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23. Januar 2017 | FOLTER: GEFESSELT ALS PAKET NACH MALI (inklusive taz-Artikel)

Erstmalig veröffentlicht auf dem Facebook-Account von Afrique-Europe-Interact (am 26.01.2017 hat die taz ebenfalls über den Fall berichtet: siehe unten)

Am 7. Januar 2017 wurden Amadou Ba und Mamadou Drame von Deutschland nach Mali abgeschoben – zu zweit in einem Mini-Charter-Flugzeug (bewacht von drei Polizisten), weil sie sich vorher mehrmals gegen ihre Abschiebung gewehrt hatten. Doch Mini-Charter heißt nicht, dass die beiden ganz normal geflogen wären. Vielmehr wurde ihnen bei ihrer Ankunft am Flughafen Düsseldorf von der Bundespolizei mitgeteilt: „Heute, keine Chance!“ – was heißen sollte, dass sie dieses Mal keine Möglichkeit hätten, ihre Abschiebung zu verhindern. Praktisch sah das so aus, dass die beiden an Fußgelenken, Knien und Händen gefesselt wurden – die Hände gleich zweifach mit Handschellen und Kabelbindern. Zusätzlich wurden die Oberarme durch eine breiten Brustgürtel direkt am Körper fixiert, so dass die Bewegungsfreiheit praktisch auf Null reduziert war. In dieser Haltung mussten Amadou Ba und Mamadou Drame nicht nur 2 bis 3 Stunden bis zum Abflug warten, vielmehr blieb die Fesselung auch den gesamten Flug über bestehen. Lediglich bei Amadou Ba wurden nach einigen Stunden Flugzeit die Fuß- und Kniefesseln abgenommen.

Ja, genau richtig gelesen: Rund 10 bis 12 Stunden, haben sich Amadou Ba und Mamadou Drame in dieser entwürdigenden und schmerzhaften Haltung befunden (wie sie unter anderem auf einer Assemblée Populaire von Afrique-Europe-Interact in Bamako am 21.01.2017 berichtet haben: vgl. die Fotos). Alles spricht also dafür, diese Abschiebemethoden als Folter zu bezeichnen, vor allem wenn man berücksichtig, dass die beiden bei den vorherigen Abschiebeversuchen ebenfalls massive körperliche Gewalt seitens der Polizei erfahren haben – ganz zu schweigen davon, dass Abschiebungen als solche eine fundamentale Menschenrechtsverletzung darstellen.

An der Qualifzierung als „Folter“ ändert auch der Umstand nichts, dass solche Fesselungen durch einen EU-Beschluss legitimiert sind, wobei nur einige Länder diese Methode anwenden. Entsprechend prüft die EU derartige Zwangsmaßnahmen regelmäßig und kommt bemerkenswerterweise immer wieder zu dem Ergebnis, dass sie rechtlich erlaubt seien.

Amadou Ba und Mamadou Drame bei der Assemblée Populaire von Afrique-Europe-Interact am 21. Januar 2017

Schließlich: Auch die Art und Weise, wie es überhaupt zu dieser Abschiebung gekommen ist, spricht Bände: Im Falle von Amadou Ba hat die Malische Botschaft in Berlin am 14.09.2016 einen Brief an die Ausländerbehörde geschrieben, in dem es unter anderem heißt: „Herr Ba hat darum gebeten, ihm ein Dokument auszustellen, welches seine malische Staatsangehörigkeit bescheinigt [diese Bitte war natürlich nicht freiwillig]. Da er jedoch keine Urkunde vorgelegt hat, mittels derer bestätigt werden kann, dass er tatsächlich Malier ist, sind wir nicht in der Lage, ihm das gewünschte Dokument auszustellen.“ Unbeschadet dessen hat die gleiche Botschaft am 1. August 2016 und am 25. November 2016 Amadou Ba Passersatzpapiere für seine Abschiebung nach Mali ausgestellt – angeblich, weil 2008 bei einem Sprachtest festgestellt worden sei, dass er aus Mali kommen würde. Doch nicht nur die malischen Behörden handeln willkürlich, auch die deutschen Ausländebehörden operieren mit zweierlei Maß: Geht es darum Migrant_innen eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen, kann bereits ein winziger Schreibfehler in irgendeinem Dokument (zum Beispiel beim Namen der Eltern) dazu führen, dass die Glaubwürdigkeit ALLER Dokumente in Frage gestellt und die ganze Prozedur gestoppt wird. Geht es jedoch um Abschiebungen, spielen derartige Widersprüche keine Rolle, Hauptsache, es gibt irgendein schriftleches Dokument (ob seriös oder nicht), das die Abschiebung erlaubt.

Aus Sicht von Afrique-Europe-Interact wäre es jedoch falsch, diesen willkürlichen Umgang mit Dokumenten zum Hauptproblem zu erklären. Denn Abschiebungen sind grundsätzlich ein Skandal: Sie stellen nicht nur eine Verletzung des fundamentalen Menschenrechts auf Bewegungsfreiheit dar. Nein, sie tragen auch zur ökonomischen und sozialen Destabilisierung der betroffenen Länder bei, wie Afrique-Europe-Interact in seiner letzten Zeitung im Dezember 2016 in mehreren Artikeln ausgeführt hat:

https://afrique-europe-interact.net/1183-0-Migration-Entwicklung.html

Derzeit sind mehrere Aktivist_innen der europäischen Sektion von Afrique-Europe-Interact unter anderem in Mali. Dabei geht es auch darum, zusammen mit Amadou Ba und Mamadou Drame zu gucken, ob und wie die beiden unterstützt werden können. Kurzum: Solidaritätsspenden (auch steuerlich absetzbar) sind stets willkommen:

https://afrique-europe-interact.net/1541-0-Spendenformular.html

26. Januar 2017 | Zwei One-Way-Tickets für 82.000 Euro (taz)

Deutschland schiebt zwei Malier per Charterflug ab. Die Kosten für den Flug trägt die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Von Christian Jakob

Die Bundespolizei hat ein Flugzeug gechartert, um nur zwei Männer nach Mali abzuschieben. Der Flug am 6. Januar von Düsseldorf nach Bamako kostete 82.000 Euro.

Dabei griff eine neue EU-Regelung: Die deutschen Behörden brauchten die Kosten nicht zu tragen. Sie wurden von der EU-Grenzschutzagentur Frontex übernommen. Diese verfügt hierfür seit Kurzem über einen Sonderetat von 66 Millionen Euro pro Jahr. Damit soll die Zahl der Abschiebungen erhöht, gleichzeitig sollten Abschiebungen effizienter gepoolt werden. Diesmal jedoch nicht: Andere Bundesländer hätten „keinen Bedarf für Rückführungen nach Mali“ gehabt, so ein Sprecher des sachsen-anhaltinischen Innenministeriums.

Die beiden Männer namens Amadou Ba und Mamadou Drame aus dem Saalekreis hätten zwei Abschiebungen „durch passiven und aktiven Widerstand sabotiert“, so der Sprecher. Dabei hätten sie Bundespolizisten durch Bisse und Tritte verletzt. Das habe eine weitere Abschiebung per Linienflug ausgeschlossen. Die letzten drei Monate verbrachten die beiden in Abschiebehaft.

Im Internet ist allerdings ein Video von der misslungenen Abschiebung am 27. Oktober 2016 mit einer Air France Linienmaschine in Paris zu sehen. Es zeigt, wie Ba von zwei deutlich größeren Polizisten auf seinen Sitz gedrückt wird, während Passagiere den Polizisten „Keine Gewalt“ zurufen. Daraufhin wird Ba aus der Maschine gebracht. Ba lebte seit 13 Jahren in Sachsen-Anhalt, zuletzt war er mit festem Arbeitsvertrag bei einer Hühnchenschlachterei in Merseburg angestellt.

Bei Abschiebungen nach Mali „handelt die Bundesregierung völlig maß- und kopflos“, sagt der Linken-MdB Niema Movassat. Die bisherigen Abschiebeversuche seien „am Protest anderer Fluggäste gescheitert“. Zudem habe die Bundesregierung der malischen Regierung „die Pistole auf die Brust gesetzt, damit diese bei den Abschiebungen kooperiert“.

Aktivisten der NGO Afrique-Europe-Interact (AEI) trafen die Männer nach ihrer Ankunft in Bamako. Diese hätten von schweren Misshandlungen berichtet. „Sie wurden an Fußgelenken, Knien und Händen gefesselt – die Hände zweifach mit Handschellen und Kabelbindern“, sagt Olaf Bernau von AEI. Zusätzlich seien die Oberarme mit einem Gürtel am Körper fixiert worden. In dieser Haltung hätten sie drei Stunden bis zum Abflug warten müssen. Drame habe den ganzen Flug so zugebracht, Ba seien nach einigen Stunden die Fesseln abgenommen worden.