18.05.2012 | Belagerung der Deutschen Bank-Türme – gleich im Anschluss an die EZB-Blockade.
Neokolonialen Landraub und Nahrungsmittelspekulation stoppen! Für Ernährungssouveränität und ein gutes Leben für alle! (Kurzaufruf)
Mehr Informationen zu den Europäischen Aktionstagen in Frankfurt vom 16. bis 19. Mai 2012 finden sich unter anderem auf der Webseite von Blockupy Frankfurt
Die derzeitige Ausplünderung breiter Bevölkerungsteile in Griechenland, Spanien oder Portugal ist keineswegs vom Himmel gefallen. Denn bereits seit den 1980er Jahren schaffen IWF, Weltbank & Co. im Rahmen neoliberaler Strukturanpassungsprogramme sowie Freihandelsabkommen die Voraussetzung dafür, dass weltweit operierende Banken, Investmentfonds und Konzerne insbesondere im Süden des Globus ihre überschüssigen Gelder in immer neue Bereiche des Lebens investieren und auf diese Weise die Existenzgrundlagen unzähliger Menschen zerstören können. Jüngster Coup sind die Lebensmittelspekulation und der Handel mit Land, welche die soziale Situation vielerorts auf geradezu barbarische Weise zuspitzen:
Einerseits hungern weltweit knapp eine Milliarde Menschen – und das mit der Konsequenz, dass jährlich über 30 Millionen Menschen an den Folgen sterben, viele von ihnen an harmlosesten Krankheiten, weil ihr Körper durch Unter- oder Mangelernährung extrem geschwächt ist. Andererseits wird rund um den Globus immer mehr fruchtbares Ackerland an Banken, Investmentfonds und Konzerne verkauft („Landgrabbing“), nicht zuletzt um Energiepflanzen für so genannten Biosprit anzubauen. Hinzu kommt, dass bereits seit 2001 immer mehr Fonds auf den Weltfinanzmärkten mit agrarischen Rohstoffen spekulieren – d.h. auf deren Preisentwicklung wetten. Direkte Folge sind regelmäßige Preisexplosionen bei Grundnahrungsmitteln, was seit 2007 über 100 Millionen Menschen zusätzlich in absolute Armut und somit Hunger abgedrängt hat.
Die Deutsche Bank ist mit 5 Milliarden Euro weltweit die Nr. 2 in der Spekulation mit Nahrungsmitteln, direkt hinter der Allianz-Versicherung, aber deutlich vor der Commerzbank, der Landesbank Baden-Würtemberg oder der Union Investment der Volks- und Raiffeisenbanken. Zudem ist die Deutsche Bank mit über 250 Millionen Euro an zahlreichen Langrabbing-Geschäften beteiligt – vor allem darüber, dass sie Anteile an einschlägig aktiven (Agrobusiness-)Firmen erwirbt, darunter berühmt-berüchtigte Namen wie Bunge, Cresud, Olam International, ADM oder Syngenta. Anders als die Spekulation mit Lebensmitteln ist neokolonialer Landraub keineswegs ein neues Phänomen – das zeigt bereits ein kurzer Blick in die Geschichte des Kolonialismus. Neu sind allerdings der Umfang, die beteiligten Fonds und die Akteure. So sollen seit Beginn der Finanzkrise 2008 jedes Jahr durchschnittlich 47 Millionen Hektar Land unter den Hammer gekommen sein – was der Größe Schwedens und somit einem Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der EU entspricht. Hintergrund ist ein ständig wachsender Flächenbedarf – insbesondere für Agrosprit, Getreideexporte, Forstwirtschaft und Futtermittel (letzteres im Zuge des weltweit steigenden Fleisch- und Milchkonsums). Die Auswirkungen dieser Landgeschäfte sind katastrophal, vor allem in Afrika, wo heute 75 Prozent des weltweiten Landgrabbings stattfindet: So kommt es neben Hunger zur Vertreibung ganzer Dörfer bzw. zum Durchzugsverbot für Viehhirten und somit zur Zerstörung lokaler (Subsistenz-)Ökonomien bzw. zu Landflucht. Zudem führt die agrarindustrielle Bearbeitung des geraubten Landes zu massiven ökologischen Schäden: Sie beschleunigt unter anderem den Klimawandel, bewirkt Artensterben und senkt die Fluss- und Grundwasserspiegel („Wasserraub“).
Hunger bzw. die Zerschlagung kleinbäuerlicher Existenzgrundlagen hat vielfältige Ursachen, die Beendigung von Landraub und Lebensmittelspekulation wäre daher nur der erste Schritt. Grundsätzlich sollte auch im Norden das von dem weltweiten Kleinbauernverband Via Campesina seit 1996 schrittweise entwickelte Konzept der Ernährungssouveränität als programmatischer Gegenentwurf zum neokolonialen Landraub unterstützt werden. Denn Ernährungssouveränität zielt auf ein Ernährungssystem, in dessen Zentrum nicht Konzerninteressen, sondern der ungehinderte Zugang zu Land, Wasser und Saatgut für kleinbäuerliche Produzent_innen steht. Es geht also um die Verteidigung kleinbäuerlicher und somit klimaschonender Landwirtschaft (bzw. die Umstellung darauf) sowie die Dezentralisierung der Lebensmittelversorgung mit kurzen Versorgungsketten zwischen Produktion und Verbrauch.
Schließlich: Die Aktion vor der Deutschen Bank wird von zahlreichen Gruppen getragen, beteiligt sind unter anderem AktivistInnen der attac-Kampagne „Krötenwanderung jetzt!“ sowie aus dem transnationalen Netzwerk Afrique-Europe-Interact, das seit einiger Zeit eine Kooperation mit kleinbäuerlichen Gruppen bzw. Communites in Mali aufbaut.