Für Bewegungsfreiheit & selbstbestimmte Entwicklung!

Bericht von der Antiabschiebeaktion

Der Flug hat Verspätung, das Flugzeug fährt auf das Rollfeld. Zwei Leute bemerken, dass eine Abschiebung stattfindet. In der letzten Reihe halten zwei Polizisten mit „Police“ Armbinde einen Mann fest, der mit einem Gurt um die Arme gefesselt ist, sie drücken ihn gegen seinen Widerstand unter die Sitze. Leute stehen auf und stellen fest: „Das ist eine Abschiebung.“ Der Mann beginnt zu schreien: „Lasst mich frei. Ich gehe nicht. Ich will nicht fliegen. Ich will hierbleiben.“ Er wird festgehalten, er wehrt sich, ist aufgeregt. Mehrere Passagiere wenden sich der Szene zu, einige versuchen den Passagieren zu erkären, was passiert. Sie versuchen mit dem Flugzeugpersonal zu sprechen, sagen, dass sie den Kapitän sprechen wollen. Es wird gerufen „Liberté, Liberté!“. Das Personal (ca. 10 Leute) beginnt zu drohen, die Protestierenden werden angeschrien. Weitere Passagiere stehen auf, protestieren, es wird fotografiert und gefilmt. Im Flugzeug selbst beginnt ein dritter Polizeibeamte (in zivil mit Armbinde) zu filmen, er filmt alle, die stehen und schreit, „ Setzt Euch hin!“. Der Kapitän erscheint und droht, dass die Stehenden das Flugzeug verlassen müssen, wenn sie sich nicht hinsetzen werden. Es wird geantwortet, dass es sich ja um eine Abschiebung handelt und dem Mann Gewalt angetan werde. Er geht darauf nicht ein. Das Ganze dauert etwa eine halbe Stunde. Das Flugzeug fährt dann zurück zum Gate.
Dann tauchen am Ende des Ganges mehrere uniformierte, mit Schlagstöcken bewaffnete Polizeibeamte auf. Eine Protestierende berichtet:
„Ich stehe als Erste von ihnen aus gesehen im Gang, er winkt mich heran und sagt Just a Moment. We want to talk to you. Ich zeige auf meine Füsse und sage, „Ich habe keine Schuhe an, ich werde das Flugzeug nicht verlassen. In diesem Moment ziehen mich zwei Beamte brutal an den Armen nach vorn, ich beginne mich zu wehren, frage „Was machen Sie?“, „Warum?“ (auf deutsch und französisch), sie legen mir sofort Handschellen an, reissen mir die Arme nach oben, ziehen mich die Gangway runter, ich schreie, dass es weh tut, ich versuche mich umzudrehen, sehe, wie hinter mir mehrere Beamte zwei weitere AbschiebungsgegnerInnen festhalten. Der einen werden die Arme hochgezogen, sie schreit. Wir werden nacheinander brutal die Treppe runtergezerrt und in eine Wanne geführt.
Wir warten eine halbe Stunde, weitere Festgenommene werden zu uns und in weitere Wannen gesteckt. In unserer Wanne sitzen mehrere männliche Beamte bei uns, es werden anzügliche Witze gemacht. Auf unsere Auskunft, dass wir Journalistinnen seien, wird gelächelt und ironisch Angst vorgetäuscht.
Es wird ebenfalls ein Mann aus dem Flugzeug gezerrt, bei ihm sind seine Frau mit drei kleinen Kindern. Er hat im Flugzeug gefilmt. Sie diskutieren mit den Beamten, es sind etwa 15 um sie herum. Die kleinen Kinder stehen mittendrin, der Vater will einen seiner Söhne auf den Arm nehmen. Die Beamten lassen ihn nicht, reissen am Kind, tragen dann beide Kinder weg, etwa 6 Beamte reissen den Mann zu Boden, treten ihn, schlagen ihn, halten ihn fest. Er wehrt sich. Seine Frau weint. Er wird allein in eine Wanne verfrachtet, mit Handschellen.
Es ist etwa 18 Uhr. Es ist bereits dunkel. Wir fragen nach einem Anwalt und wollen telefonieren. Es wird verneint. Um 19 Uhr sind wir auf der Wache (neun Personen aus dem Netzwerk Afrique Europe Interact, die auf dem Weg zur Bamako-Dakar Karawane einen Zwischenhalt in Paris eingelegt haben und fünf weitere Männer). Der Mann, der brutal von seiner Familie weggezerrt wurde, sitzt noch immer mit Handschellen gefesselt zwischen uns. Er ist offensichtlich ziemlich geschockt. Für alle gibt es kein Wasser, kein Essen, keine Information, keinen Dolmetscher, keine Rechtsbelehrung, wir dürfen nicht telefonieren. Wir werden in den folgenden zwei Stunden einzeln oder zu zweit vorgeführt. Man klärt uns auf, dass wir einen „Eingriff in den Flugverkehr“ begangen haben.
Wir sind zwei, die Blessuren von der brutalen Festnahme davongetragen haben, bitten, dass wir einen Arzt sehen möchten. Die uns verhörende Beamtin antwortet, das werde später geschehen. Wir werden zu zweit in das Kellergeschoß der Wache gebracht, müssen uns auf eine Bank setzen. Es sind etwa 10 Beamte unten, es gibt drei Zellen ohne Luftzufuhr. Wir dürfen kurz mit einer Anwältin sprechen, die die Polizei stellt, sprechen. Wir fragen immer wieder nach einem Arzt. Es heisst später würden wir alle zusammen zu einem Arzt gebracht. Wir werden nach fast drei Stunden in dem Keller wieder nach oben gebracht. Die anderen wussten nicht, wo wir sind, dachten auch, wir würden einen Arzt sehen. Einige aus dem Netzwerk Afrique-Europe-Interact waren bereits gegen 21 Uhr entlassen worden. Auch die anderen Französischsprachigen Festgenommenen sind bereits entlassen. Wir werden informiert, dass wir Post erhalten werden und uns in absehbarer Zeit wieder auf dieser Wache vorstellig machen müssen. Wir werden vor die Tür geführt und der Weg zur Regionalverkehr-Anwendung des Flughafens gewiesen. Der letzte Zug Richtung Paris ist allerdings um kurz vor 24 Uhr abgefahren.