04. Dezember 2020 | Landgrabbing in Mali: Fataler Kredit - BMZ verliert Elan
Im September 2014 hat der malische Unternehmer Modibo Keita von der Afrikanischen Entwicklungsbank (African Development Bank, AfDB) einen Kredit von 16,8 Mio. Euro für den Bau einer Lebensmittelfabrik in Ségou erhalten. Grundsätzlich ist das gut, damit Länder wie Mali unabhängiger von Lebensmittelimporten werden. Auf der Investition liegt allerdings ein Schatten: In der Fabrik wird unter anderem Getreide verarbeitet, das auf Flächen angebaut wird, die Modibo Keita im Jahr 2010 den rund 60 Kilometer entfernt liegenden Dörfern Sanamadougou und Sahou abgenommen hat.
Vor diesem Hintergrund hat Afrique-Europe-Interact 2015 zusammen mit den beiden Dörfern eine offizielle Beschwerde bei der AfDB eingelegt. Zudem hat unser Netzwerk das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kontaktiert, da Deutschland 4,1 Prozent Anteile an der AfDB hält und daher über Mitspracherechte verfügt. Die anfänglichen Reaktionen waren eher verhalten. Doch 2016 hat die AfDB ein offizielles Prüfverfahren gestartet, was äußerst selten vorkommt.
Es folgten zwei einwöchige Untersuchungsreisen nach Mali, durchgeführt von international zusammengesetzten Teams der AfDB. Im Februar 2018 bestätigte die AfDB die Vorwürfe der Dörfer: Nachdem der malische Staat 2010 mit Modibo Keita einen Pachtvertrag über 7.400 Hektar abgeschlossen hat, ist es tatsächlich zur Konfiszierung von 886 Hektar Land gekommen, einschließlich schwerer Zerwürfnisse innerhalb der Dörfer. Zudem wurde bekanntgegeben, dass das AfDB-Management bei der Kreditvergabe gegen seine eigenen Richtlinien verstoßen hat. Denn die AfDB hätte sich bei der Prüfung des Kredits nicht nur auf die Fabrik konzentrieren dürfen. Vielmehr hätte auch die Lieferkette mit agrarischen Rohstoffen in den Blick genommen werden müssen, zumal das Bankmanagement 5 Monate vor Kreditabschluss über den Landkonflikt informiert wurde. Ergebnis war, dass sich die Bank zu einer Art Wiedergutmachung verpflichtete: Im November 2018 wurde ein detaillierter „Aktionsplan“ verabschiedet, der vorsieht, dass sich die Bank zumindest nachträglich für einen Kompromiss einsetzen möge: Danach sollen die Dörfer nicht nur finanziell entschädigt werden, sondern auch nahe gelegene Ersatzgrundstücke erhalten. Zudem soll Modibo Keita einen Teil des geraubten Landes zurückgeben, auch deshalb, weil er bislang lediglich 2.500 der von ihm gepachteten 7.400 Hektar bearbeitet.
Dorfversammlung in Sanamadougou, März 2015 [Foto: David Brown]
Auch 2019 und 2020 kamen Untersuchungsteams der AfDB nach Mali, um zu klären, ob bereits Fortschritte erzielt wurden. Dabei warb die AfDB einmal mehr für ihren eigenen Aktionsplan. Und das mit Erfolg. Alle Beteiligten stimmten zu, also die Dorfbewohner:innen (und mit ihnen Afrique-Europe-Interact), die malische Regierung, die zuständige Verwaltung und Modibo Keita. Allein: Es passierte nichts. Den Dörfern entging eine Ernte nach der anderen, immer mehr Menschen mussten wegziehen. Unterdessen bekundete das Bankmanagement im November 2020 Gesprächsinteresse mit Afrique-Europe-Interact. Denn Fakt ist: Das Management muss liefern, die Vorgaben des Aktionsplans sind verbindlich. Es folgte eine 4,5-stündige Telefonkonferenz, bei der sich Afrique-Europe-Interact erneut für die Einhaltung des AfDB-Aktionsplans als Minimalziel einsetzte.
Umso unverständlicher ist, dass das BMZ in der Angelegenheit deutlich an Elan verloren hat. 2015 bis 2017 gab es viel Kommunikation. Damals hat Afrique-Europe-Interact mehrere Demos und Briefaktionen durchgeführt, die LINKE hat kleine Anfragen im Bundestag gestellt. Doch seitdem herrscht Funkstille: Unsere Briefe 2018, 2019 und 2020 wurden nicht mehr beantwortet – Anfang 2020 konnten wir mit viel Mühe ein Telefongespräch erreichen. In diesem Sinne fordern wir das BMZ ausdrücklich auf, am Ball zu bleiben. Denn jahrelange Verschleppung ist eine übliche Strategie von Agrobusiness-Konzernen und korrupten Verwaltungen, um die betroffene Bevölkerung zu zermürben. Das aber sollte nicht passieren: Erstens, weil die Dörfer ohne Felder nicht überleben können. Zweitens, weil Landkonflikte eines jener Einfallstore sind, über die es dschihadistischen Gruppierungen unter anderem in Mali gelingt, sich in der Bevölkerung festsetzen – auch wenn betont sei, dass sich die beiden Dörfer ausdrücklich von Dschihadisten distanzieren. Drittens, weil der bisherige Prozess durchaus erfolgreich war. Denn die Tatsache, dass die AfDB ihre eigene Kreditvergabe kritisiert und umfassende Aktivitäten in Mali an den Tag gelegt hat, dürfte bereits jetzt präventive Wirkung entfaltet haben. Im Klartext: Wir gehen davon aus, dass auf diese Weise Landgrabbing an anderer Stelle verhindert wurde.
Hinweis: Dieser Text ist in der AEI Zeitung im Dezember 2020 erschienen. Die vollständige Ausgabe steht als PDF unter folgendem Link zum Download zur Verfügung: AEI-Zeitung Dezember 2020