"Bin schon frei": Erdnussbutter und die Kämpfe von Frauen
Vor dem Zentrum von Afrique-Europe-Interact in Bamako steht ein Schild, auf dem es unter anderem heißt: “Musow Bolola Deme / Bara“, frei übersetzt: “Frauen, die sich wechselseitig zur Hand gehen”. Ganz in diesem Sinne haben sich Aktivistinnen unseres Netzwerks Anfang 2017 ihren lang gehegten Traum erfüllt, ein Projekt ausschließlich für Frauen aufzubauen. Sie kommen regelmäßig zusammen, um politische und soziale Fragen zu diskutieren, sich gegenseitig in ihren alltäglichen Herausforderungen zu unterstützen und über die Herstellung von Nahrungsmitteln wie Erdnussbutter ihre finanzielle Eigenständigkeit zu vergrößern.
„Ich ordne mich unter“
Gundo wird „Die Tüchtige“ gerufen, weil sie so hart arbeitet. Ihr Mann verdient als Benzinverkäufer sehr wenig: „Ich habe keine andere Option, als ökonomisch auf eigenen Füßen zu stehen.“ Ihre Eltern hielten es für unnötig, sie zur Schule zu schicken. Sie bereut das sehr. Deswegen war für sie immer klar, dass ihre Kinder an diesem Punkt nicht blockiert sein sollten. Ihre dreijährige Tochter Fatoumata träumt jeden Tag davon, in die Schule zu gehen. Mit ihrem Mann gibt es immer Konflikte. Gundo hat für sich den Weg gewählt, klein beizugeben, um die Ehe nicht zerbrechen zu lassen.
Die Eltern von Djonkounda, „Madame, la Presidente“, haben nach ihrem achten Schuljahr einen Mann für sie ausgesucht. Nun ist sie allerdings seit vier Jahren allein mit ihren beiden Kindern. Ihr Mann ist nach Algerien aufgebrochen, wo er als Tagelöhner arbeitet. Die Familie spricht fast jeden Tag über WhatsApp miteinander. Er will bald zurückkommen und sie freut sich drauf – auch wenn sie sich dann im Alltag nochmal mehr nach seinen Vorstellungen richten muss. Ob sie dann noch so oft ins Soziale Zentrum kommen kann, ist unklar. Denn einige Männer haben ein Problem damit, wenn ihre Frauen viel Zeit mit Afrique-Europe-Interact verbringen und nicht zu Hause sind – sie kommen dann schon mal vorbei, um sich lautstark zu beschweren.
„Ich bin schon frei“
Aissata hat ihren ersten Mann verlassen, weil der nicht wollte, dass sie abends ohne ihn weggeht. Die gemeinsame Tochter musste sie bei ihm lassen. Ihr jetziger Mann hat zwei Kinder in die Beziehung gebracht: „Die liebe ich als wären es meine eigenen.“ Aissata ist gerne mit ihm zusammen, auch wenn er noch einiges zu lernen habe: „Er hat mir gesagt, dass er mir meine Freiheit gebe. Da musste ich ihm erklären, dass er die gar nicht geben kann, weil sie ihm nicht gehört!“ In Gabun geboren, wurde Aissata mit acht Jahren zusammen mit ihren Eltern nach Mali abgeschoben. Als sie Jahre später der Vereinigung der jungen Abgeschobenen Malis beitrat, gab ihr das die Möglichkeit, sich mit ihrer Identität als Abgeschobene zu versöhnen: „Davor hatte sich mein Zorn immer gegen mich selbst gerichtet. Dann konnte ich meinen Wunsch nach Gerechtigkeit endlich in andere Bahnen lenken und für die Rechte von Abgeschobenen kämpfen.“
Mariam, wegen ihres großen Sauberkeitsbedürfnisses „Die Weiße“ genannt, ist noch unverheiratet. Als einzige Tochter ist es ihre Aufgabe, für die Familie zu kochen. Ihr Verhältnis zur Arbeit von Afrique-Europe-Interact für die Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen im Office de Niger ist ein ganz persönliches. Ihre Vorfahren wurden von der französischen Kolonialadministration ins Office du Niger verschleppt, um Zwangsarbeit beim Bau des Markala-Staudamms zu leisten. Wie viele weitere, sind dabei auch Menschen aus ihrer Familie umgekommen. Einen Job hat sie nach ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaften nicht gefunden. Und Bewerbungen sind eine kostspielige Angelegenheit, die sie sich gerade nicht mehr leisten kann. Ihre Zeit im Frauenprojekt sieht sie als eine Möglichkeit, ihre erworbenen Kenntnisse zumindest im Kleinen bei der Finanzverwaltung einzusetzen.
„Wenn wir diskutieren, geht es heiß her“
Während Gundo, Mariam, Djonkounda, Aissata und ihre Mitstreiterinnen Erdnüsse sortieren oder die Erdnussbutter in Eimer abfüllen, tauschen sie sich über Themen aus, die sie im Alltag und in ihrer politischen Arbeit beschäftigen, wie Enteignungen, Migration, Streiks im öffentlichen Dienst und steigende Lebenshaltungskosten. Dabei sympathisieren sie mit Parteien aus dem gesamten politischen Spektrum. Zufrieden mit den politischen Eliten ist aber niemand. Deswegen haben sie – als Frauengruppe von Afrique-Europe-Interact – anlässlich der diesjährigen Präsidentschaftswahl eine große Diskussionsveranstaltung organisiert, wo die Wahlversprechen auf emanzipatorische Inhalte abgeklopft und die Notwendigkeit eines starken Graswurzelaktivismus hervorgehoben wurden.