Mai 2016 | Leere Staatskassen in Afrika durch Konzerne
Marode Straße, überfüllte Schulen und schlecht ausgestattete Krankenhäuser: Viele afrikanische Staatskassen könnten voller sein, wenn internationale Konzerne ihre Steuern zahlen würden. Deutsche Welle, 6. Mai 2016. Von Gwendolin Hilse
Der Neffe von Südafrikas Staatsoberhaupt Jacob Zuma, die Zwillingsschwester von Joseph Kabila, dem Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo, oder Angolas Erdölminister, José Maria Botelho de Vasconcelo: Die Liste der afrikanischen Spitzenakteure, die in den Panama Papers auftauchen, ist lang und zeigt wieder einmal die üblichen Verdächtigen.
Doch aus Recherchen der britischen Nichtregierungsorganisation ActionAid geht hervor: Nur 15 Prozent der Finanzlöcher in afrikanischen Staatskassen entstehen durch Korruption. 60 Prozent lassen sich auf Steuervermeidung zurückführen – hauptsächlich durch internationale Konzerne. ActionAid führt weltweite Kampagnen gegen Steuerhinterziehung und für ein faires Steuersystem.
Laut einem Bericht der Afrikanischen Union (AU) verlieren die afrikanischen Länder wegen der fehlenden Steuereinnahmen jährlich rund 43 Milliarden Euro. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) sind es sogar 175 Milliarden Euro – drei Mal so viel, wie an Entwicklungshilfe in die Länder fließt. “Für jeden Euro, den wir bekommen, verlieren wir zwei”, sagt die kenianische ActionAid-Aktivistin Stella Agara im DW-Interview. Geld, das in den Staaten für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Gesundheit fehlt. “Würden diese Einnahmen tatsächlich in die Staatskassen fließen, müsste keiner mehr über Entwicklungsgelder für Afrika nachdenken”, sagt Agara. Diese Steuerflucht ist oft legal: Multinationale Konzerne verschieben die Gewinne ihrer Tochtergesellschaften so, dass die Gewinne da anfallen, wo keine sie Steuern zahlen müssen. Firmen wie die international agierende “Deloitte” sind darauf spezialisiert, Konzernen diese Schlupflöcher aufzuzeigen.
Panama Papers: Ölstreit in Uganda
Agara erzählt, bei einer Konferenz 2013 in China hätten Deloitte-Vertreter vor mehr als 80 Firmen Möglichkeiten vorgestellt, wie diese speziell in Mosambik Steuern vermeiden können – einem der ärmsten Länder der Welt: 50 Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze; die Lebenserwartung liegt bei 49 Jahren. Wie aus den Panama Papers hervorgeht, hat Mossack Fonseca dem britischen Ölkonzern Heritage Oil geraten, sich in Mauritius zu registrieren, nachdem dieser durch den Verkauf eines Ölfeldes in Uganda mit einem Steuerbescheid konfrontiert wurde. “Dabei haben sie 350 Millionen Euro gespart. Das ist um einiges mehr, als Uganda für sein Gesundheitssystem zur Verfügung steht”, so Agara. “Man kann sich ausmalen, wie viele Menschen mit diesem Geld von einer kostenlosen Gesundheitsversorgung profitiert hätten.”
David gegen Goliath
Seit Kolonialzeiten profitieren internationale Konzerne von Steuererleichterungen. Afrikanische Staaten geben in Steuerabkommen mit Staaten und einzelnen Konzernen zum Teil komplett ihr Recht auf Besteuerung von Einkommen, Kapital, Dividenden, Lizenz- und Zinseinnahmen auf, so ActionAid. So fließen seit Jahrzehnten Firmengelder unversteuert aus den ärmsten Ländern dieser Welt in Industriestaaten. Vor allem Konzerne in Italien, Großbritannien und Deutschland profitieren laut ActionAid davon.
So habe Uganda 2004 mit den Niederlanden ein Abkommen unterzeichnet, das dem ostafrikanischen Land komplett das Recht nimmt, in Uganda erwirtschaftete Einkommen von Firmenbesitzern zu besteuern, die ihren Wohnsitz in den Niederlanden haben. Ein Jahrzehnt später komme die Hälfte der ausländischen Investitionen im Land von Niederländern – zumindest auf dem Papier. Ein enormer Steuerverlust für Uganda, enorme Steuerersparnisse für die Konzerne.
Die Steuerabkommen sind zwar freiwillig, allerdings stehen die afrikanischen Länder unter enormem Druck, sagt Aktivistin Stella Agara. “Viele Multis haben mehr Kapital als viele afrikanische Staaten.” Die Konzerne versprechen Arbeitsplätze, drohten damit, in anderen Ländern zu investieren und schreckten auch vor Bestechung nicht zurück, so Agara. “Die Regierungen beugen sich dann den Forderungen und verlieren Millionen, aber sie behalten die Investoren im Land.”
Ruanda zeigt, dass es auch anders geht
Die Steuerabkommen seien aus deshalb ungerecht, weil viele afrikanische Finanzbeamte mangelhaft ausgebildet sind, sagt Michaela Ungerer, Beraterin im Programm “Financial Governance in Africa” der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Vielen afrikanischen Verwaltungen mangele es nicht nur an finanziellen Mitteln, sondern auch an gut ausgebildeten Mitarbeitern, die Erfahrungen mit internationalen Steuerangelegenheiten haben.
“Wichtig ist es, eine Kompetenz in den Ländern zu schaffen, damit sie internationale Abkommen so verhandeln, dass sie der Entwicklung des Landes helfen”, so Ungerer im DW-Gespräch. Gemeinsam mit dem Zusammenschluss Afrikanischer Steuerbehörden (ATAF) bildet die GIZ lokale Steuerbeamten aus und berät die Länder beim Aufbau von effizienten Steuersystemen.
Das Beispiel Ruanda zeigt, dass ein Wandel möglich ist. Der ostafrikanische Staat hat 2013 sein Abkommen mit Mauritius neu verhandelt und dabei sein Recht zurückerlangt, Einnahmen von Unternehmen zu besteuern, die ihren Sitz auf Mauritius haben, so ActionAid. Andere afrikanische Staaten ziehen nach: Aktuell haben Nigeria, Malawi, Südafrika und Sambia entweder ihre Steuerabkommen annulliert oder verhandeln sie neu.