26.10.2012 | Asylbewerber bemängeln zu wenig Toiletten und Duschen
Von Detmar Oppenkowski, Mitteldeutsche Zeitung
Mamoudou Berthe klagt über Atemprobleme. Als Grund nennt der 34-jährige Flüchtling aus dem westafrikanischen Mali den baulichen Zustand der Baracken in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende in Friedersdorf. Doch nicht nur Berthe kritisiert die vorherrschenden Bedingungen. Auch Oumarou Hamani Ousman (47) – ein Sprecher der etwa 150 hier lebenden Migranten und Flüchtlinge – hat einiges vorzutragen. “Die Häuser sind alt und in den kleinen Zimmern müssen viele Menschen schlafen. Häufig sind die Heizungen kaputt oder werden ausgemacht. Es gibt auch zu wenig Toiletten und Duschen”, sagt der Mann aus dem Niger, der bereits seit zehn Jahren in Friedersdorf untergebracht ist.
Zu all den vorgebrachten Vorwürfen möchte sich die Heimleitung auf MZ-Nachfrage nicht äußern. Stattdessen verweist man an den Landkreis Anhalt-Bitterfeld. “Sicher, es handelt sich hierbei um kein Hotel”, sagt der zuständige Leiter des Sozialamtes, Martin Kriebisch. “Es finden aber regelmäßig Hygienekontrollen statt.” Und auch ein Prüfbericht des Landesverwaltungsamts vom 31. Juli habe nichts weiter zu beanstanden gehabt. Auf zwei Probleme – Schimmelbefall in einem Sanitärtrakt und verschlossene Fluchttüren – habe man reagiert und den Betreiber darauf hingewiesen.
Darüber kann Oumarou Hamani Ousman nur den Kopf schütteln. “Man verschließt einfach die Augen”, sagt er. Mit ihm habe sich bislang noch niemand über die Situation vor Ort unterhalten. Und auf Nachfrage sagt der Sozialamtsleiter Kriebisch, dass er zwar regelmäßig vor Ort sei, aber mit den hier untergebrachten Männern aus dem Niger, Mali, Afghanistan oder Iran bislang noch kein Wort gewechselt habe. Vielleicht erklärt das die zwei unterschiedlichen Sichtweisen auf die Friedersdorfer Gemeinschaftsunterkunft. Dies soll sich ändern, denn am 22. November wollen die Sozialausschussmitglieder des Kreistags die Einrichtung besuchen. Hierfür gibt es gleich mehrere zwingende Gründe.
Zum ersten endet der Vertrag mit dem Betreiber am 31. Januar 2013. Obwohl die Ausschreibung derzeit noch läuft, gilt es als unwahrscheinlich, dass ein Wechsel stattfindet, denn der jetzige Betreiber ist zugleich Eigentümer des Geländes und alternative Unterkünfte gibt es – aus Mangel an geeigneten Objekten – de facto nicht.
Zum zweiten steigt die Zahl der Asylsuchenden, die der Landkreis laut einer Aufnahmequote unterbringen muss, weiter an. Um etwa zehn bis zwölf Personen monatlich. Sie werden bislang größtenteils in den beiden Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises in Friedersdorf und Marke untergebracht. Doch mit jeweils knapp 150 Menschen sind die Kapazitäten in den beiden Einrichtungen nahezu erschöpft. Daher stellt sich die Frage: Wo können weitere Flüchtlinge und Migranten untergebracht werden?
Hierbei könnte eine dritte Entwicklung mögliche Entscheidungen vorwegnehmen, denn am Montag haben Vertreter der Landkreise zusammen mit Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) in Magdeburg die “Leitlinien für die Unterbringung und soziale Betreuung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländern in Sachsen-Anhalt” diskutiert. Gegenstand war unter anderem die “dezentrale Unterbringung”. Demnach soll der Aufenthalt in Gemeinschaftsunterkünften auf maximal vier Jahre beschränkt werden. Sollte sich dies durchsetzen, müsste Anhalt-Bitterfeld über kurz oder lang darüber nachdenken, Wohnungen vorzuhalten. Damit würde man laut Bündnis 90 / Die Grünen auch Geld sparen – so die Schlussfolgerung aus den Antworten einer “Großen Anfrage” bei der Landesregierung. Für dieses Jahr hat der Landkreis knapp 555 000 Euro allein für die Gemeinschaftsunterkunft in Friedersdorf in den Haushalt eingestellt.
“Nicht nur aus finanziellen, auch aus humanitären Gründen ist eine lange Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften nicht sinnvoll”, sagt Sozialamtsleiter Kriebisch. Allerdings glaube er nicht, dass man durch eine dezentrale Unterbringung alle Probleme lösen könne. “Sie verschieben sich damit nur territorial.” Die Landkreise seien mit der Unterbringung von Asylsuchenden überfordert. “Von uns wird mehr verlangt, als die Rechtsprechung hergibt”, verdeutlicht er den größeren Zusammenhang. “Dennoch könnte man aber im Kleinen viel verändern”, sagt Oumarou Hamani Ousman.