20. November 2021 | Nein zu dem “frei” in Freihandel! Nein zu den EPAs und zu Post-Cotonou!
Kürzlich hat sich in unserem Netzwerk eine AG gegründet, die das Thema Freihandel, die damit verbundenen Abkommen und die Konsequenzen für die Bevölkerung in einigen afrikanischen Staaten stärker in unsere Arbeit einbringen will. Im Kontext dieser AG entstand der folgende Redebeitrag, der auf der Togo Doppelkundgebung in Bonn am 5. November 2021 vorgelesen wurde.
Mit dem Begriff “Freihandel” wird der Austausch von Gütern und Dienstleistungen zwischen verschiedenen Ländern bei Abwesenheit von Zöllen oder sonstigen Handelsbeschränkungen beschrieben. Die grundlegende Idee hinter Freihandelsabkommen ist, dass es durch den Abbau von Handelshemmnissen zu einer effizienteren internationalen Arbeitsteilung kommen soll. So zumindest die liberale Denkweise. Dieser Logik folgend soll jedes Land die Güter produzieren, für die es beispielsweise auf Grundlage natürlicher Faktoren oder verfügbarer Arbeitskräfte und deren Ausbildung Standortvorteile hat. Die so produzierten Güter sollen dann möglichst ungehindert international gehandelt werden können. Angeblich würden davon alle beteiligten Länder inklusive der Bevölkerung wirtschaftlich profitieren.
Die bereits seit 2000 verhandelten berüchtigten EPA-Freihandelsabkommen wurden in einer Vielzahl der afrikanischen Länder niedergeschmettert, was sicherlich auch daran liegt, dass es so viel Widerstand vor Ort sowie auf transnationaler Ebene gab – eben weil die Folgen für die afrikanischen Länder verheerend gewesen wären. Wenige Länder, darunter Kamerun, Ghana und die Elfenbeinküste, haben die EPAs jedoch implementiert.
Die Erwartungen an die EPAs sind für die sogenannten Länder des Südens eine verlorene Wette. Denn afrikanische Länder, die Freihandelsabkommen unterzeichnet, haben mit einer Deindustrialisierung zu rechnen. Eine nachhaltige Entwicklungslösung ist nicht möglich und nicht erwünscht. Es wird alles dafür getan, dass die afrikanischen Volkswirtschaften darauf reduziert werden, sich ausschließlich durch die Produktion von Rohstoffen zu erhalten, eine koloniale Vision, die dem afrikanischen Kontinent seit 1884 durch die Berliner Konferenz zugewiesen wurde. Die afrikanischen Zivilgesellschaften und Gewerkschaften haben sich – unterstützt von kritische Wirtschaftswissenschaftler:innen – ständig gegen die Unterzeichnung der Freihandelsabkommen gewehrt, aber die Europäische Union hat in ihrer Machtposition unhaltbaren Druck auf die Unterzeichnerländer ausgeübt, um sie zum Beitritt zu bewegen.
Doch nicht genug mit den EPAs. Im April diesen Jahres wurden die Verhandlungen zum sogenannten Post-Cotonou Abkommen, welches die nächsten 20 Jahre gelten soll, formell abgeschlossen. Jedoch soll Post-Cotonou die EPAs keineswegs ablösen, sondern auch das neue Freihandelsabkommen baut Druck auf, die altbekannten EPAs zu implementieren. Darüber hinaus soll in dem neuen Vertrag noch mehr liberalisiert werden als zuvor. Die gute Nachricht ist: Es ist noch nicht zu spät, um eine Rechtswirksamkeit des Abkommen zu verhindern! Damit das Abkommen in Kraft treten kann, müssen es mindestens 2/3 der Vertragsparteien ratifizieren, was bisher noch nicht der Fall ist. Wenn wir genügend zivilgesellschaftlichen Widerstand aufbauen, könnte zum wiederholten Male (wie schon um 2007 bei den EPAs) verhindert werden, dass der Freihandel weitere kleinbäuerliche Existenzen zerstört.
Die Idee des Freihandels zerstört die Hoffnungen auf Emanzipation der kleinen und handwerklichen Industrien. Indem die EU afrikanischen Diktatoren ihre Unterstützung zusichert, erhält sie im Gegenzug Wirtschaftspartnerschaftsabkommen. Dies sieht man am Beispiel Kamerun, wo der Präsident Paul Biya die EPAs implementiert in vollem Bewusstsein welchen Schaden sie für die Bevölkerung und Ökonomie anrichten, nur um weiter von der EU unterstützt zu werden. Die EU und die korrupten afrikanischen Eliten verfestigten somit einen kolonial strukturierten sogenannten freien Welthandel. Doch dieses restriktive System erlaubt es nicht einmal mehr afrikanischen Bäuer*innen und Arbeiter*innen, ihre Waren auf den lokalen Märkten zu verkaufen, da sie mit den importierten Produkten nicht konkurrieren können. Die ökonomische Perspektivlosigkeit zwingt viele Menschen ihre Heimat zu verlassen: Als Rettung erscheint für einen großen Teil der Jugend in den ländlichen Gebieten die Flucht. Wir alle wissen um die Tragödien in Mittelmeer und Sahara, wo jedes Jahr Tausende von Afrikaner*innen auf dem Weg nach Europa ums Leben kommen. Dies ist unter anderem eine unmittelbare Folge der Zerstörung von bäuerlichen und handwerklichen Existenzen durch Freihandelsabkommen.
Aber warum reden wir auf einer Kundgebung für ein demokratisches Togo über das Thema Freihandel? Im Frühjahr diesen Jahres wurde, bei einem Besuch des togoischen Außenministers Robert Dussey in Deutschland, eine sogenannte Reformpartnerschaft zwischen Deutschland und Togo vereinbart. Dabei verspricht sich die togoische Regierung weitere Gelder im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Bereits jetzt ist Deutschland hier der größte Geldgeber Togos. “Reformpartnerschaft” steht hierbei für ein neoliberales Entwicklungsprogramm, das Entwicklung in erster Linie an einer Verbesserung des Geschäftsklimas und einer Liberalisierung des Handels festmacht. Jedoch spielt Togos Außenminister Robert Dussey auch an anderer Stelle eine wichtige Rolle: bei den Verhandlungen zum Post-Cotonou Freihandelsabkommen tritt er als Chefverhandlers gegenüber der EU auf. Wessen Interessen vertritt Robert Dussey als Außenminister eines von Deutschland gestützten diktatorischen Regimes überhaupt?
Wir fordern:
- Nein zu dem “frei” in Freihandel, welches jediglich bedeutet: die Freiheit ökonomisch schwächere Handelsparteien auszubeuten!
- Nein zu den EPAs und zu Post-Cotonou! Keine Ratifizierungen von solch verheerenden Freihandelsabkommen!
- stattdessen: kleinbäuerliche Landwirtschaft ernährt die Welt und bedarf daher eines besonderen Schutzes!
- insbesondere nationale und regionale Märkte müssen geschützt werden! Um dies politisch umzusetzen, muss es den Ländern des globalen Südens erlaubt sein, sich gegen ökonomisch stärkere Handelspartner mit Handelsbarrieren wie Zöllen und Subventionen zu schützen.
- Damit einher geht die Forderung nach dem Ende des Landraubs bäuerlicher Gemeinden des globalen Südens durch Investoren, Banken und Unternehmen.
- Spielraum für die Formulierung und Umsetzung eigener Entwicklungsstrategien und eigener Wirtschaftspolitiken anstatt von außen diktierte Politiken! Dabei auch keine Erpressung wie Drohungen Entwicklungsgelder zu kürzen oder legale Migrationswege weiter einzuschränken.
- Bewegungsfreiheit nicht für Waren, sondern für Menschen!