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Das große Bauernlegen: Agrarinvestitionen und der Run auf’s Land (Dez. 2010)

Autor: Thomas Fritz

In der Studie wird am Beispiel der Deutschen Bank gezeigt, wie transnationale Investmentsfonds den weltweiten Landraub maßgeblich vorantreiben. Die Studie kann auf der Webseite des Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika runtergeladen werden.

Inhalt

1 Einleitung
2 Das Ende des Agro-Pessimismus
2.1 Geld vom Feld: Ausländische Direktinvestitionen
3 Der Land Rush
3.1 Regierungen: Outsourcing des Ackerbaus
3.2 Finanzanleger: Spekulanten auf Landpartie
3.3 Acker im Depot: Ein Blick in die Fonds der Deutschen Bank
3.3.1. Cosan: Der schmutzige Zuckerbaron
3.3.2. Cresud und der Ökozid
3.3.3. Wilmar: Der brutale Palmölgigant
3.3.4. Khon Kaen Sugar Industry: Der protegierte Landräuber
3.3.5. Olam International: Der Betrug als Geschäft
3.4. Auf Abwegen: Entwicklungsbanken im Fondsgeschäft
3.5. Leere Versprechungen: Defizite der Agrarinvestitionen
4 Sand oder Öl ins Getriebe: Was tun gegen Landraub?
4.1 Schmiermittel und Placebos: Die offiziellen Antworten
4.2 Eine alternative Agenda
5 Endnoten

Einleitung

Die Jagd privater und staatlicher Investoren nach Agrarland im globalen Süden nimmt rasant zu. Angetrieben wird sie nicht nur durch die Nahrungsmittelkrise, den Klimawandel und die steigende Nachfrage nach Agrarrohstoffen, sondern auch durch das erwachende Interesse von Finanzinvestoren sowie einiger landarmer, aber kapitalkräftiger Regierungen. Über das Ausmaß dieser neuen Landnahme gibt es zwar keine verlässlichen Angaben, doch erste Abschätzungen lassen eine enorme Größenordnung vermuten. In ihrem jüngsten Bericht über das „wachsende globale Interesse an Farmland“ wertete die Weltbank diesbezügliche Medienberichte aus. Sie kommt zu dem Schluss, dass allein im Zeitraum Oktober 2008 bis August 2009 größere Landgeschäfte über eine Fläche von mindestens 46,6 Millionen Hektar angekündigt wurden. Diese Fläche entspricht ungefähr dem Staatsgebiet Schwedens (45 Millionen Hektar).

Auch wenn unklar ist, wie viele dieser Projekte tatsächlich in der geplanten Größe realisiert werden, scheint es sich nicht um bloße Ankündigungen zu handeln. Nach der Weltbank-Untersuchung verfügten bereits über zwei Drittel der Projekte über eine offizielle Bewilligung. Über 30 Prozent davon waren schon mit vorbereitenden Arbeiten befasst und 21 Prozent produzierten bereits, wenn auch anfänglich auf kleineren Flächen als angekündigt. Nur 18 Prozent der bewilligten Agrarprojekte hatten noch nicht mit vorbereitenden Arbeiten begonnen. Hinzu kommt, dass die Nachrichten über Landkäufe keineswegs abreißen. Vielmehr stehen mit den ersten Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung nach der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise nun immer mehr Gelder für Agrarinvestitionen zur Verfügung.

Zu den attraktiven Zielländern gehören dabei jene mit hoher Landverfügbarkeit, geringer Mechanisierung und schwacher Bodenregulierung. Investitionen finden vielfach dort statt, wo traditionelle LandnutzerInnen leicht verdrängt werden können, großflächige Monokulturen möglich sind und der Maschineneinsatz kurzfristige Produktivitätsgewinne verspricht. Die neue Landnahme birgt daher ganz erhebliche ökologische und soziale Risiken in den Anbauländern. Während das industrielle Produktionsmodell die Bodenfruchtbarkeit, Wasserqualität und Biodiversität beeinträchtigt, droht KleinbäuerInnen, Indigenen und Hirten die beschleunigte Vertreibung. Dieses Risiko betrifft sowohl LandbewohnerInnen, die Eigentumstitel besitzen, als auch jene, die nur über unsichere Land- und Wassernutzungsrechte verfügen. Doch auch die Ernährungssicherheit von VerbraucherInnen steht zur Disposition, wenn wachsende Flächenanteile der Exportproduktion anheimfallen und damit das Risiko von Versorgungsengpässen auf den internen Lebensmittelmärkten steigt. Schließlich erhöhen die Bodengeschäfte die Gefahr gewaltsamer Konflikte um Land, Wasser und Nahrung.

Gleichwohl betrachten Institutionen der offiziellen Entwicklungspolitik die Agrarinvestitionen grundsätzlich als Chance, denn nun fließen wieder Mittel in die lange vernachlässigte Landwirtschaft des Südens. Die Risiken, so meinen sie, ließen sich durch Verhaltensrichtlinien, den Vertragsanbau oder die Landtitelvergabe verringern. Doch ist zu bezweifeln, dass derartige Maßnahmen genügen, um KleinbäuerInnen effektiv vor Verdrängung zu schützen, die ländliche Armut zu beseitigen und den Raubbau an der Natur einzudämmen. Denn die zunehmenden Landgeschäfte sind nur ein Element eines wesentlich umfassenderen Strukturwandels der Landwirtschaft des Südens nach dem Vorbild Europas oder Nordamerikas. Die kritische Frage aber ist, ob Entwicklungsländer einen solchen Strukturwandel, der in den Industriestaaten zu einer massiven Freisetzung der Bauernschaft führte, derzeit überhaupt verkraften können.

Die vorliegende Publikation beschreibt die neue Landnahme, deren treibende Kräfte, die Risiken für Mensch und Natur sowie Maßnahmen zur Eindämmung der zunehmenden Flächenkonkurrenz. Sie schildert dazu zunächst den verbreiteten Agro-Pessimismus, der zu einer langjährigen Vernachlässigung der Landwirtschaft des Südens führte und nun aber einem regelrechten Agro-Boom zu weichen scheint (Kapitel 2). Anschließend widmet sie sich dem aktuellen Land Rush, seinen wesentlichen Akteuren – Regierungen, Unternehmen und Entwicklungsbanken – sowie den eklatanten Defiziten der Agrarinvestments. Dabei wird auch ein Blick in die Fonds der Deutsche Bank-Investmentgesellschaft DWS geworfen, die von einer ganzen Reihe der aggressivsten Landkäufer Aktien erworben haben (Kapitel 3). Abschließend kommen die Maßnahmen der offiziellen Entwicklungszusammenarbeit auf den Prüfstand, die dem Anspruch nach die Risiken des Agrobooms verringern sollen. Da diese jedoch kaum geeignet sind, Flächenkonkurrenz, Vertreibungen und ländlicher Armut Einhalt zu gebieten, wird ergänzend eine alternative Agenda politischer Interventionen skizziert (Kapitel 4).