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05. + 14. Februar 2020 | Präsidentschaftswahlen in Togo: Brief an Bundesregierung // Antwort Bundesregierung

Am 5. Februar 2020 hat sich Afrique-Europe-Interact anlässlich der Präsidentschaftswahlen am 22. Februar 2020 mit einem offenen Brief an die Bundesregierung gewandt. Dieser Brief wiederum wurde seitens der Bundesregierung am 14. Februar 2020 beantwortet. Beide Briefe finden sich hier.

Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister Heiko Maas,
sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Müller,

wir wenden uns an Sie, weil wir in großer Sorge auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Togo am 22. Februar 2020 gucken. Denn diese Wahlen sind keineswegs normal – das hat bereits die brutale Repression deutlich gemacht, mit der die togoischen Sicherheitsbehörden auf die Massenproteste zwischen August 2017 und Januar 2019 reagiert haben: Über 20 Demonstrant*innen wurden getötet, darunter auch Kinder und Jugendliche. Tausende wurden verletzt, hunderte (zum Teil bis heute) inhaftiert. Zudem haben Sicherheitskräfte Privatwohnungen und Büros der Opposition verwüstet, zwischenzeitlich flüchteten auch zahlreiche Menschen in die Nachbarländer Benin und Ghana.

Ungeachtet dessen akzeptierten Regierung und Opposition Anfang 2018 eine Vermittlungsinitiative der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Diese sah grundlegende Veränderungen bei der Organisation zukünftiger Wahlen vor (unter anderem bezüglich der Zusammensetzung der Wahlkommission und des Verfassungsgerichts, das die Wahlen überwacht). Doch diese Vorgaben wurden seitens der togoischen Regierung nicht umgesetzt. Und selbst das Gesetz, das die Zahl der Amtszeiten regeln sollte, wurde an entscheidender Stelle entschärft. Denn das Parlament (in dem gerade mal sechs Abgeordnete der Opposition sitzen) beschloss zwar im Mai 2019 die Beschränkung auf zwei Amtszeiten, dies jedoch mit dem Zusatz, dass die bisherigen Amtszeiten von Fauré Gnassingbé nicht mitgezählt werden. Zudem entschied das Parlament, dass ehemalige Präsidenten nicht für Vergehen angeklagt und verurteilt werden dürfen, die sie im Rahmen ihrer Präsidentschaft begangen haben.

Umso mehr muss es beunruhigen, dass togoische Sicherheitskräfte weiterhin brutal gegen die Opposition vorgehen, wie drei Beispiele aus der jüngeren Zeit zeigen:

  • Am 25.08.2019 wurde in Lomé eine reguläre Parteiversammlung der Alliance nationale pour le changement (ANC) unter fadenscheinigen Gründen von Sicherheitskräften aufgelöst. Die ANC ist die Partei von Jean-Pierre Fabre, der als einer der aussichtsreichsten Oppositionskandidaten bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen gilt.
  • Am 14.11.2019 berichtete der ehemalige Erzbischof von Lomé, Phillippe Kpodzro, dass er Morddrohungen erhalten habe, nachdem er sich am 12.11.2019 mit den Führern des Oppositionsbündnisses „C 14” getroffen hat. Ähnlich muss Tikpi Atchadam aus Angst um sein Leben im benachbarten Ausland leben, er ist Präsident der Parti National Panafricain (PNP), einer der wichtigsten Oppositionsparteien.
  • Am 25.01. und 26.01.2020 wurden zwei prominente Parteikader der PNP bei nächtlichen Razzien ohne Angabe von Gründen festgenommen – unter anderem der Generalsekretär Acoubou A. Moutawakilou.

Bestätigt werden derartige Berichte auch durch namhafte Menschenrechtsorganisationen: So schreibt Amnesty International in seinem letzten (bereits 2017 erschienen) Bericht zu Togo: „Die Sicherheitskräfte wandten auch 2016 exzessive Gewalt gegen Demonstrierende an. Nach wie vor kam es zu willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen sowie zu Folter und anderen Misshandlungen, und die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen bestand fort.” Ganz ähnlich die Togoische Liga für Menschenrechte: In einem im November 2019 veröffentlichten Bericht zu Folter und Polizeigewalt in Togo werden schwerste Menschenrechtsverletzungen geschildert – etwa am 21. Juli 2019 in Lomé im Quartier Hédzranawoé, als mehrere Dutzend Menschen von Sicherheitskräften ohne Anlass verprügelt und festgenommen wurden.

Angesichts dieser und ähnlicher Vorfälle scheint es absolut erforderlich, dass der gesamte Wahlprozess seitens der internationalen Öffentlichkeit genau beobachtet und etwaige Unregelmäßigkeiten ungeschminkt benannt und ggf. auch sanktioniert werden. Zu den drohenden Unregelmäßigkeiten gehören nicht nur Einschüchterungen und Benachteiligungen im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, sondern auch Wahlmanipulationen am Wahltag selbst. Und das umso mehr, als sich die Regierung weigert, selbstverständliche Standards in Punkto demokratischer und transparenter Wahlen umzusetzen – beispielsweise die Bekanntgabe der Wahlergebnisse getrennt nach Wahlbezirken (eine Maßnahme, die Wahlmanipulation deutlich erschwert). Laut verschiedener Umfragen will eine Mehrheit der Bevölkerung, dass Fauré Gnassingbé als Präsident abgewählt wird. Zu ihren wichtigsten Forderungen zählen daher: Die Freilassung aller politischen Gefangenen, das Ende jeder Repression, die strafrechtliche Verfolgung all jener, die Gewalt gegenüber friedlichen Demonstrant*innen ausgeübt bzw. verantwortet haben und eine transparente, faire und gewaltfreie Organisation der Präsidentschaftswahlen.

Afrique-Europe-Interact unterstützt diese Forderungen und bittet die internationale Öffentlichkeit, die Wahlen in Togo kritisch und wachsam zu begleiten. Diese Bitte richtet sich nicht zuletzt an die Vereinten Nationen, die ECOWAS, die Afrikanische Union und die EU.

Von der deutschen Bundesregierung wünschen wir uns, dass sie sich gegenüber der Regierung in Togo für die Durchführung transparenter, fairer und gewaltfreier Wahlen einsetzen möge. Dies umfasst auch das Bestreben, vor, während und nach den Wahlen die Stimmen von Menschenrechtsorganisationen, von unabhängigen Wahlbeobachter*innen und von Vertreter*innen der Opposition ausdrücklich zu beachten.

Aus Gründen der Transparenz wären wir Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns mitteilen würden, welche konkreten Schritte die Bundesregierung ergreifen möchte bzw. bereits ergriffen hat, um die Durchführung demokratischer und friedlicher Wahlen in Togo zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen,

Volker Mörchen

14. Februar 2020 | Antwort Bundesregierung

Sehr geehrter Herr Mörchen,

Ihre Schreiben an Herrn Bundesminister Heiko Maas und Herrn Bundesminister Dr. Gerd Müller bezüglich der anstehenden Präsidentschaftswahlen in Togo wurde den für Togo zuständigen Referaten für Westafrika im Auswärtigen Amt und im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Beantwortung zugeleitet. Sie fragen darin danach, welche konkreten Schritte die Bundesregierung ergreifen möchte bzw. ergriffen hat, um die Durchführung demokratischer und friedlicher Wahlen in Togo zu unterstützen. Die nachfolgende Antwort gilt für beide Bundesministerien gleichermaßen.

Bei den Präsidentschaftswahlen in Togo am 22.02.2020 wird eine Wahlbeobachtung u.a. durch die „Economic Community of West African States” (ECOWAS) gewährleistet. ECOWAS hat in den vergangenen Jahren in Togo und der Region insgesamt eine starke Rolle bei Demokratisierungsprozessen und der Vermittlung in politischen Konflikten gespielt. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Bundesregierung die Wahlbeobachtung durch ECOWAS ausdrücklich. Die Bundesregierung unterstützt ECOWAS seit vielen Jahren umfassend im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und leistet so einen Beitrag dazu, dass ECOWAS seine wichtige Rolle in der Region erfüllen kann.

Im Rahmen des regelmäßigen Dialogs mit der togoischen Regierung, auch im Verbund mit Frankreich, den USA, den Vereinten Nationen und der Europäischen Union, wie auch mit den Oppositionsparteien, spielen gegenwärtig Fragen des Wahlprozesses eine zentrale Rolle. Dabei unterstreicht die Bundesregierung vor allem die Notwendigkeit von Inklusivität und Transparenz des Wahlvorgangs. Ein Kernpunkt ist die detaillierte Veröffentlichung der Wahlergebnisse.

Die Bundesregierung fördert im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mit langfristigen Programmen die Demokratisierung Togos. Besonders hervorzuheben ist hier der von Deutschland seit 2012 stark unterstützte Dezentralisierungsprozess. Die Bundesregierung setzt hierbei auch auf das Prinzip „Fördern und Fordern”: Eine Zusage für Finanzielle Zusammenarbeit wurde 2019 an die Durchführung freier und demokratischer Kommunalwahlen geknüpft. Diese fanden im Juni 2019 erstmals seit 32 Jahren statt. Dabei sind auch Oppositionspolitiker zu Bürgermeistern gewählt worden, u.a. in der Hauptstadt Lomé. Die Bundesregierung hat hier u.a. beim Aufbau von lokalen Verwaltungsstrukturen geholfen, damit die neu geschaffenen Ämter auch funktionsfähig sind.

Freundliche Grüße

i.A.

Valentin Katzer