Hann, "Flughafen von Dakar"
In Hann Pecheur, einem an der westlichen Bucht von Dakar gelegenen Stadtteil, trifft eine Delegation von Afrique-Europe-Interact am Nachmittag des 10. Februar Vertreter und Vertreterinnen von der „Assoziation der Abgeschobenen, Überlebenden und betroffenen Familienangehörigen“ (Association Nationale des Rapatriés, Rescapés et Familles Affectées, Sénégal – ANRAF). Die Forum-Theatergruppe Kàddu Yaraax zeigt ein Stück zur Migration auf den Atlantikrouten und das Stück zur Geschichte Oury Jallohs wird von AktivistInnen der Karawane gespielt.
Im Viertel von Hann leben 20.000 Menschen, die meisten sind immer noch Fischer, auch wenn sich die Bedingungen des lokalen Fischfangs durch die Fangabkommen, die die senegalesische Regierung mit der Europäischen Union vereinbart hat, massiv verschlechtert haben. Wenn die Fischer rausfahren, sind die Gründe bereits leergefischt. Gleichzeitig sei die Bucht von Dakar die am zweitschlimmsten verschmutzteste Bucht der Welt, sagt Pape Gueye, Präsident der ANRAF, zwischen den wenigen noch verbliebenden Pirogen.
Die Umnutzung der Fischerboote hat sich in Hann gravierend vollzogen.Von Hann haben sich in den letzten Jahren Unzählige von Pirogen auf den Weg nach Europa gemacht – sie haben dem Stadtteil den Beinamen „Flughafen von Dakar“ eingebracht. „Jede Familie hier im Viertel hat Personen, die versucht haben, mit dem Boot Spanien zu erreichen“, erzählt Pape Gueye. Viele wissen nicht, ob ihre Angehörigen angekommen oder auf dem Meer ertrunken seien. Seitdem Frontex vor der Küste patrouilliert, sind die Zahlen der startenden Boote gesunken – von bis zu mehr als Hundert jede Woche vor ca. drei Jahren bis zu etwa zwei oder drei zum jetzigen Zeitpunkt.
Im Salle communauté, dem Gemeindesaal von Hann, stellen sich ANRAF und das Afrique-Europe-Interact-Netzwerk einander vor. Das Theaterstück von einigen Karawane-AktivistInnen zur Geschichte Oury Jallohs und das Stück der Theatergruppe Kàddu Yaraax zeigen berührende Überschneidungsmengen im Blick auf die Geschichten derjenigen, die den Weg über das Meer wagen, in Europa ankommen und sich dann mit der Brutalität von Justiz, Polizei oder europäischer Gesellschaft konfrontiert sehen.
Das Forum-Theater Kàddu Yaraax hat eine besondere Rolle in Hann. „Wir versuchen, die Menschen für verschiedene Themen zu sensibilisieren, zum Beispiel, dafür, was es heißt, den Weg nach Europa auf sich zu nehmen, denn die, die gehen, wissen nicht, was auf sie zukommt und die, die bleiben, wissen nicht, was denen, die gehen, widerfährt.“ Der Direktor der kleinen Compagnie, Mamadou Diol, zählt Migration zu den entscheidenden sozialen Problemen im Viertel und in Dakar selbst. Es gehe ihm und seinem Theater darum, Menschen zu ermutigen, über eine selbstbestimmte Veränderung ihrer Situation nachzudenken. Seitdem Kàddu Yaraax 1993 gegründet wurde, spielen die Schauspieler und Schauspielerinnen nicht an einem festen Ort, sondern vor allem in den Straßen des Viertels. Mit dem Theater wurde eine Kampagne gegen die starke Verschmutzung der Bucht vorangebracht. Auch wenn sich an deren Zustand noch nicht viel geändert hat, Mamadou Diol glaubt daran, dass sich das Bewusstsein der Menschen durch Wiederholung und dem Aufzeigen von Alternativen auch im spielerischen Sinne von Theater verändern kann.