Dezember 2022 | Frauen-Autonomie. Interview: Das Frauenkollektiv Musow Lafia
Mariam Sawadogo ist bei Afrique-Europe-Interact in Bamako aktiv. Sie hat Ökonomie studiert und bietet Fortbildungen zu Umwelt und Landwirtschaft an. Bei Afrique-Europe-Interact ist sie unter anderem für die Finanzen des feministischen Frauenkollektivs Musow Lafia verantwortlich. Das Interview ist in der Winterausgabe 2022/2023 der ein- bis zweimal jährlich erscheinenden Zeitung von Afrique-Europe-Interact veröffentlicht worden.
Wer ist Musow Lafia?
Musow Lafia ist ein Frauenkollektiv, das 2018 gegründet wurde. Einerseits, um Lebensmittel zu verarbeiten und so eine zusätzliche Existenzgrundlage für die Frauen zu schaffen. Andererseits, um Frauen zu stärken, auch mit Blick auf patriarchale Familienverhältnisse. Musow Lafia ist Bambara und bedeutet “Die zufriedenen Frauen”.
Und was verarbeitet Musow Lafia?
Die Grundprodukte, die wir verarbeiten, sind Fonio und Erdnüsse. Fonio ist ein lokales Getreide, das in Mali sehr gerne gegessen wird, weil es wichtige Nährstoffe enthält. Neben einfachen Fonio-Produkten stellen wir auch Erdnusspaste und Djuka her, letzteres ist eine Mischung aus Fonio und gemahlenen Erdnüssen.
Du hast erzählt, Musow Lafia hat auch mit Migration zu tun. In welchem Sinne?
Es sind nicht die Frauen von Musow Lafia, die in die Migration gegangen sind, sondern ihre Männer und Söhne. Oft brechen sie auf und versprechen, in drei oder vier Jahren mit etwas Geld zurückkommen, sodass ein Haus gebaut oder geheiratet werden kann. Doch dann passiert es regelmäßig, dass die Familie nichts mehr von ihnen hört. Oft können die Angehörigen nicht mehr ruhig schlafen, weil sie ständig auf Neuigkeiten warten. Und genau an diesem Punkt will Musow Lafia seine Mitglieder persönlich unterstützen.
Kannst du etwas genauer beschreiben, wie euer Arbeitsalltag aussieht?
In der Produktion fallen unterschiedliche Aufgaben an, wie das Waschen des Fonios und das Rösten der Erdnüsse. Gleichzeitig ist Musow Lafia ein Ort, an dem die Frauen sich austauschen und über ihre Probleme sprechen können, ein Ort, an dem wir versuchen, diese Probleme auf die eine oder andere Weise gemeinsam anzugehen. Beispielsweise geht es häufig um Gewalt und Dominanz von Ehemännern, Vätern oder Brüdern. Grundsätzlich sind alle bei der Arbeit sehr engagiert, aber manchmal schaffen wir es nicht, sämtliche unserer Produkte zu verkaufen, und dann gerät die Produktion ins Stocken. Das ist der Grund, weshalb wir so interessiert sind, weitere Absatzmöglichkeiten für unsere Produkte zu finden, auch im Ausland [vgl. nebenstehende Debatte].
Du meintest eben, dass Musow Lafia die Autonomie der Frauen fördern wolle. Was ist damit genau gemeint?
In unserer Gesellschaft ist es den Frauen oft nicht möglich zu arbeiten. Andererseits ist die Familie auch ein wenig stolz, wenn es eine Frau gibt, die Arbeit gefunden hat. Denn so kann sie ihren kleinen Beitrag zum täglichen Lebensunterhalt leisten. Das Gleiche gilt für die arbeitenden Frauen selbst. Wenn du hier eine geregelte Arbeit hast, bist du besser gestellt, als die meisten anderen, die von der Hand in den Mund leben, gerade als Frau. Neben der Arbeit geht es auch um den internen Austausch, über den ich schon gesprochen habe, auch der stellt eine Art Empowerment dar. Und wir beteiligen uns an öffentlichen Aktionen für die Rechte von Frauen, etwa am Weltfrauentag am 8. März oder am panafrikanischen Tag für die Rechte von Frauen am 31. Juli. Entsprechend fordern wir auf vielen unserer Schilder und Transparente ganz konkret die Autonomie von Frauen.
An welchem Punkt steht ihr mit eurer Produktion zurzeit?
Wie gesagt, wir suchen nach weiteren Absatzmöglichkeiten. Denn wir merken, dass wir auf den lokalen Märkten in Bamako keinen Gewinn erzielen können. Insofern suchen wir auch nach Möglichkeiten, unsere Grundprodukte wie Fonio und Erdnüsse in Bio-Qualität einkaufen zu können. Denn im Ausland gibt es eine große Nachfrage nach Bio-Produkten.
Warum könnt ihr eure Produkte in Bamako nicht gewinnbringend verkaufen?
Um hier erfolgreich zu sein, musst du im großen Stil verkaufen, was wir aktuell nicht können. Vielmehr verkaufen die Frauen die Produkte innerhalb der Familie oder an Bekannte oder Freund:innen – und das meist auf Kredit, da die Menschen nur wenig Geld haben. Das führt immer wieder dazu, dass Kund:innen ihre Schulden nicht bezahlen können. 2021 haben wir sogar Geld verloren, das ist ein echtes Problem.
Vor Kurzem hast du an einer Reise nach Guinea teilgenommen. Worum ging es?
Guinea ist sehr bekannt für den Anbau von Fonio. Wir haben dort auch das ökologische Künstler:innendorf Faso Kele besucht, das ebenfalls zu Afrique-Europe-Interact gehört. Konkret ging es darum, ob Faso Kele für Musow Lafia Fonio und Erdnüsse anbauen könnte. Wir haben noch nichts beschlossen, aber die Chancen stehen gut.