Februar 2017 | Von der Wasserpumpe zur Pirogenambulanz (Bilder und Bericht)

Im Februar 2016 ist Afrique-Europe-Interact erstmalig mit einer größeren Delegation in das Dorf Soukoutadala in der Region Kita im Westen Malis gefahren. Denn seit mehreren Jahren ist dort die Gruppe ECK aktiv, die ursprünglich von Abgeschobenen gegründet wurde und die zu den Gründungsgruppen von Afrique-Europe-Interact gehört. Ziel von ECK ist es, Soukoutadala und weitere Dörfer bei ihren Bemühungen um selbstbestimmte Entwicklung zu unterstützen. Konkreter: Die Region Kita gehört seit Jahrzehnten zu jenen Regionen in Mali, aus der besonders viele Menschen in die Migration aufbrechen, unter anderem Richtung Europa. Gleichzeitig hat das EU-Migrationsregime auch hier seine Spuren hinterlassen. Immer mehr Dörfer beklagen den Tod ihrer Söhne und Töchter, zudem kommen auch zunehmend junge Migrant_innen zurück, die auf ihrem Weg gen Norden gescheitert sind. Umso wichtiger ist es, dass sich die grundsätzliche Situation in Dörfern wie Soukoutadala verändert. Denn nur so kann erreicht werden, dass sich junge Leute zumindest nicht mehr gezwungen sehen, in die Migration zu gehen, um einen Beitrag zum Lebensunterhalt ihrer Familien zu leisten. Zudem – und das ist die eigentliche Philosophie von Afrique-Europe-Interact – möchten wir die Dörfer darin unterstützen, sich politisch für eine Verbesserung ihrer Situation einzusetzen. Denn letztlich werden kleine Entwicklungsprojekte die Lebensbedingungen allenfalls punktuell verändern können. Was not tut, ist stattdessen Druck von unten. Die Regierung in Bamako muss merken, dass sich die Menschen nicht mehr alles gefallen lassen – ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, die globalen Macht- und Ausbeutungsverhältnisse schnellstmöglich zu verändern.

Vor diesem Hintergrund hat sich unser Programm beim diesjährigen Besuch aus ganz verschiedenen Programmpunkten zusammengesetzt, wie auch den Bildern zu entnehmen ist: Erstens hat ECK gemeinsame Aktivitäten organisiert, wozu Debatten, Filmvorführungen und abendliche Tanzmusik gehörte.

Zweitens haben wir mit den Dorfbewohner_innen gemeinsam ausgewertet, wie sich die im vergangenen Jahr begonnene Unterstützung für das Frauenkollektiv des Dorfes entwickelt hat. Damals hatte Afrique-Europe-Interact eine Wasserpumpe und einen Zaun finanziert, damit die Frauen die Gemüseanbaufläche ausweiten können (einen Zaun deshalb, um das Gemüse vor den frei rumlaufenden Kühen und Schafen zu schützen). Außerdem wurde die Reparatur einer Mühle finanziert, die sowohl Soukoutadala als auch den Nachbardörfern zur Verfügung steht. Der diesbezügliche Austausch entpuppte sich als ausgesprochen interessant, hat er doch einmal mehr deutlich gemacht, dass selbst Mini-Entwicklungsprojekte nicht in Windeseile umzusetzen sind, zumindest dann nicht, wenn es sich um selbstbestimmte und somit nachhaltige Prozesse handeln soll. So hat es im Dorf eine relativ lange Diskussion gegeben, auf welcher Fläche der Gemüseanbau der Frauen erfolgen soll, mit dem Ergebnis, dass der Anbau von Gemüse erst dieses Jahr beginnen kann. Hinzu kam, und auch solche Planungsfehler müssen stets miteingerechnet werden, dass sich die von den Dorfbewohner_innen kalkulierte Materialmenge für den neuen Zaun als nicht-ausreichend erwiesen hat (weshalb wir an diesem Punkt nochmal nachjustiert und den Kauf von zusätzlichem Zaunmaterial beschlossen haben). Demgegenüber ist die Mühle von Anfang ein großer Erfolg gewesen, so dass es gelungen ist, nicht nur die alltägliche Arbeit der Frauen erheblich zu erleichtern, sondern in ökonomischer Hinsicht sogar einen kleinen Überschuss zu erwirtschaften.

Drittens haben wir mit den Dorfbewohner_innen intensiv über die Anschaffung einer so genannten Pirogenambulanz gesprochen. Hintergrund ist, dass Soukoutadala und 12 weitere Dörfer im Zuge der Regenzeit mindestens drei Monate im Jahr durch die Nebenflüsse des am Dorf vorbeifließenden Flusses Bafing von der Außenwelt und somit auch vom nächsten Krankenhaus abgeschnitten sind. Im Alltag führt dies regelmäßig zu tragischen Todesfällen oder zu nicht behandelten und somit verschleppten Erkrankungen, weshalb Aktivist_innen von der malischen Sektion von Afrique-Europe-Interact bereits vor einigen Monaten begonnen haben, mit den Dorfbewohner_innen über der Kauf einer motorisierten Piroge (inklusive medizinischer Grundausstattung) näher ins Gespräch zu kommen. Denn mit einem solchen Schiff könnten Kranke, Verletzte oder Frauen mit (drohenden) Geburtskomplikationen über den Bafing innerhalb von zwei Stunden zur Hauptstraße beim Dorf Sitanikoto transportiert und von dort mit einem Auto in 15 Minuten ins nächste Krankenhaus gebracht werden. Und diese Option wäre nicht nur für die Regenzeit interessant. Vielmehr ist die rund dreistündige Fahrt nach Soukoutadala über eine nur schlecht ausgebaute Piste auch im restlichen Teil des Jahres eine enorme Belastung (für Kranke wie Gesunde gleichermaßen), weshalb die Pirogenambulanz ganzjährig zur Verfügung stehen soll. Geplant ist, die Piroge von einem bei Afrique-Europe-Interact aktiven Fischer bauen zu lassen, der viel Erfahrung im Pirogenbau hat. Das hierfür erforderliche Holz soll von den Dorfbewohner_innen in der Region Soukoutadala umsonst geschlagen werden, während der Motor auf dem großen Markt in Bamako gekauft wird. Das konkrete Ziel lautet, die Piroge spätestens zum Beginn der Regenzeit im Juni 2017 in Dienst stellen zu können, formaler Besitzer soll die AEI-Mitgliedsgruppe ECK werden.

Bei den Pirogen-Gesprächen in Soukoutadala ging es außerdem um eine Vielzahl praktischer Punkte, unter anderem hinsichtlich der Frage, ob Kranke für den Transport selber zahlen sollen oder nicht. Die diesbezüglich noch nicht abgeschlossene Diskussion wird derzeit unter Vertreter_innen der 13 Dörfer geführt, was bereits auf einen weiteren wichtigen Punkt verweist: Bei der Pirogenambulanz geht es in erster Linie um einen praktischen, potentiell lebensrettenden Zweck, dennoch soll auf diese Weise auch der politische Vernetzungsprozess zwischen den Dörfern gestärkt werden. Denn die Anschaffung einer Pirogenambulanz kann mittel- bis langfristig nur eine provisorische Lösung darstellen. Was fehlt, sind demgegenüber kleine Krankenhäuser auch in entlegenen Regionen sowie befestigte Straßen mit Brücken oder kleinen Fähren. Dies dürfte allerdings – wie schon erwähnt – nicht ohne politischen Druck von unten durchsetzbar sein.

Flussbilder...

Das letzte Bild zeigt einen der Nebenflüsse des Bafing, der in der Regenzeit über die Ufer tritt (während unseres Besuches konnten wir mit dem Auto noch durch den Fluss durchfahren).