Für Bewegungsfreiheit & selbstbestimmte Entwicklung!

Juni 2018 | Brief der FCTD an deutschen Botschafter in Lomé (inklusive PDF)

Afrique-Europe-Interact arbeitet eng mit der Front Citoyen „TOGO DEBOUT“ (FCTD) in Togo zusammen. Vor diesem Hintergrund haben wir einen offenen Brief der FCTD an den deutschen Botschafter in Lomé (Togo) übersetzt und hierzulande auch an Vertreter_innen der Bundesregierung und einiger im Bundestag vertretenen Parteien geschickt.

Betreff: OFFENER BRIEF: DAS VORGEHEN, DAS SIE FÜR TOGO UNTER DEN AKTUELLEN UMSTÄNDEN VORSCHLAGEN, IST ABSOLUT UNHALTBAR, GEFÄHRLICH, SOGAR SELBSTMÖRDERISCH!

Seine Exzellenz Herr Botschafter,

der Front Citoyen „TOGO DEBOUT“ (FCTD) hat die Ehre Sie über die große Besorgnis, die die Mehrheit der Menschen in Togo umtreibt, in Kenntnis zu setzen, und zwar, dass eine Wahl unter den aktuellen Umständen nicht die Lösung für die schwerwiegende Krise sein kann, die Togo erfasst hat. Dieses vorliegende Schreiben ist umso mehr notwendig, gar unerlässlich, denn seit dem Treffen ihrer Kanzlerin mit einer Delegation des FCTD am Montag, den 6. November 2017, haben Sie auf der Position beharrt, dass die Menschen in Togo dem Präsidenten erlauben sollten, seine Bilanz erst im Jahre 2020 zu ziehen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die aktuelle Krise in Togo nicht daher rührt, dass keine Wahlen stattfinden; es ist eine Krise, die einem eklatanten Demokratiedefizit entspringt, verbunden mit schlechter Regierungsführung und fehlendem Wechsel an der Spitze des Staates.

Schließlich haben in Togo seit den 1990er Jahren immer Wahlen stattgefunden, aber diese Krise überdauert die unzähligen Wahlvorgänge, die vielmehr der fruchtbare „Nährboden“ ist für das Wiederaufflammen von Gewalttaten und die massiven und gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Denn die betroffenen Institutionen können keinerlei Maß an Unabhängigkeit oder Glaubwürdigkeit vorweisen.

Die Togoer_innen, ihre eigenen Körper verteidigend, haben Wahlen erlebt, bei denen Urnen vollgestopft wurden und vom Militär geklaut wurden, die aber leider dennoch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wurden! Sie haben außerdem Wahlen erlebt, deren Stimmauszählung nicht abgeschlossen wurde, vor allem aber wurden die Ergebnisse von der Unabhängigen Nationalen Wahlkommission (Commission Electorale Nationale Indépendante (CENI)) verkündet, die den Sieger bestimmt hat!

Die togoische Bevölkerung ist eine der Bevölkerungen Afrikas, die einen hohen Tribut für die Demokratie zollen musste; das Morden von Fréau-Jardin, die Massaker der Bevölkerung in Bè, die hunderte von Toten von 2005, die politischen Gefangenen, der Brand des Goethe Instituts, der kriminelle Brand auf dem „Grand Marché“ in Kara und Lomé und viele andere in Folge des Wahlkampfs, der von Spannungen und Auseinandersetzungen begleitet war und der jegliches Mindestmaß an Transparenz vermissen lässt.

Wahlen unter diesen Bedingungen abzuhalten, führt zu einer Stärkung der repressiven Armee, zu Misshandlungen, und bedeutet Morde in Kauf zu nehmen und damit die Togoische Bevölkerung einer großen Gefahr auszusetzen.

Die Menschen in Togo sind als Gesamtgesellschaft in Gefahr, aber Sie verweigern sich, ihr zu Hilfe zu kommen. Die Togoer_innen weigern sich zu glauben, dass ein Rechtsstaat, die Demokratie, gute Regierungsführung und Entwicklung einzig ein Luxus von westlichen Ländern sei!

Es wäre inakzeptabel, dass die diplomatischen und konsularischen Abordnungen der großen westlichen Demokratien in Togo von der togoischen Bevölkerung verlangen das zu akzeptieren, was nicht hinnehmbar ist; dieses selbstmörderische und gefährliche Vorhaben, das darin besteht die Togoer_innen in eine Wahl zu stürzen – im Angesicht einer dramatischen Situation in Togo, im Angesicht von Menschenrechts- und Freiheitsverletzung des aktuellen Regimes, die weithin allen bekannt sind!

Der FCTD möchte mit Eindringlichkeit die gesamte internationale Gemeinschaft, darunter Ihre Kanzlerin, daran erinnern, dass die äußert gefährliche Situation, in der sich die Mehrheit der Menschen in Togo befindet, eine direkte, ernste und klare Sprache gegenüber dem togoischen Machtapparat erfordert.

Deutschland muss den legitimen Bestrebungen einer Bevölkerung Rechnung tragen, die seit mehr als einem halben Jahrhundert von einer Diktatur – erst vom Vater dann vom Sohn – gegängelt und seiner Würde beraubt wurde. Für die Bevölkerung Togos wäre eine Wahl weder glaubhaft noch hinnehmbar, wenn nicht vorher institutionelle und konstitutionelle Reformen neue Bedingungen für Wahlen herstellen.

Die Devise der Bundesrepublik Deutschland sind „Einigkeit-Recht-Freiheit“ und diese Prinzipien sind festgehalten im Grundgesetz vom 23. Mai 1949: „die Republik, die Demokratie, der Rechtsstaat, der Sozialstaat und der Föderalismus“.

Das selbe Grundgesetz verlangt in seinem ersten Artikel(1) die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, bevor es in Artikel 20(2) bestärkt, dass alle Macht vom Volk ausgeht, um letztendlich das Recht zu verankern, das allen Menschen erlaubt Widerstand zu leisten im Falle der Beseitigung, Missachtung oder Verletzung dieser Prinzipien und Werte.

Aber was ist mit der Bevölkerung in Togo? Kann man bei ihnen kommunale, legislative oder präsidentielle Wahlen unter egal welchen Umständen abhalten? Braucht es dafür nicht gerechte und glaubwürdige Institutionen? Und warum JA für Sie und NEIN für uns? Haben die europäischen und deutschen Bürger_innen in Bezug auf die Menschenrechte mehr Rechte und mehr Würde als Bürger_innen in Afrika und Togo? Nicht zuletzt, auf welcher ethischen Grundlage sollte das, was bei Ihnen inakzeptabel ist, für Afrikaner_innen zumutbar sein?

Es sind all jene Werte und Prinzipien, die die Togoer_innen verteidigen wollen, um sich gegen die Diktatur und schlechte Regierungsführung zu erheben. Und sie brauchen jegliche Unterstützung im Geiste der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freiheit.

Wir verbleichen, Ihre Exzellenz Herr Botschafter, mit hochachtungsvollen Grüßen,

für den Front Citoyen « Togo Debout »,

Professor David Ekoué DOSSEH

++++++++++++++

(1) 1. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 1:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“

(2) 2. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 20:

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Juni 2018 | Brief der FCTD an deutschen Botschafter in Lomé (inklusive PDF)

Download fctd-offener_brief_deutsche_u__bersetzung.pdf - 100 kB