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Flüchtlinge in verzweifelter Lage (Süddeutsche.de)

Süddeutsche.de

Kairo – Sie haben den libyschen Polizeistaat Muammar al-Gaddafis hinter sich, viele sind auf der Flucht ausgeraubt worden, und jetzt, im befreiten Tunesien, fürchten die afrikanischen Flüchtlinge wieder um ihr Leben – und einige würden am liebsten nach Libyen zurückkehren. Am Wochenende ist im tunesischen Lager Choucha in der Nähe der Stadt Ben Guardane ein Feuer ausgebrochen, bei dem vier Menschen starben. Die Lage im Camp war erbärmlich: kaum Wasser, dünne Zelte, keine Hoffnung. Aus Protest gegen das Elend blockierten Hunderte Flüchtlinge eine wichtige Straße nach Libyen. Daraufhin eskalierte die Lage: Am Montag fielen tunesische Anwohner mit Eisenstangen und Stöcken über das Lager her, die Armee schoss auf die Flüchtlinge, das Lager wurde in Brand gesteckt, zwei Menschen starben unter umkippenden Strommasten, berichtet Michael Hackert von 'Afrique-Europe-interact' aus Tunis am Telefon der Süddeutschen Zeitung. Hackert hat mit anderen Flüchtlingsinitiativen Choucha vor kurzem besucht: 'Seitdem aber haben alle internationalen Organisationen das Lager verlassen, die Menschen haben uns am Montag aufgelöst angerufen, weil sie sich schutzlos fühlen.' Tausende seien aus dem Lager nach Libyen aufgebrochen, ins Kriegsgebiet. In Tunesien empfinden viele die Flüchtlinge als Ballast in schwierigen Zeiten, viele Afrikaner erinnern sich hingegen gern an das Libyen Gaddafis, der manchen Jobs geboten hatte, während er im Sinne Europas den Flüchtlingsstrom kontrollierte. Beides ist nun vorbei: 'Die Preise für die Überfahrt von Tripolis nach Lampedusa sind seit Ausbruch der Revolte drastisch gesunken', so Hackert: 'Früher haben die Flüchtlinge nach Italien bis zu 2000 Euro gezahlt, jetzt nur noch 200 Euro.'

Inzwischen sind offenbar viele Flüchtlinge in die Nähe des abgebrannten Lagers zurückgekehrt, die Armee versorgt die Menschen notdürftig, aber die Region ist abgeriegelt. Und einige marschierten weiter nach Libyen, wie andere seit Tagen vor ihnen. 'Zehntausende Flüchtlinge aus Libyen sind ja in den vergangenen Wochen schon nach Hause gebracht worden', so Hackert: 'Jetzt sind nur noch die übrig, die nirgends hinkönnen, Menschen aus Mali, Somalia, Eritrea, aus Ländern, die noch ärmer oder unsicherer sind als Libyen.'Und den Flüchtlingen aus dem Osten Libyens, die nach Ägypten geflohen sind, geht es oft nicht besser. Der Internationale Strafgerichtshof prüft Vorwürfe gegen die Rebellen, die den Osten kontrollieren: Sie sollen Afrikaner angegriffen haben, die sie für Söldner Gaddafis hielten. Sonja Zekri