an Administration der Gefangenen und Überwachung iher Situation beteiligt waren.

Nach all diesen Untersuchungen veröffentlicht das Komitee nun dieses Memorandum für die Freilassung aller politischen Gefangenen Togos, mit dem es beschließt, die nationale und internationale Öffentlichkeit über die Ergebnisse seiner Untersuchungen zu informieren. Um auf das Ausmaß und die Schwere der Instrumentalisierung der togolesischen Justiz aufmerksam zu machen, die sich aus den Untersuchungen ergeben, ruft es zu einer nationalen und internationalen Mobilisierung auf, um die Freilassung aller Inhaftierten zu erkämpfen und der besorgniserregenden Entwicklung zurück zur absoluten Willkürherrschaft, in der Togo in den letzten Monaten Tag für Tag versinkt, ein Ende zu setzen.

Seit dem Ende der sozialen und politischen Protestbewegungen der Jahre 2017-2018, die die Machthabenden erschüttert haben, erleben wir eine besorgniserregende Verschlechterung der Menschenrechtslage in Togo. Diese Entwicklung der letzten beiden Jahre zeigt sich insbesondere durch willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, erzwungenes Verschwindenlassen, begründeten Verdacht auf Folter und sogar Todesfällen in Haft.

Eine Analyse all dieser Verstöße verweisen im Allgemeinen auf die Tendenz einer Instrumentalisierung der togoischen Justiz durch die politische Exekutive, die sich offensichtlich dafür entschieden hat, die Justiz zum Hauptinstrument ihrer Politik des Maulkorbs für die Bevölkerung zu machen und damit die Gewaltenteilung, auf dem jede dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit folgende Republik beruht, ernsthaft zu untergraben. Das Wiederaufleben von Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Beamt*innen gefährdet somit die Rolle der Justiz als Garantin des sozialen Zusammenhalts und eine Festigung der Rechtsstaatlichkeit. Laut den togoischen Justizbehörden “ist das Hauptproblem des Sektors der Mangel an Vertrauen zwischen dem Justizsystem und den Bürger*innen. Dieser Mangel an Vertrauen ist auf Hürden beim Zugang zur Justiz, ihre mangelnde Effizienz bei der Bearbeitung von Fällen, die Korruptionsprobleme, die den Sektor untergraben, und die Straffreiheit, die einige Richter*innen und Prozessbeteiligte genießen (Justiz der zwei Geschwindigkeiten) zurückzuführen” (Programme d'Appui au Secteur de la Justice (PASJ) Garde des Sceaux, Ministère de la Justice)

Das Memorandum hat daher zum Ziel:

- alle Verletzungen der Grundrechte durch staatliche Akteur*innen aufzudecken;

- die unmittelbaren Erfordernisse für die Beendigung dieser Grundrechtsverletzungen anzugeben;

- sie der nationalen und internationalen Öffentlichkeit bekannt zu machen, um diese zu sensibilisieren und zu mobilisieren, Maßnahmen zur Beendigung der dokumentierten Missstände zu ergreifen.

Der Kontext

Im Grunde betrifft die derzeit durch Togo fegende Welle der Repression alle Bereiche der togolesischen Gesellschaft. Es scheint, als versuche das Regime alles, um jeden Anschein von Kritik oder Protest mundtot zu machen, nachdem es von den Protesten, die nach der blutigen Niederschlagung der friedlichen Demonstrationen vom 19. August 2017 durch Togo fegten, überrascht wurde. Die Repression mit der die Machthabenden diesem und folgenden Protestmärschen begegnete, zu dem die Partei PNP (Parti National Panafricain) in 5 Städten Togos sowie in mehreren Ländern Afrikas, Europas und Amerikas aufgerufen hatte, um eine Rückkehr zur Verfassung von 1992 zu erreichen, stieß auf einhellige Empörung und Verurteilung.

Nachdem in den Jahren zuvor die blutige Niederschlagung soziale Bewegungen an Universitäten für Schlagzeilen gesorgt hatten (u. a. die Verprügelung und Erschießung der jungen Studenten Anselme Guyano Sinandare und Douti Sinalengue), nahmen die Proteste 2017-2018 die Form von beeindruckenden friedlichen Märschen an. Fast ein Jahr lang brachten diese Märsche mehrere Hunderttausend Demonstrierende zusammen, sowohl in der Hauptstadt als auch in mehreren Städten im Landesinneren, sowie in einigen weiteren Städten in Afrika, Europa und Amerika. Beim Versuch der Unterdrückung dieser friedlichen Märsche durch das Regime kam es zu mehreren Dutzend Toten, darunter auch Kinder (u.a. Jojo Zoumekey, Rachad Agrignan-Maman, Moufidou Idrissou und Nawa Ino Tchakondo), Hunderten von Verletzten und Vertriebenen sowie zu mehreren Dutzend Verhaftungen. Nach etwa einem Jahr offenbarten die Protestmärsche eine soziale und politische Krise, zu deren Lösung das herrschende Regime die Staatschefs der ECOWAS-Länder um Intervention bat, unter deren Vermittlung schließlich ein Rahmen für den politischen Dialog beschlossen wurde. Dieser Dialogprozess gipfelte in der Durchführung dreier nationaler Wahlen zwischen Ende 2018 und Anfang 2020 (Parlamentswahlen im Dezember 2018, Kommunalwahlen 2019 und Präsidentschaftswahlen am 22. Februar 2020). Jedoch fanden all diese Wahlen im Allgemeinen unter beklagenswerten Bedingungen statt, was die politische Krise in Togo weiter verschärfte und zu einem großen Gefühl der Frustration in der Bevölkerung führte.

Zusätzlich zu diesen politischen Problemen kam es zu Korruptionsfällen, die von der Presse aufgedeckt wurden und in die staatliche Behörden und Beamt*innen verwickelt sind, was diesen Eindruck weiter verstärkte. Denn paradoxerweise hat die togoische Justiz die Hinweisgeber verurteilt, während die mutmaßlichen Täter noch auf freiem Fuß sind und die von der Regierung initiierte Prüfung nie durchgeführt wurde. Diese Situation erzeugt ein allgemeines Gefühl der Ungerechtigkeit in Bevölkerung. Andererseits wurden die im Zusammenhang mit der Eindämmung der Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie in Togo verordneten Gesundheitsmaßnahmen mit großer Härte durchgesetzt und waren geprägt von Gräueltaten und neuen Todesfällen. Die von den Ordnungskräften in der Hauptstadt v. a. während der ersten Ausgangssperre begangenen Verbrechen sind bis heute ungesühnt geblieben.

Die Situation hat sich definitiv verschlechtert, und es gibt ein hartes Durchgreifen gegen Bürger*innen und regierungskritische Organisationen. Der „Zentrale Ermittlungs- und Geheimdienst“ (Service Central de Renseignements et de l'Investigation Criminelle, SCRIC), dessen Auftrag heute völlig missbraucht wird und das Justizsystem spielen eine zentrale Rolle in dieser Welle der Repression, was wir anhand der folgenden Ereignisse der letzten beiden Jahre aufzeigen werden.

Festnahmen, Inhaftierungen, Tötungen in der Haft und willkürliche Verhaftungen in Togo seit 2018

1. Der Fall Goma Aziz und seine 15 Mitgefangenen (2018)

Am 21. Dezember 2018 wurde Abdoul-Aziz Goma, ein Ire togolesischer Herkunft, ohne Haftbefehl auf offener Straße festgenommen. Als er mit Freunden in der Stadt Lomé unterwegs war, wurden sie gewaltsam verhaftet, mit Handschellen gefesselt und rücksichtslos in die SCRIC-Direktion der nationalen Gendarmerie gebracht. Die entwürdigende und unmenschliche Behandlung wurde dort fortgesetzt. Die Gruppe von Goma Aziz wurde dann um weitere Personen erweitert, die verhaftet wurden, sodass die Gesamtzahl auf 16 stieg. Sie alle geben an, gefoltert worden zu sein.

Aus unseren Untersuchungen geht hervor, dass diese Häftlinge während ihrer Verhaftung einer unmenschlichen, grausamen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt waren, bei der die Beamten sie, ohne Fragen zu stellen, schlugen, beginnend mit Ohrfeigen und Tritten, dann mit Knüppeln, Schnüren, Stöcken und anderem. Danach legten sie ihnen Handschellen an, setzten sie in ein Auto und warfen sie wie Gegenstände übereinander. Auch Tiere haben eine solche Behandlung nicht verdient. Während der gesamten Fahrt behandelten sie sie unmenschlich, trampelten auf ihren Köpfen, Hälsen, Armen und bereits gefesselten Händen herum, um ihnen Schmerzen zuzufügen. Trotz ihrer Schreie und Rufe hörten sie nicht auf, sie weiter zu schlagen und verprügeln, um sie noch mehr quälen, mit Schlägen in alle Richtungen und auf den ganzen Körper. Schwerwiegender ist, dass sie mit ihren Gewehren drohten, sie zu töten, und mit denselben Gewehren auf ihre Körper einschlugen, um sie glauben zu machen, dass sie wirklich vorhatten, sie zu vernichten.

Bis dahin war den Häftlingen jedoch nichts über den Grund für diese unmenschliche und grausame Behandlung gesagt worden, die während der gesamten Fahrt zum Zielort, dem Hauptsitz des SCRIC, andauerte. Erst bei der Ankunft im SCRIC verstanden die Inhaftierten schließlich, dass es die Gendarmeriebeamten waren, die sie auf diese Weise behandelten, obwohl sie sich ihnen hätten vorstellen und sie bitten können, ihnen zu folgen. Stattdessen hatten sie sich bewusst dafür entschieden, ihnen Schmerzen und Folter zuzufügen.

Auf dem SCRIC-Gelände wurden die Verhafteten mit bis auf die Knochen angezogenen Handschellen an ein unter den Bäumen geparktes Auto gefesselt, während andere auf dem Boden lagen. Dann wurden sie alle wieder verprügelt, bis zum Blutvergießen gequält durch Stockschläge, Tritte, Schläge mit Knüppeln und Seilen, sodass sie am ganzen Körper blutende Wunden und geschwollene Füße und Arme hatten. Diese Folter dauerte bis spät in die Nacht, um sie zu demoralisieren, ohne ihnen etwas über den Grund für ihre Verhaftung und all diese Misshandlungen zu sagen.Bis zum frühen Morgen wurden keine Fragen gestellt und sie wussten immer noch nicht, was ihnen vorgeworfen wurde.

Gegen 7 Uhr morgens wurden sie unter Bäumen hervorgeholt, in den Staub geworfen, mit Handschellen gefesselt und bis zum Mittag unter der heißen Sonne auf dem Boden liegen gelassen, bevor sie wieder unter die Bäume gebracht wurden. Erst nachdem sie auf diese Weise gefoltert worden waren, wurden sie verhört und beschuldigt, junge Leute aus Ghana zu Destabilisierungsprojekten aufgerufen zu haben. Während dieses späten Verhörs erfuhr Abdoul-Aziz Goma, dass er beschuldigt wurde, geholfen zu haben, togolesische Bürger*innen, die der Oppositionspartei PNP nahe stehen, zu betreuen, die aus Ghana gekommen waren, um an einem friedlichen Marsch in Lomé teilzunehmen. Dieser Marsch wurde von den Beamten des SCRIC als “Destabilisierungsprojekt” bezeichnet. Herr Goma beteuerte immer wieder, dass er diese Menschen nicht persönlich kannte und dass er ihnen aus humanitärer Sorge geholfen hatte, in Abwesenheit des Gastgebers, der sie eigentlich hätte aufnehmen sollen.

In der Zwischenzeit wurden die Gefangenen in das Zivilgefängnis von Lomé verlegt und dann zur nationalen Gendarmerie zurückgebracht, wo sie regelmäßig gefoltert wurden, während sie im Dunkeln eingesperrt und des Tageslichts beraubt wurden, mit dem Ergebnis, dass sich ihre Sehkraft verschlechterte. Ihnen droht ein endloses Verfahren vor der togoischen Justiz, obwohl diese über die Misshandlungen, die sie seit mehr als zwei Jahren in der Haft erleiden, informiert ist.

Diese willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen mit Folter von politischen Gefangenen verstoßen gegen alle in der togoischen Verfassung im Abschnitt „Bürgerliche Rechte, Freiheiten und Pflichten” festgeschriebenen Bestimmungen sowie gegen alle internationalen Verträge, die vom togoischen Staat ratifiziert wurden und auf die in derselben Verfassung von 1992 Bezug genommen wird. Laut diesen ist das togoische Volk …

“entschlossen, einen Rechtsstaat aufzubauen, in dem die grundlegenden Menschenrechte, die öffentlichen Freiheiten sowie die Würde eines jeden Menschen garantiert und geschützt werden müssen;

- in der Überzeugung, dass ein solcher Staat nur auf politischem Pluralismus, den Grundsätzen der Demokratie und dem Schutz der Menschenrechte beruhen kann, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen von 1945, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 sowie in der 1981 von der Organisation für Afrikanische Einheit verabschiedeten Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker definiert sind;

- den festen und feierlichen Willen verkündend, jedes politische Regime zu bekämpfen, das auf Willkür, Diktatur und Ungerechtigkeit beruht”.

2. Der Fall der im November und Dezember 2018 verhafteten Demonstrierenden

Zwei togolesische Staatsbürger wurden festgenommen, inhaftiert, gefoltert und verurteilt, weil sie an Protesten der Opposition teilgenommen hatten:

Anoumou Disriama Charles, ohne politische Zugehörigkeit, und Adade Henri, Aktivist der UDS-Togo, wurden im Dezember 2018 in Gbossimé wegen “schwerer Störung der öffentlichen Ordnung” verurteilt, der erste am 13. Dezember 2018 zu 5 Jahren Haft (bis 28. November 2023), der zweite am 31. Dezember 2018 zu 4 Jahren Haft (bis 9. Dezember 2022), und befinden sich seitdem in Haft. Und das, obwohl sie nach dem unter Vermittlung der ECOWAS 2018 zwischen der Regierung und Opposition ausgehandelten Fahrplan hätten freigelassen werden sollen. Denn dieser forderte ihre Freilassung als Beschwichtigungsmaßnahme im Rahmen des politischen Dialogs zur Beendigung der seit dem 19. August 2017 in Togo ausgebrochenen sozialen und politischen Krise.

Ihre noch immer andauernde Inhaftierung stellt nicht nur einen Verstoß gegen ein politisches Abkommen dar, das von der togoischen Regierung geschlossen und akzeptiert wurde, sondern verstößt auch gegen Artikel 30 der togoischen Verfassung, der besagt: “Der Staat anerkennt und garantiert unter den gesetzlich festgelegten Bedingungen die Ausübung der Vereinigungs-, Versammlungs- und friedlichen Demonstrationsfreiheit ohne Gewaltanwendung.”

3. Die 76 Inhaftierten im „Fall Tiger Revolution“ (Dezember 2019)

Von Anfang November 2019 bis März 2020 wurden insgesamt 76 Personen, darunter auch eine ihr Baby stillende Frau, im sogenannten “Fall Tiger Revolution” verhaftet. Dabei handelt es sich um eine haarsträubende Geschichte, in deren Zentrum eine als “Meister Tiger” bekannte Person steht, die sich zwischen Togo, Ghana und mehreren europäischen Ländern, darunter Holland, England und Belgien, bewegt, bis heute frei ist und im Verdacht steht, umstrittene Verbindungen zur Polizei zu haben. Diese Person soll einen Plan ausgeheckt und naive oder unschuldige Bürger*innen, junge Arbeitslose, Werksleiter*innen, Studierende, Künstler*innen, Familienväter und verheiratete Frauen in eine Falle gelockt haben, um sie dann unter dem Vorwand schlechter politischer Propaganda verhaften zu lassen. Beweise für die gegen die Verhafteten erhobenen Vorwürfe sind vor allem zu Gewalt aufrufende Nachrichten aus WhatsApp-Gruppen, in denen sich dutzende Bürger*innen regelmäßig austauschen und ihre Wut gegen das Regime teilen. Inhaftiert in einem Lager in der Präfektur Agoè-Logopé („Camp GP“) und in den Geheimgefängnissen des ehemaligen „Nationalen Nachrichtendienstes“ (Agence Nationale de Renseignement, ANR), verstarben berichten zufolge fünf an ihren Misshandlungen.

Ausgehend von eigens durchgeführten Recherchen veröffentlichte die Zeitung „Le Rendez-vous“ in ihrer Ausgabe 353 vom 06. November 2020 den folgenden Bericht:

“Dieser Fall führte zur Verhaftung von jungen Arbeitslosen, Werkstattleiter*innen, Studierenden, Familienvätern und verheirateten Frauen. Während fünfundsechzig von ihnen nach ihrer Verhaftung das Glück hatten, legal im Zivilgefängnis von Lomé festgehalten zu werden, wurden mehr als fünfzig in den geheimen Haftanstalten der berüchtigten ANR, auch wenn man glauben macht, dass diese Dienststelle nicht mehr existiert, oder im „Camp GP“ festgehalten. In der Woche vom 10. Oktober 2020 wurden diese Häftlinge aus den berüchtigten geheimen Folterzentren in das Zivilgefängnis von Lomé verlegt.
Aber kurz bevor sie auf diese Weise verlegt wurden, begannen diejenigen Häftlinge, welche der Gewalt, die ihnen vom ersten Moment ihrer Verhaftungen an zugefügt wurde, nicht widerstehen konnten, an den Bedingungen ihrer geheimen Haft im „Camp GP“ zu sterben. Innerhalb weniger Tage starben vier von ihnen. Dies ist auch einer der Gründe, warum die Folterer sie in die konventionelle Hafteinrichtung, das Zivilgefängnis von Lomé, verlegten. Diejenigen, die dort ankamen, wurden, gemäß den Corona-Beschränkungen, zunächst isoliert, während eine ganze Reihe von ihnen, die sich in einem besorgniserregenden klinischen Zustand befanden, in das „Cabanon“ (der Ort, an dem Gefangene in der Sylvanus Olympio Universitätsklinik behandelt werden) evakuiert wurden. Als ihre Isolation Ende des letzten Monats endete, sagten die Gefängniswärter, um nicht zu sagen die Henker der Republik, dass einige von ihnen positiv auf das Virus getestet wurden. Demnach seien sie in das Gefängnis von Tsévié verbracht worden, wo sie sich um die “covidés” kümmern.

Unsere Quellen deuten jedoch darauf hin, dass diese Geschichte von COVID-19 eine Fälschung ist. Die Realität ist, dass sie diejenigen isolieren müssen, die sie für hartgesotten oder schwer zum Schweigen zu bringen halten, damit keine Informationen über ihre Haftbedingungen durchsickern. In vielen Diktaturen ist COVID19 ein schlagkräftiges Argument, um Unerwünschte zum Schweigen zu bringen oder gar zu eliminieren. Die Kranken sind unterdessen noch immer im „Cabanon“. Sie sterben dort einer nach dem anderen, als ob sie eine Seuche hätten, die auf die gleiche Weise tötet. Es werden Drohungen gegen Eltern ausgesprochen, die ihren Kranken zu viel Aufmerksamkeit schenken, sie werden als „zu präsent“ angesehen. Die Kranken in „Cabanon“ leiden alle an einer identischen Krankheit, die ihre Köper anschwellen lässt, sodass ihre Familien sie kaum wiedererkennen.

Unsere Untersuchungen haben bereits 8 Tote identifiziert, darunter 4 im „Camp GP“ und 3 im Militärpavillon der Universitätsklinik, und einen unter denen, die im Zivilgefängnis zurückgelassen wurden, weil sie bei guter Gesundheit waren. Unter ihnen ist eine Frau, die ein 7 Monate altes Baby stillte, das derzeit zu Hause ist. Seit Beginn dieser Episode kennen wir nicht die genaue Zahl der Todesfälle, aber von den letzten Tagen im „Camp GP“, über die Hospitalisierung im „Cabanon“ bis hin zum Zivilgefängnis verzeichnen unsere Untersuchungen bereits acht Tote, von denen hier fünf Namen genannt werden: Moussa Saïbou, Issaka Alassani, Ouro-Djifa Moutawakilou, Tairou Mourane und Alilou, der als letzter in der Zelle im Zivilgefängnis starb.

Der Kreislauf der Misshandlungen, denen die Gefangenen ausgesetzt sind, ist nicht nur militarisiert, sondern auch nach außen hin abgeschottet. Man muss schon ein Genie im Ermitteln sein, um Informationen über die Liste der Toten zu bekommen, die im Moment noch unvollständig ist, obwohl es 8 Tote in einem Monat gab, wenn wir den Aussagen der Angehörigen und der Mitgefangenen Glauben schenken. Wir trafen Familienmitglieder, die verzweifelt über den Gesundheitszustand ihrer Eltern waren, die sie nach monatelangem Verschwinden endlich in einem schlechten Zustand vorgefunden hatten. So der Fall eines Herrn mit dem Namen Akohsi Sakibou, auch bekannt als Idrissou. Seine Schwester erkannte ihn nicht wieder, er war am ganzen Körper geschwollen.“ Zitat Ende.

Abgesehen von diesen Enthüllungen in der Zeitung “Le Rendez-vous” konnte das Komitee die Anwesenheit von vier schwerkranken politischen Gefangenen im „Cabanon“ der Sylvanus Olympio Universitätsklinik feststellen (Herzprobleme, Nierenprobleme, usw.), wo sie unter prekären Bedingungen inhaftiert sind.

4. Der Fall von Ferdinand Mensah Ayité und seiner Zeitung „L'Alternative“ (November 2020)

Weil er in seiner Zeitung „L'Alternative“ über erhebliche Veruntreuung öffentlicher Gelder in der Preisregulierung für Erdölprodukte berichtete, wurde Ferdinand Mensah Ayité, ein investigativer Journalist, von den mutmaßlichen Anstiftern dieser Veruntreuungen, Vater und Sohn Adjakly, vor der togoischen Justiz angeklagt. Und obwohl die Veruntreuungen Gegenstand eines Berichts einer offiziellen Untersuchungskommission waren, hat die togoische Justiz, anstatt den Fall von sich aus aufzugreifen, die Klage von Vater und Sohn Adjakly angenommen, und am 4. November 2020 den Whistleblower selbst und seine Zeitung „L'Alternative“ zu einer Geldstrafe von je 3 Millionen CFA-Francs, also insgesamt 6 Millionen CFA-Francs (9.150 Euro) verurteilt.

Am 03. Dezember 2020 organisierte die Zivilgesellschaft einen „Runden Tisch der Bürger*innen“ zu diesem Fall von Veruntreuung. Die staatliche Anti-Korruptionsbehörde HAPLUCIA (Haute Autorité de Prévention et de Lutte Contre la Corruption et les Infractions Assimilées), die bei diesem runden Tisch anwesend war, räumte ihre eigenen Unzulänglichkeiten im Fall Mensah Ayité ein, d.h. ihre mangelnde Unabhängigkeit und ihre Unfähigkeit, Korruptionsfälle zu untersuchen, in die hochrangige Persönlichkeiten verwickelt sind. Akten, die seit mehreren Jahren an die Staatsanwaltschaft geschickt wurden, sind immer noch nicht ausgewertet.

Es ist anzumerken, dass Ferdinand Mensah Ayité dem freiheitsfeindlichen Zorn des togoischen Regimes ausgesetzt ist, seit seine Zeitung „L'Alternative“ als Mitglied eines internationalen Netzwerks investigativer Journalist*innen 2016 ausgewählt wurde, um Enthüllungen über die Auswirkungen der sogenannten “Panama Papers”-Affäre in Togo zu veröffentlichen. In dieser Affäre wurde die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca mit Sitz in der Steueroase Panama des Aufbaus ausufernder illegaler Praktiken des weltweiten Kapitaltransfers durch die Gründung von Briefkastenfirmen zum Zwecke der Steuerhinterziehung und Geldwäsche beschuldigt, in welche Politiker*innen, Staatsoberhäupter, Geschäftsleute und Privatpersonen verwickelt waren. Seit Mensah Ayité und seine Zeitung in Togo die Plünderung der Gelder der Wacem-Zementfabrik zugunsten von Regierungsmitgliedern, Würdenträger*innen des Regimes und anderer Persönlichkeiten aufdeckte, sind sie Gegenstand eines repressiven Angriffs, der darauf abzielt, sie zum Schweigen zu bringen, um sie daran zu hindern, ihre Rolle als Whistleblower zu spielen.

So wurde die Zeitung „L'Alternative“ bereits einigen Monaten vorher, am 23. März 2020, vom staatlichen Medienaufsicht HAAC (Haute Autorité de l'Audiovisuel et de la Communication) zu zwei Monaten und die Zeitung „Liberté“ zu zwei Wochen Publikationsverbot verurteilt, nachdem sie für die Verleumdung des französischen Botschafters in Togo, Marc Vizy, angezeigt worden waren. Die Zeitung „Fraternité“ wiederum wurde für zwei Monate vom Erscheinen suspendiert, weil sie in dieser Entscheidung einen “Eifer” seitens der HAAC angeprangert hat.
Aber damit ist das freiheitsfeindliche Engagement der HAAC noch nicht abgeschlossen. Wie später gezeigt werden wird, kam es zu weiteren Fällen der Einschüchterung, die auf Ferdinand Mensah Ayité persönlich wie auch auf seine Zeitung „L'Alternative“ abzielten.

5. Der Fall von Gérard Djossou und Brigitte Adjamagbo-Johnson (November 2020)

Am Freitag, den 27. November 2020, wurde Herr Gérard Djossou, Verantwortlicher für soziale Angelegenheiten und Menschenrechte des Wahlbündnisses „Dynamique Monseigneur Kpodzro“ (DMK), auf der Straße von Agenten des SCRIC entführt, als er ein Treffen mit den Botschaftern der sogenannten G5-Länder und -Institutionen (Frankreich, Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika, die Europäische Union sowie das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, UNDP) verließ. Zum Zeitpunkt dieser Verhaftung bereitete er mit anderen DMK-Führern einen friedlichen Marsch vor, um die verkündeten Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom 22. Februar 2020 anzufechten.

Am nächsten Tag, Samstag, den 28. November 2020, wurde Frau Brigitte Kafui Adjamagbo-Johnson, Generalsekretärin der Oppositionspartei CDPA (Convention Démocratique des Peuples Africains) und Koordinatorin des DMK-Wahlbündnisses, ihrerseits auf Anordnung des Staatsanwalts Essolizam Poyodi von Beamten des SCRIC verhaftet, während sie Gérard Djossou berechtigterweise im Gefängnis des SCRIC besuchte. Nach der Benachrichtigung über ihre Anklage wurde sie zu einer Hausdurchsuchung (bei der persönliche Gegenstände wie z. B. Landtitel beschlagnahmt wurden) in ihre Wohnung gebracht und anschließend dem SCRIC vorgeführt, wo sie angeklagt wurde.

Das Kommuniqué, das von Staatsanwalt Poyodi veröffentlicht wurde, beschuldigt Gérard Djossou und Brigitte Adjamagbo-Johnson des “Angriffs auf die innere Sicherheit des Staates” und des “Plans zur Destabilisierung des Landes”, welcher als “kriminelles Projekt” bezeichnet wird. Es ist anzumerken, dass die Justiz nie in der Lage war, Beweise für diese Anschuldigungen vorzulegen, weder der Bevölkerung noch den Diplomat*innen, die maßgeblich an der Beobachtung dieses Falls beteiligt waren. Erst nach einer intensiven nationalen und internationalen Protestkampagne wurden die beiden Gefangenen freigelassen, verbleiben jedoch weiterhin unter richterlichen Auflagen.

6. Der Fall des Propheten Esaïe Kokou Dekpo und Apostels Gabriel Doufle (März 2020 – 2021)

Weil sie prophezeit hatten, dass der Kandidat Agbeyome Kodjo des Wahlbündnisses „Dynamique Monseigneur Kpodzro“ die Präsidentschaftswahlen vom 22. Februar 2020 gewinnen würde, wurden der Prophet Esaïe Kokou Dekpo und der Apostel Doufle seit am 14. September 2020 vom SCRIC vorgeladen und befragt. Nach mehrtägiger Haft im Gefängnis des SCRIC wurden sie der togolesischen Justiz übergeben.

Apostel Gabriel Doufle, der unter der gleichen Anklage bereits am 11. März 2020 verhaftet wurde, wurde am 6. Januar 2021 vor Gericht gestellt und zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, von denen 10 zur Bewährung ausgesetzt wurden. Ebenfalls am 6. Januar 2021 wurde der Propheten Isaiah Dekpo in erster Instanz zu 36 Monaten Haft (3 Jahre), davon 32 Monate auf Bewährung, verurteilt wegen “Störung der öffentlichen Ordnung, Verbreitung von Falschinformationen, Morddrohungen, Entschuldigung von Verbrechen und Vergehen, Aufruhrs und Missachtung von Institutionen”, eigentlich ein Meinungsdelikt. Nach einem Einspruch der Staatsanwaltschaft in derselben Woche, in der der Prophet Jesaja freigelassen werden sollte, wurde sein Urteil vom Berufungsgericht jedoch auf zwei Jahre Haft erhöht, davon ein Jahr fest und ein Jahr zur Bewährung.

7. Der Fall von Carlos Ketohou und seiner Zeitung „L'Indépendant Express“ (Dezember 2020-Januar 2021)

Die Verhaftung von Carlos Ketohou ist eine Demonstration der Unerbittlichkeit der togolesischen Regierung in ihrem Kampf gegen die unabhängige Presse in Togo.

Es war in der Nacht zum Dienstag, dem 29. Dezember 2020, kurz vor Inkrafttreten der Ausgangssperre um 22:00 Uhr, als Carlos Ketohou verhaftet, vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder missbraucht und anschließend ohne Vorlage eines Haftbefehls von einer Gruppe von Polizeibeamten, die zuvor sein Viertel komplett abgeriegelt hatten, kurzerhand vor seinem Haus abgeführt wurde. Am nächsten Tag, Mittwoch, dem 30. Dezember, wurde er jedoch vom SCRIC vorgeladen, für einen Fall, über den er nicht informiert worden war.

Er wurde zur Anti-Gang-Brigade gebracht, wo er 48 Stunden lang festgehalten wurde, bevor er ins SCRIC-Gefängnis überführt wurde, wo man ihm mitteilte, dass seine Verhaftung Teil eines Verfahrens sei, das auf Geheiß des Staatsanwalts gegen ihn eingeleitet wurde wegen eines Artikels, der in der letzten Ausgabe seiner Zeitung, „L'Indépendant Express“ (Ausgabe 545 vom Dienstag, den 29. Dezember 2020), unter der Überschrift: “Sensationsmeldung zum Jahresende: Ministerfrauen wegen Diebstahls goldener Löffel verhaftet“. Dieses Verfahren war ein eklatanter Verstoß gegen den Pressekodex, der Pressedelikte entkriminalisiert und sie ausschließlich dem Urteil staatlichen Medienaufsicht HAAC überlässt.

Nachdem er am Samstag, den 2. Januar 2021, freigelassen worden war, wurde Carlos Ketohou am Montag, den 4. Januar 2021, vor die HAAC geladen, die nach seiner Anhörung die Veröffentlichung seiner Zeitung des „L'Indépendant Express“ in allen Formen verbot. Die HAAC rief daraufhin den Präsidenten des Gerichts erster Instanz auf, die endgültige Rücknahme der Zulassung der Zeitung zu verlangen. Diese Rücknahme wurde am 15. Januar 2021 durch den Präsidenten des Gerichts, Richter Kossi Kutuhun, bestätigt. Schließlich wurde am 25. Januar 2021 die endgültige Rücknahme der Zulassung durch den von allen Mitgliedern unterzeichneten Beschluss N°002/HAAC/21/P vorgenommen.

8. Der Fall von Ferdinand Messan Ayité und der Veröffentlichung auf seiner Facebook-Seite (Januar 2021)

Am 9. Januar 2021 wurde der Journalist Ferdinand Messan Ayité erneut vorgeladen, um am 11. Januar vor dem SCRIC zu erscheinen. Der Grund für die Vorladung wurde nicht angegeben. Die von Ferdinand Messan Ayité auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte Nachricht über einen tödlichen Verkehrsunfall, der sich tatsächlich ereignete und vom Fahrer eines hochrangigen Offiziers der togoischen Armee verursacht wurde, scheint der Auslöser dieser neuen Kabale zu sein.

Dies hat einen allgemeinen Aufschrei in der Öffentlichkeit ausgelöst, die sich fragt, ob der Pressestraftatbestand auch auf Nachrichten ausgedehnt wird, die von Journalist*innen in sozialen Netzwerken gepostet werden. Um 20 Uhr erhielt Messan Ayité einen Anruf, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass der SCRIC die Vorladung auf Anweisung höhrer Instanz zurückzieht.

9. Der Fall der SET-Gewerkschafter*innen (Januar 2021)

Gewerkschaftsaktivist*innen aus einer der Gewerkschaften im Bildungssektor, entschieden sich nach Unstimmigkeiten innerhalb der Organisation nach dem Beispiel ähnlicher früherer Praktiken, sich von ihr zu trennen und eine neue Gewerkschaft zu gründen, die sie “Gewerkschaft der Lehrer*innen in Togo” (Syndicat des Enseignants du Togo, SET) nannten.

Da das Schuljahr 2020-2021 gerade begonnen hatte, beschlossen sie, einen Streik für die Erfüllung bestimmter Forderungen anzumelden. Sobald diese Streikankündigung eingereicht wurde, brach eine brutale Repression über sie herein. Sie wurden gejagt und aufgrund des Vorwurfs der “Fälschung und der Verwendung von Fälschungen” sowohl während der Gründung der Gewerkschaft als auch der Einreichung ihrer Streikankündigung verhaftet.

In der Folge gipfelten diese repressiven Maßnahmen in unglaublichen Übergriffen, die in der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung in Togo ohne Beispiel sind. So wurden …

- in der Nacht zum Samstag, den 16. Januar 2021 in Kara, der Berichterstatter der Gewerkschaft, Baho Essohanam, von der Anti-Gang-Brigade verhört, die sich auf die Suche nach anderen Mitgliedern der Gewerkschaft machten.

- am Nachmittag des 17. Januar 2021 in Afagnan der Generalsekretär der Gewerkschaft Gnonkpa N'Moagni in seinem Haus vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder gewaltsam verhaftet, wobei sein Haus durchwühlt und Fahrzeuge und anderes Eigentum, das ihm gehörte, von der Gendarmerie ohne Grund beschlagnahmt wurden. Mehrere von der Gendarmerie verfolgte Gewerkschaftsmitglieder tauchten daraufhin unter.

- am Mittwoch, dem 20. Januar 2021, drangen Agenten der Anti-Gang-Brigade auf Ersuchen der für den Bildungssektor zuständigen Behörden, die zuvor über einen Vermittlungsversuch der Führer des Gewerkschaftsdachverbandes STT (Synergie des Travailleurs du Togo) informiert worden waren, brutal, unangemeldet und illegal in den Sitz des Verbandes ein, um drei Führer der SET zu verhaften: Adekplon Elie, Esseh Kodjo Antoine und Kola Panawé Simwakina, die für dieses Treffen in der Zentrale des STT aus ihrem Versteck gekommen waren. Nach der Verhaftung der drei Anführer der SET, die zusammen mit einem Mitglied des STT (Herr Degbevi) abgeführt wurden, durchsuchten die Agenten der Anti-Gang-Brigade die im Versammlungsraum vorhandenen Computer, Mobiltelefone und Dokumente. Die Generalsekretärin des STT, die das Treffen mit den Mitgliedern der SET leitete, wurde brutal behandelt und in ihrem Büro eingesperrt, um sie daran zu hindern, den Gewerkschafter*innen zu helfen. Daraufhin startete sie einen eindringlichen Appell in den sozialen Netzwerken mit den Worten “Bitte, die Lage ist sehr ernst … Wir sind in Gefahr”.

Angesichts des öffentlichen Aufschreis über diese willkürlichen Verhaftungen und vor allem des spontanen Streiks, den die Lehrer*innen in einigen Schulen begannen, mit der Aussicht auf eine Verallgemeinerung auf den gesamten Bildungssektor, lenkte die Regierung ein und ließ die inhaftierten Gewerkschafter*innen wieder frei.

10. Der Fall der drei Journalisten, die von der Gendarmerie auf Befehl des Vorstehers der Präfektur Golfe verhaftet wurden (3. Februar 2021)

Nachdem sich drei Journalisten (Komlan Abotsè, vorgeladen worden war: Carles Kponwadan von Horizon-News, Anani Vidzraku von Radio Victoire und Romuald Lansou von Togoinfo) in die Präfektur Golfe begeben hatten, um den Chef des Bezirks Adakpamé, Togbui Dagban-Ayivon IV zu interviewen, wurden sie von den Sicherheitsleuten des Präfekten in Gewahrsam genommen. Nachdem man ihnen ihre Ausrüstung (Kameras und Mobiltelefone) abgenommen und ihre Aufnahmen gelöscht hatte, weil sie ihre Presseausweise nicht bei sich trugen, rief der Präfekt Beamt*innen der örtliche Gendarmerie, die kamen, um sie auf ihre Kaserne zu bringen, wo sie mehr als 2 Stunden festgehalten wurden. Sie wurden erst nach Abnahme ihrer Fingerabdrücke und nach einem langen Verhör freigelassen, an dessen Ende sie aufgefordert wurden, sich der Territorialbrigade der Golfe-Präfektur für eventuelle Vorladungen zur Verfügung zu stellen.

11. Der Fall der Zeitung „L'Alternative“ von Ferdinand Mensah Ayité, die willkürlich für vier Monate suspendiert wurde, weil dort der Minister für Stadtplanung, Wohnungsbau und Landreform, Me Koffi Tsolenyanu, mit entsprechenden Beweisen als “Schwindler in der Regierung” bezeichnet wurde (Februar 2021)

Am 5. Februar 2021 wurden Ferdinand Mensah Ayité, Publikationsdirektor der Zeitung „L'Alternative“ und Isidore Kokou Kouwongou, sein Chefredakteur, zu einer Anhörung über eine Beschwerde wegen Verleumdung und Angriff auf die Ehre von Herrn Koffi Tsolenyanu, Notar in Lomé und Minister für Stadtplanung, Wohnungsbau und Landreform, von der HAAC vorgeladen. Die Beschwerde wurde vom Anwalt des Ministers eingereicht, nachdem Mensah Ayité einen Artikel über Koffi Tsolenyanus Tätigkeit als Nachlassverwalter des verstorbenen Geschäftsmanns Georges Kudawoo veröffentlicht hatte. Nach dieser Anhörung, die ca. 1,5 Stunden dauerte, wanden sich die Beschuldigten am 8. Januar 2021 mit einem Protestbrief an die HAAC.

Auf die Frage der HAAC-Beamten, warum sie, nachdem sie den Beschwerdebrief von Herrn Koffi Tsolenyanu erhalten hatten, die Veröffentlichung des Artikels nicht gestoppt hätten, antworteten die Journalisten wie folgt: „Erlauben Sie uns Herrn Badjibassa Babaka, Mitglied der HAAC zu zitieren, der erklärte: ‚Die HAAC lädt Journalisten nicht vor der Veröffentlichung eines Artikels vor. Der Tätigkeit der HAAC als Medienaufsicht entsprechend wird ein Journalist erst im Falle eines Fehlers vorgeladen, um ihn anzuhören. Der Antrag des Ministers, die Journalisten der Zeitung „L’Alternative“ vorzuladen, war unzulässig‘. Herr Willybronde Telou, ebenfalls Mitglied der HAAC, fügte hinzu: ‚Ich habe Herrn Koffi Tsolenyanu angerufen, um ihm zu sagen, dass die HAAC kein Gericht ist und dass sein Antrag unzulässig war.‘“

Auch der Präsident der HAAC bestätigte die Position der Journalisten von „L'Alternative“ mit der Erklärung: “Ich stimme zu. Es ist nicht Aufgabe der HAAC, die Rechtmäßigkeit bestimmter Veröffentlichungen zu bewerten. Das überlassen wir der Justiz. Was uns hier interessiert, ist Ethik (…) Und wenn der Minister die HAAC bittet, Sanktionen gegen die Zeitung zu ergreifen, ist es nicht seine Aufgabe, der HAAC zu sagen, sie solle die Journalisten sanktionieren. Es liegt an uns, zu wissen, was wir tun sollen.“

Trotz all dieser Tatsachen verfügte die HAAC in ihrem Beschluss N°003/HAAC/21/P vom 5. Februar 2021 die Aussetzung der Zeitung „L’Alternative“ für einen Zeitraum von 4 Monaten ab dem 5. Februar 2021, wobei sie sich auf Erwägungen stützte, die eindeutig nicht der Wahrheit entsprachen.

Der Rückschlag erfolgte drei Tage später, als Zeus Komi Aziadouvo, Mitglied der HAAC und Vorsitzender ihres Pressekomitees, gegen diese freiheitsfeindliche Entscheidung Einspruch erhob, indem er am 8. Februar 202 einen Brief, adressiert an den Präsidenten der HAAC, mit dem Betreff: „Widerrufung meiner Unterschrift und abweichende Meinung“ verfasste. Dieser Brief bestätigt schließlich den parteilichen und freiheitsfeindlichen Charakter der Entscheidung der HAAC und stellt in seiner Gesamtheit ein methodisches Exposé der mehrfachen Fälschungen der HAAC im Fall Mensah Ayité dar. Im Folgenden wird er in Auszügen zitiert. Zeus Komi Aziadouvo rechtfertigte seine Position wie folgt:

“Hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich meine Unterschrift unter der Entscheidung Nr. 003/HAAC/21/P über die Aussetzung der zweiwöchentlichen ‚L'Alternative‘ vom 5. Februar 2021 zurückziehe, da die besagte Entscheidung dem Verlauf der Verhandlung nicht treu geblieben ist.

(…)

Außerdem ist es nicht ehrlich von unserer Seite, wenn es in der Entscheidung heißt: ‚In Anbetracht der Tatsache, dass der Verlagsleiter der Zeitung ‚L'Alternative‘ während der Anhörung keine Beweise für die Stichhaltigkeit seiner Behauptungen vorgelegt hat …‘. Was ist dann mit den von der Zeitung veröffentlichten Dokumenten, die unsere Medienaufsicht in ihrem Bericht als ‚beweiskräftige Dokumente‘ bezeichnete und die der Publikationsdirektor von ‚L’Arternative‘ unserer Institution zur Verfügung stellen wollte? (…)

Schließlich wurde die Zeitung offenbar dafür bestraft, dass sie ‚keine Bereitschaft gezeigt hat, die gemachten Aussagen zu berichtigen‘, denn, so die Entscheidung weiter, ‚diese Praxis spiegelt den erklärten Willen wider, die Ehre und Würde des Beklagten in dem Artikel zu diffamieren und zu untergraben‘. Dies ist eine Abkürzung, um die Anordnung von Minister Tsolenanu wirksam zu machen.

Aufgrund all dessen, Herr Präsident, widerrufe ich meine Unterschrift unter dem Beschluss Nr. 003/HAAC/21/P über die Aussetzung der zweiwöchentlichen Zeitung ‚L'Alternative‘ vom 5. Februar 2021. Im Namen des neuen Togos, das wir aufbauen wollen, kann ich diese Handlungen, die die freie Ausübung des Journalistenberufs verletzen, nicht tolerieren.”

Diese Ausführungen belegen eindeutig den Mangel an Ehrlichkeit, die parteiische Unterwürfigkeit und den freiheitsfeindlichen Willen der HAAC.

Die Instrumentalisierung der Justiz oder die Inhaftierung von Dissident*innen durch eine Justiz, die der verlängerte Arm des Regimes ist

Eine Krise der Judikative, die auf die gesellschaftspolitische Krise folgt?

In Anbetracht der genannten Vorfälle kann festgestellt werden, dass Togo weiterhin enorme Schwierigkeiten in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und demokratische Regierungsführung hat. Das Wiederaufleben von Menschenrechtsverletzungen, insbesondere durch Personen in öffentlichen Ämtern, gefährdet das Prinzip der Fairness im Justizsystem: Das togoische Regime nutzt die Justiz heute mehr denn je, um abweichende Stimmen zu unterdrücken.

Der Justizsektor war wiederholt Gegenstand von Interventionen der Europäischen Union (EU), u. a. im Rahmen des „Projekt zur Unterstützung der Reform des Justizsystems und der Förderung der Menschenrechte“ (Projet d'Appui à la Réforme de la Justice et à la Promotion des Droits de l'Homme, PAJDH), das aus dem 9. und 10. Europäischen Entwicklungsfonds (Fonds Européen de Développement, EEF) in Höhe von etwa 9 Millionen Euro (5,901 Milliarden CFA-Francs) finanziert wurde. Dieses Projekt wurde zwischen 2007 und 2013 umgesetzt und wurde durch eine zweite Komponente von 2014 bis 2020 im erneuten Umfang von ca. 9 Millionen Euro ergänzt. Das sind insgesamt 18 Millionen Euro (11,802 Milliarden CFA-Francs).

Trotz der beträchtlichen Ressourcen, die von den multinationalen Partnern investiert wurden, bleiben bekannte Muster bestehen und der Sektor ist weit davon entfernt, seinen Ruf zu verbessern. Heute kann man angesichts verschiedenen Fehlverhaltens der Beamt*innen dieses Sektors und der kontinuierlichen Menschenrechtsverletzungen, wie sie im vorigen Kapitel beschrieben wurden, sagen, dass die Justiz ihrer Funktion als Garantin für die Konsolidierung des Rechtsstaates nicht gerecht wird, sondern eher das Regime ersetzt, das die Justiz zu seinem verlängerten Arm bei der Unterdrückung von politischen Gegner*innen, zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, Gewerkschafter*innen und sogar Journalist*innen gemacht hat. Offensichtlich tritt Togo in eine neue Ära ein, nämlich in die einer wahrhaften „Identitätskrise der Judikative“ mit einem Wiederaufleben von Missständen verschiedener Art.

Typologie der Missstände in der Justiz in Togo

1. Verhaftungen außerhalb des gesetzlichen Rahmens und der Einhaltung von Verfahrensregeln

Verhaftungen außerhalb des gesetzlichen Rahmens und der Einhaltung der Verfahrensregeln treten immer wieder auf und werden regelmäßig angeprangert: Verhaftungen erfolgen sehr oft ohne richterlichen Beschluss, mit Brutalität und zu unangemessenen Zeiten. Bei der Analyse fällt immer wieder auf, wie unbegründet die Anklagen und wie inhaltsleer die Akten der Staatsanwaltschaft sind. Diskussionsbeiträge in sozialen Netzwerken werden zu stichhaltigen Beweisen erklärt und reichen aus, um Menschen zu Haftstrafen zu verurteilen.

2. Erzwungenes Verschwindenlassen als Mittel der Verhaftung

Verschwindenlassen wird nach wie vor als Vorgehen bei Verhaftungen praktiziert. Der UN-Sonderberichterstatter für erzwungenes Verschwindenlassen wurde 2020 aufgrund der Besorgnisse der Familie einer verschwundenen Person, die in einem Ort im Norden Togos lebte, kontaktiert. Daraufhin schickte er einen Brief an die togoische Regierung und einige Tage später erhielt ein Familienmitglied einen Telefonanruf, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass der „Verschwundene“ krank in der Gefangenenabteilung eines Krankenhauses inhaftiert sei.

3. Verletzungen der Grundrechte (auf freie Meinungsäußerung, auf friedliche Demonstration und Versammlung)

Demonstrationsfreiheit: Am 7. August 2019 hat die Nationalversammlung ein Gesetz verabschiedet, das die Demonstrationsfreiheit stark einschränkt. Am 11. September 2019 haben vier Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen in einem Schreiben an den togoischen Staatschef auf den restriktiven Charakter des neuen Gesetzes zur Versammlungsfreiheit und zu friedlichen öffentlichen Demonstrationen in Togo hingewiesen und vergeblich eine Überarbeitung des neuen Gesetzes gefordert. Seit dem neuen Gesetz und auch schon vor der COVID-19-Pandemie, die nun die Möglichkeiten des Demonstrierens weiter einschränkt, ist keine Großdemonstration mehr genehmigt worden. Jeder, der gegen das Gesetz verstößt, muss mit der vollen Härte des Gesetzes rechnen. Die Teilnahme an einer Demonstration, selbst einer friedlichen, kann zu einer langen Haftstrafe führen.

Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Gefahr: Das SCRIC verfolgt Menschen aufgrund vorgeworfener Presse- und Meinungsdelikte, das HAAC unterbindet seinerseits die Veröffentlichung von Presseorganen, und die Justiz verurteilt Personen zu Haftstrafen oder zum dauerhaften Entzug von Veröffentlichungslizenzen. Somit entsteht der Eindruck, dass die in den 90er-Jahren teuer erstrittene Meinungs- und Pressefreiheit auf dem Rückzug ist.

Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Gefahr: Das SCRIC verfolgt Menschen aufgrund vorgeworfener Presse- und Meinungsdelikte, das HAAC unterbindet seinerseits die Veröffentlichung von Presseorganen, und die Justiz verurteilt Personen zu Haftstrafen oder zum dauerhaften Entzug von Veröffentlichungslizenzen.

4. Fälle von Folter und Misshandlung in der Haft

Eine wachsende Zahl übereinstimmender Anschuldigungen bestätigen, dass die Praxis der Folter in togoischen Gefängnissen eine Realität ist. Das „Camp GP“ und Gefängnisse des SCRIC werden regelmäßig von Inhaftierten als Orte genannt, an denen Folter praktiziert wird. Viele Zeug*innenaussagen bestätigen auch, dass es geheime Haftorte gibt, zu denen die Verhafteten mit Kapuzen geführt werden, um zu verhindern, dass die Orte entdeckt werden. Auch wird von Folterpraktiken berichtet, die in diesen geheimen Haftorten stattfinden.

Am 7. August 2019 ermahnte der UN-Ausschuss gegen Folter Togo wegen “Vorwürfen von Folter und Misshandlung in der Haft … insbesondere gegenüber Personen, die nach ihrer Teilnahme an Demonstrationen oder ihrer Unterstützung oppositioneller Forderungen festgenommen wurden.”

5. Aktionen gegen Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft

Nach den vielen Rückschlägen der politischen Opposition wird nun die Zivilgesellschaft vom Regime ins Visier genommen. Ein Versuch, das Gesetz über zivilgesellschaftliche Organisationen (Organisation de la Société Civile, OSC) mit Unterstützung der EU zu ändern, war vor einigen Jahren nach heftigen Protesten von OSCs gegenüber der EU ins Stocken geraten. Es wird berichtet, dass ein neues Gesetz in Erwägung gezogen wird.

In der Zwischenzeit haben Sprecher*innen von aktivistischen Organisationen wie „Nubueke“, „Regroupement des Jeunes Africains pour la Démocratie et le Développement“ (REJADD) und „En Aucun Cas“ die Qualen des Zivilgefängnisses in Lomé erfahren, wo sie mehrere Monate lang festgehalten wurden, manchmal ohne Gerichtsverfahren unter dem Vorwurf der Untergrabung der inneren Sicherheit, der kriminellen Verschwörung und ohne jegliche Beweise für diese Anschuldigungen. So verurteilte das Strafgericht von Lomé am 19. Januar 2019 den Aktivisten Foly Satchivi von der Bewegung „En Aucun Cas“ wegen “Rebellion”, “Entschuldigung für Verbrechen und Vergehen” und “schwerer öffentlicher Unruhestiftung” zu 36 Monaten Gefängnis, davon 12 Monate auf Bewährung. Er war am 22. August 2018 nach einer Pressekonferenz zur Unterdrückung der Proteste festgenommen worden. Assiba Johnson, Präsidentin des REJADD, wurde am 4. April 2018 nach der Veröffentlichung eines Berichts über die Unterdrückung von Demonstrationen in den Jahren 2017-2018 verhaftet und wegen “Verbreitung falscher Nachrichten und Beleidigung der öffentlichen Ordnung” zu 18 Monaten Haft verurteilt, von denen sechs Monate zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Am 4. September 2020 wurden junge Mitglieder einer OSC, die sich versammelt hatten, um gemeinsam einen Film über das Leben Martin Luther Kings zu sehen, verhaftet und auf die Polizeiwache gebracht.

Die jüngsten Aktionen gegen den gewerkschaftlichen Dachverband SET und STT-Funktionäre lassen vermuten, dass die Zivilgesellschaft und die Gewerkschaften in Gefahr sind. Für das Regime geht es darum, jeden Wunsch nach Protest präventiv zu unterbinden, woher auch immer er kommen mag.

6. Straflosigkeit (für die Mitglieder der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, Milizionäre, etc.)

Es sei auf einen Bericht des UN-Ausschusses gegen Folter aus dem Jahr 2019 verwiesen, der die Straflosigkeit für Akte der Folter und Misshandlung in Bezug auf die Gewalt nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2005 anprangert: “Von 72 Beschwerden, die von Opfern von Folter und Misshandlung eingereicht wurden, wurde keine von einem nationalen Gericht untersucht und keiner der Verantwortlichen wurde bestraft”.

Dies belegt: In Togo sind die Ermittlungen selten erfolgreich, wenn Verteidigungs- und/oder Sicherheitskräfte in einen Fall verwickelt sind. Eine Kultur der Straflosigkeit wurde bereits 2005 von der UN-Untersuchungsmission diagnostiziert, die den Auftrag hatte, zu den den tragischen Ereignissen nach der Präsidentschaftswahl vom 24. April 2005 zu ermitteln. In ihrem Bericht schrieb die Mission: “Die Wirkmechanismen der Kultur der Gewalt sind einerseits das Schweigen über die Realität der Akte und Praktiken des Terrors und der Unterdrückung und andererseits die völlige Straffreiheit für die Verantwortlichen, für diejenigen, die sie angeordnet und ausgeführt haben. Die Wiederherstellung und Förderung der Menschenrechte in Togo erfordert die Abschaffung dieser Mechanismen.”

Diese Praxis der Straflosigkeit zeigte sich erneut, als 2017 Milizionären in geheimer Komplizenschaft mit den Sicherheitskräften Gewalt gegen Demonstrierende und Bürger*innen ausübten. Trotz zahlreicher Zeugenaussagen und unwiderlegbaren Beweise wurden diese Fälle nie vor der togoischen Justiz verhandelt. Am 24. Oktober 2017 erklärte das US-Außenministerium: “Wir sind besonders besorgt über Berichte über exzessive Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte und Berichte, dass von der Regierung unterstützte Milizen Gewalt und die Androhung von Gewalt einsetzen, um Demonstrationen zu stören und Zivilisten einzuschüchtern.”

Während der Zeit der ersten Ausgangssperre nach dem Auftreten von COVID-19 in Togo kam es zu besonders tödlichen Übergriffen. Fünf Menschen wurden getötet, vermutlich durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Die meisten dieser Verbrechen, die von Mitgliedern der Sicherheitskräfte verübt wurden, blieben ungesühnt.

7. Weitere Fakten, die eine Instrumentalisierung der togoischen Justiz belegen

- Aussagen von Anwälten belegen ein parteisches Eingreifen von Richter*innen, die Angeklagte manipulieren, sodass sie ihre Anwälte abberufen.

- In mehreren Fällen wird angeprangert, dass die Justiz in jenen Fällen, in denen die repressiven Interessen des Regimes auf dem Spiel stehen, Verfahren beschleunigt.

- In anderen Fällen werden die Untersuchungen auf unbestimmte Zeit verhindert, indem das Einreichen einer Klage mit wiederholten und permanenten gerichtlichen Kontrollen einhergeht.

- Im Fall des in Bafilo getöteten Rachad Agrignan ist der Staatsanwalt nicht in der Lage, die beschuldigten Militärangehörigen vorzuladen, was eine fehlende Autorität der Justiz und die Straflosigkeit, die die von den Verteidigungs- und Sicherheitskräften begangenen Verbrechen kennzeichnet, verdeutlicht.

- Im Fall des in Lomé ermordeten Joseph Zoumekey beschuldigen sich die Staatsanwaltschaft und das Büro des leitenden Untersuchungsrichters gegenseitig. Die Familien und die Anwälte wissen nicht mehr über den aktuellen Stand des Prozesses.

- Im Fall der erschossenen Kinder in Togblécopé (es gibt belastende Anschuldigungen, dass Mitglieder togoischen Streitkräfte an ihrer Tötung beteiligt waren) liegen die Leichen der beiden Kinder immer noch in der Leichenhalle. Der Fall zieht sich hin, die Mörder müssen sich keine Sorgen machen, denn die Zeit ist auf ihrer Seite. Die Straffreiheit scheint sich wieder einmal durchgesetzt zu haben.

Bilanz der Repressionswelle

Das Gesamtbild der Verhaftungen, willkürlichen Inhaftierungen und des Verschwindenlassens in Gewahrsam seit 2018 in Togo lässt sich wie folgt zusammenfassen (siehe Übersichtstabelle in der PDF-Version)

111 Personen wurden festgenommene und inhaftiert.

- 76 Personen, die im „Fall Tiger Revolution“ festgenommen und inhaftiert wurden, davon: 5 Personen, die in der Haft gestorben sind; 4 Personen, die derzeit krank sind und in der Gefangenenstation des Zentralkrankenhauses Sylvanus Olympio in Lomé inhaftiert sind; 67 weitere Personen, die derzeit inhaftiert sind;

- 16 Personen, die im Fall Aziz Goma verhaftet, inhaftiert und mitangeklagt wurden;

- 8 Personen, die wegen Demonstrationen verhaftet, in Polizeigewahrsam gehalten oder inhaftiert wurden;

- 2 Personen, die wegen Meinungsdelikten verhaftet und inhaftiert wurden;

- 1 Person, die wegen eines Pressedelikts verhaftet und inhaftiert wurde;

- 5 Personen, die wegen Streiks und anderer Versammlungen verhaftet, in Gewahrsam genommen oder inhaftiert wurden;

- 3 Personen, die wegen Bedrohung der Staatssicherheit verhaftet und inhaftiert wurden.

Von den 111 Personen, die verhaftet, in Gewahrsam genommen oder inhaftiert wurden, wurden 7 freigelassen.

Fügen wir dieser Liste die politischen Gefangenen des „Falles der Verschwörung gegen die Staatssicherheit“ hinzu, die 2009 verhaftet und 2011 vor Gericht gestellt wurden.

Trotz der Urteile zu ihren Gunsten durch den ECOWAS-Gerichtshof im Jahr 2013, der ihre Rehabilitierung forderte, und trotz des Berichts der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen, der ihre bedingungslose Freilassung forderte, befinden sich drei Gefangene seit 2009 immer noch in Haft.

Insgesamt kam es zu einer Intensivierung der Angriffe auf die folgenden Rechte und Freiheiten:

- Recht auf Leben

- Meinungsfreiheit

- bürgerliche und politische Freiheit

- Versammlungsfreiheit

- Pressefreiheit

- Gewerkschaftsfreiheit

- Demonstrationsrecht

- Streikrecht

- Recht auf eine faire Justiz.

Schlussfolgerungen und Forderungen

1. Schlussfolgerungen

Betrachtet man den gegenwärtigen Zustand der bürgerlichen und politischen Freiheiten in Togo, wird deutlich, dass das Regime das Land vor die Entscheidung stellt, ob die demokratischen Errungenschaften, die das togolesische Volk im Volksaufstand vom 5. Oktober 1990 errungen hat, erhalten bleiben oder nicht. Dabei stellt sich die folgende Alternative: Entweder gelingt es dem togoischen Volk mit einer Bürger*innenmobilisierung, unterstützt von einer internationalen Öffentlichkeit, das herrschende Regime in seiner aktuellen Offensive gegen Rechte und Freiheiten zur Umkehr zu bewegen oder die seit August 1990 errungenen demokratischen Errungenschaften werden ihres Inhalts beraubt.

Zwar ist es zu begrüßen, dass es durch die Mobilisierung der Bevölkerung und zivilgesellschaftlicher Organisationen gelungen ist, die Freilassung einiger willkürlich festgenommener und inhaftierter Bürger*innen zu erwirken. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, dass als Folge der derzeitigen Repressionspolitik viele Bürger*innen in missbräuchlicher Haft gehalten werden, und das teils unter entwürdigenden Bedingungen.

Deshalb muss erneut ein Alarmruf ertönen gegen den Zustand des Terrors, der sich in Togo schleichend breitmacht, um eine letztendlich ungerechte Gesellschaftsordnung aufrechtzuerhalten, in der eine Minderheit von jeder Rechenschaftspflicht entbunden ist und gleichzeitig den Reichtum des Landes monopolisiert, von dem Präsident Faure Essozimna Gnassingbé in seiner Rede vom 26. April 2012 sprach, als er sagte: “Wenn die kleinste Zahl die Ressourcen zum Nachteil der größten Zahl monopolisiert, dann entsteht ein schädliches Ungleichgewicht, das Demokratie und Fortschritt in ihren Grundfesten bedroht.”

Es ergibt sich die dringende Notwendigkeit, zur ständigen und kontinuierlichen Mobilisierung der Bevölkerungen und Organisationen sowie der internationalen Meinung aufzurufen, um die seit etwa dreißig Jahren mit großem Kampf eroberten Rechte und Freiheiten zu verteidigen und zu erweitern, was das Ziel des vorliegenden Memorandums auf der Grundlage der folgenden Forderungen ist.

2. Forderungen

Unsere unmittelbaren Forderungen sind folgende:

1. Bedingungslose und sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen in Togo und die Entschädigung aller Bürger*innen, die zu Unrecht verhaftet, inhaftiert, gefoltert oder in der Haft getötet wurden (siehe beigefügte Liste);

2. Das lebendige Wiederauftauchen aller politischen Gefangenen;

3. Die Einsetzung einer internationalen unabhängigen Untersuchungskommission, um die Vorwürfe über Todesfälle in der Haft durch Folter oder aus anderen Gründen vollständig aufzuklären und die Täter und Hintermänner dieser kriminellen Handlungen zu identifizieren und zu verhaften, damit sie vor Gericht gestellt werden können. Dies soll geschehen in Übereinstimmung mit der geltenden Gesetzgebung und den von togoischen Behörden ratifizierten internationalen Übereinkommen.

4. Unsere Untersuchungen und Ermittlungen haben Vorwürfe der Folter und der grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung politischer Gefangener aufgedeckt, an denen unter anderem 18 Beamte beteiligt waren. Diese müssen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

5. Die Auflösung von Einheiten der Sicherheitskräfte, die sich der Misshandlung von politischen Gefangenen schuldig gemacht haben.

6. Die Einsetzung einer internationalen unabhängigen Untersuchungskommission, die die Missstände im togoischen Justizsystem aufklären soll sowie die Suspendierung von Richter*innen, die von der Untersuchung als verantwortlich oder schuldig befunden werden, das Justizsystem zu missbrauchen, um unschuldige Bürger*innen zu verurteilen und illegal in Haft zu halten. Diese müssen der Justiz zur Verfügung gestellt und für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden.

7. Die Instrumentalisierung der Justiz muss gestoppt werden. In diesem Zusammenhang fordern wir:

- die Achtung der Unabhängigkeit der Justiz;

- die Aufhebung aller fingierten Anklagen gegen politische Aktivist*innen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft;

- den Stopp richterlicher Auflagen gegenüber politischen Aktivist*innen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft, die verhängt werden, um sie dauerhaft einzuschüchtern und ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken.

8. Schlussendlich fordern wir die Achtung aller demokratischen Freiheiten, die durch die togoische Verfassung und die vom togoischen Staat ratifizierten internationalen Übereinkommen garantiert werden, insbesondere:

- die Achtung des Rechts auf Leben;

- die Achtung der Meinungs- und Redefreiheit. In diesem Zusammenhang fordern wir: * die Freilassung des Propheten Jesaja Kokou Dekpo; * die Freilassung des Apostels Gabriel Doufle;

- die Achtung des Demonstrationsrechts;

- die Achtung der Pressefreiheit. Bezüglich Letztrem fordern wir: * die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz von Lomé, das Ferdinand Mensah Ayité und die Zeitung „L'Alternative“ wegen Verleumdung zu je 3 Millionen CFA-Francs verurteilt hat, also zu insgesamt 6 Mio. CFA, in dem als “pétrole gate” bekannten Fall, in den Vater und Sohn Adjakaly verwickelt sind; * die Aufhebung des Beschlusses Nr. 002/HAAC/21/P vom 25. Januar 2021, mit dem der Zeitung „L'Indépendant Express“ die Lizenz entzogen wurde; * die Aufhebung des Beschlusses Nr. 003/HAAC/21/P vom 5. Februar 2021, mit dem das Erscheinen der Zeitung „L'Alternative“ ausgesetzt wurde;

- die Achtung der Freiheit der politischen und gewerkschaftlichen Organisation

- die Achtung des Streikrechts.

Lomé 16. Februar 2021, überarbeitet im April 2021

Das Komitee zur Befreiung aller politischen Gefangenen

Beteiligte Organisationen

Aus der Zivilgesellschaft:

1. ATDPDH: Association Togolaise pour la Défense et la Promotion des Droits Humains

2. REJADD-Togo: Le Regroupement des Jeunes Africains pour la Démocratie et le Développement
Front Citoyen Togo Debout

3. Front Citoyen Togo Debout

4. Novation Internationale

5. DRPDPS

6. ALCADES: l’Association de Lutte Contre l’Analphabétisme et pour le Développement Social

7. GLOB: Groupe des Leaders d’Opinion à la Base

8. CADD-Togo: Citoyens en Action pour la Démocratie et le Développement

9. SEET: Synergie des Elèves et Etudiants du Togo

10. GCD: Galaxie Citoyenne pour la Démocratie

11. FTBC: la Fédération des Travailleurs du Bois et de la Construction

12. SYNPHOT

13. SJEP

14. Bindjé Gué Bindjé

15. Mouvement Gamessou

16. MJS: Mouvement pour Justice Social

17. AJAAH: Association des Jeunes pour Assistance et Actions Humanitaires

18. SP-BT: Association Solidarité Planétaire Branche du Togo

19. AJECED: L’Association des Jeunes pour la Promotion de l’Education et de la Culture de l’Excellence pour le Développement du Togo

20. AMIS: les Amis du Togo

21. Nouveau Citoyen

22. ABEJ: L’Association pour le Bien-Etre Juvénile

23. Pyramide

24. MMLK: Mouvement Martin Luther King

Politische Parteien:

1. CDPA: Convention Des Peuples Africains

2. MPDD: Mouvement Patriotique pour la Démocratie et le Développement

3. DSA: Les Démocrates Socialiste Africain

4. BAC: Bloc d’Action pour le Changement

5. Les Démocrates

6. Le Nid

7. La RACINE: La Renaissance de l’Afrique Complète, Indépendante et Epanouie

8. Le Togo Autrement

9. FDP: Flambeau Du Peuple

10. Parti des Travailleurs

11. MPL: Mouvement du Peuple pour la Liberté