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Aktionen in Berlin gegen die rassistische Politik des tunesischen Präsidenten Kais Said

Am 24. und 25. Mai 2024 veranstalteten wir von Afrique-Europe-Interact und Alarme Phone Sahara gemeinsam mit Refugees in Tunisia, No Border Assembly, Chkoun Berlin und Abolish_Deportation_BER einige Aktionen in Berlin, um Menschen für die aktuelle Situation der Migrant:innen in Tunesien zu sensibilisieren und unseren Widerstand gegen die rassistische Hetzjagd gegen Migrant:innen und Schwarze Menschen in Tunesien vor der tunesischen Botschaft in Berlin kundzutun. Hintergrund waren die jüngsten Ereignisse in Tunesien und die Vorfälle mit dem extrem rechten Präsidenten Kais Said. Zeitgleich fanden Aktionen in Togo statt

Verfolgung, Massenabschiebungen und migrationsfeindliche Deals mit der EU

Am 3. Mai 2024 wurden Hunderte von Schwarzen Geflüchteten und Asylbewerber:innen, mehrheitlich aus dem Sudan, Südsudan, Tschad und Äthiopien, verhaftet und in Bussen an unbekannte Orte an der libysch-tunesischen und algerisch-tunesischen Grenze zwangsverfrachtet. Seit Februar 2023 suchten sie Schutz in einem Lager vor dem UNHCR-Büro in Tunis und forderten eine sofortige Evakuierung und Schutz nach über einem Jahr rassistischer Angriffe und äußerst prekärer Lebensbedingungen.

Dieser jüngste Angriff auf die Communities von Geflüchteten und Migrant:innen in Tunesien erfolgt, nachdem am 17. April weitere Abkommen mit der rechtsextremen italienischen Premierministerin Meloni unterzeichnet wurden, nachdem die Regierung von Kais Saied mit der EU ein Abkommen für 2023 abgeschlossen hatte, das dem tunesischen Staat Kredite in Höhe von mehr als 1 Milliarde Euro für die Öffnung der EU-Außengrenzen zu Tunesien und die Begrenzung der Migration nach Europa verspricht.

Kriminalisierung und schwindende Freiheitsräume

Menschenrechtsverteidiger:innen, Aktivist:innen aus der Zivilgesellschaft und kritische Journalist:innen sind in Tunesien mit einer Welle von Kriminalisierung, willkürlichen Verhaftungen und Diffamierungen konfrontiert. Das Regime von Präsident Kais Saied geht mehr und mehr dazu über, eine autoritäre Herrschaft zu errichten, und bedient sich regelmäßig rassistischer und hetzerischer Hassreden, Fehlinformationen, Fake News und Verschwörungstheorien, um Unterstützung zu gewinnen.

Abschiebekette in der Sahel-Sahara-Region

Gleichzeitig führen die Sicherheitskräfte von Tunesiens Nachbarland Algerien nach wie vor Massenrazzien durch, um Angehörige der zumeist subsaharischen migrantischen Communities zu verhaften und sie unter systematischen Menschenrechtsverletzungen in Abschiebekonvois an die Grenze zum Niger zu bringen. Massenabschiebungen aus Algerien und Tunesien stehen in direktem Zusammenhang, da verschiedene Zeugenberichte zeigen, dass Menschen aus Tunesien an die algerische Grenze und von dort aus weiter an die nigrische Grenze abgeschoben wurden.

Transnationaler Protest gegen die rassistische Gewalt gegen Migrant:innen und Geflüchtete sowie gegen die Kriminalisierung von Solidarität

All diese Gewalt und Menschenrechtsverletzungen konnten wir nicht hinnehmen und organisierten uns zusammen mit mehreren anderen Kollektiven und Gruppen aus Berlin um klare Forderungen zu stellen: „Achtet die grundlegenden Menschenrechte aller Schwarzen Menschen und wahrt die Rechte und die Würde aller Menschen, Migrant*innen, Geflüchteten und Asylsuchenden!“

Zunächst gab es eine Info-Veranstaltung „Tunesien und Umgebung: Abschiebung, Grenzgewalt und Externalisierungspolitik vor dem Hintergrund des autoritären und rassistischen Rückschritts“ im Community Center „Bilgisaray“ in der Oranienstr. 45. Knapp 30 Menschen konnten dem Panel-Talk zuhören, moderiert von AEI-Mitstreiter Riadh Ben Ammar. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Dokumentarfilm über die aktuelle Lage der Anfang Mai abgeschobenen Menschen in Tunesien. Die Kurzdoku, die mit Unterstützung von AEI realisiert wurde, dokumentiert die Lage der Menschen, die inzwischen unter den Olivenhainen außerhalb der Stadt unter prekären Bedingungen ohne Wasser, in Zelten und ohne medizinische Versorgung leben. Sie berichten über ihre desaströse Lebenssituation und Gewalterfahrungen durch tunesische Sicherheitskräfte.

Anschließend referierten drei Aktivisten: David Yambio, Mitbegründer und Sprecher der selbstorganisierten Protestbewegung Refugees in Libya der durch seine eigenen Erfahrungen auf der Migrationsroute ähnliches in Libyen erlebt hat und einen Input geben konnte zu den Situationen in den Abschiebegefängnissen vor Ort und der Polizeigewalt. In den letzten Wochen war er über ein Nothilfetelefon, das sie als Refugees in Libya eingerichtet haben, im engsten Kontakt mit Menschen, die in die Wüste abgeschoben wurden.

Moctar Dan Yayé, Sprecher von Alarme Phone Sahara, konnte uns über die illegalen Massenabschiebungen und die verheerenden Aussetzungen der Menschen mitten in der Wüste zur algerisch- nigrischen Grenze berichten und über praktische Solidarität mit den Menschen, die auf den Sahel-Sahara-Routen unterwegs sind. Außerdem sprach ebenfalls die deutlich sichtbare Externalisierung der EU-Außengrenzen an, die bis vor kurzem noch durch das sogenannte „Anti-Schmuggler-Gesetz“ 2015-036 (finanziert u.a. von Deutschland) bis in den Niger reichte. Im Rahmen jenes Gesetzes wurde Migration von nicht-nigrischen Staatsbürger:innen nördlich von Agadez genauso wie die Hilfe zur Migration kriminalisierte.

Außerdem berichtete Romdhane Ben Amor, Sprecher der tunesischen Vereinigung Forum Tunsien pour les Droits Economiques et Sociaux (Tunesisches Forum für wirtschaftliche und soziale Rechte), über die aktuelle aufgeladene Situation in Tunis. Er selbst kam einige Minuten vor dem Meeting erst von einer Demonstration, die im Zentrum von Tunis stattgefunden hatte. Die tunesische Zivilgesellschaft begab sich trotz zunehmender Repressionen auf die Straße, um für die eine menschenrechtliche Behandlung von Migrant:innen, Geflüchteten, Schwarzen Tunesier:innen zu kämpfen und sich die rassistische, gewaltvolle Politik des Präsidenten Kais Said aufzulehnen. Er konnte präzisiert darstellen, dass der Präsident seine rechte Propaganda auf einige Gesetzestexte stützt, um Migrant:innen in der Stadt systematisch zu kontrollieren und abzuschieben. Gleichzeitig spricht der Präsident positiv von Migrant:innen, die freiwillig das Land verlassen haben und verschleiert damit die Gewalt, die Migrant:innen bei jenen Wüstenabschiebungen an die algerisch-tunesische und lybisch-tunesische Grenze zugeführt wurde und wird.

Am Morgen des 25. Mai versammelten wir uns mit gut 40 Personen u.a. mit Mitgliedern der Gruppen No Border Assembly, Migration Control, Abolish_Deportation_BER, Refugees in Libya und Chkouun vor der tunesischen Botschaft, um mit unseren Redebeiträgen und jede Menge Lärm und Chantings Tunesien und die tunesische Regierung aufzufordern, ihre Politik zu verändern.

Zeitgleich fand auch in Mailand eine Kundgebung von anderen antirassistischen Aktivist:innen in Mailand vor dem tunesischen Konsulat statt.

Im transnationalen Zusammenschluss zeigen wir einerseits, dass wir die rassistische und menschenverachtende Politik und Praxis beobachten, nicht tolerieren und verachten. Andererseits reagieren wir mit solidarischen Antworten und lassen uns nicht unterkriegen!

• Stoppt Razzien, Massenverhaftungen, Polizeigewalt, Abschiebungen und Zurückweisungen!

• Beendet die Diffamierung, Desinformationskampagnen, rassistische Hetze und Verschleierung von Menschenrechtsverletzungen in den Mainstream-Medien!

• Stoppt alle Arten von Abschiebedeals und Migrationskontrollabkommen zwischen den EU-Ländern und den Ländern der Sahel-Sahara-Region!