November 2015 | Rasthaus-Newsletter Nr. 2
Dieser Newsletter wurde von zwei Unterstützerinnen des Rasthauses auf Grundlage eines aktuelles Berichts von Emmanuel Mbolela verfasst.
1. Aktueller Stand
Vom 30.10. bis 01.11.15 fand in Berlin das turnusgemäße Treffen der europäischen Sektion von afrique-europe-interact statt. Unter anderem wurde dort auch ein Workshop zur aktuellen Situation des Rasthauses und einer möglichen Weiterentwicklung durchgeführt. Hier seien in aller Kürze die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
Emmanuel Mbolela, der in regelmäßigem Austausch mit Astrid, der Leiterin des Rasthauses, steht, berichtete, dass das Rasthaus überbelegt sei. An dieser Stelle sei bereits auf eine ganz besonders positive Entwicklung hingewiesen: Das Rasthaus existiert als Wohnung in einem Mietshaus in Rabat. In diesem Haus wird in Kürze eine weitere Wohnung frei. Zur Zeit laufen Verhandlungen mit der Vermieterin, auch diese Wohnung an afrique-europe-interact zu vermieten. Da sowohl die personellen wie auch die finanziellen Ressourcen gewährleistet sind, soll – falls die Vermieterin einverstanden ist – in Kürze diese zweite Wohnung angemietet werden. Finanziell ist die Erweiterung des Projekts zunächst abgesichert, da Medico International zugesagt hat, das Rasthaus für ein Jahr zu unterstützen.
Während des Workshops kam die Frage auf, ob evtl. französischsprachige Frauen bevorzugt einen Platz im Rasthaus erhalten, da die Leiterin aus dem Kongo stammt. Emmanuel verneinte dies und wies daraufhin, dass ebenso viele Frauen aus Regionen stammen, deren Amtssprache Englisch ist. Die Geflüchteten erfahren von dem Ort durch die Verantwortlichen der Organisation der Migranten und Migrantinnen (ARCOM), oftmals werden sie aber auch von kirchlichen Hilfsorganisationen (z.B. Caritas) auf die Einrichtung hingewiesen. Emmanuel berichtete zudem, dass jede Frau, die in das Rasthaus einzieht, ein Formular ausfüllt, in dem sie u.a. angibt, woher sie kommt und auch die Hausordnung des Rasthauses akzeptiert.
2. Bericht von Emmanuel Mbolela aus dem Rasthaus für Migrantinnen und ihre Kinder in Rabat
Emmanuel befindet sich seit Ende November in Rabat. Bei einem Besuch des Rasthauses hat er mit dem Gründungskomitee sowie einigen Geflüchteten, die z.Zt. dort leben, gesprochen. Astrid wies in dem Gespräch noch einmal auf die schwierige Lebenssituation der Migrantinnen hin. Die Frauen dürfen maximal einen Monat im Rasthaus bleiben. Jene, die mit Kindern kommen, können zwei Monate bleiben. Ein Problem ist, dass manche Frauen, wenn sie das Rasthaus verlassen müssen, noch immer nicht wissen, wohin sie gehen können. Das Komitee entscheidet jeweils individuell, ob eine Frau länger bleiben kann. So erzählte Astrid von den traumatisierenden Erfahrungen, die Grace, eine Frau aus Nigeria, auf ihre Flucht machte:
Grace hat ihr Heimatland Nigeria vor zwei Jahren verlassen, um nach Europa zu gehen. Aber als sie in der ostmarokkanischen Stadt Oujda ankam, wurde sie von einer Gruppe nigerianischer Männer eingesperrt. Sie wurde Opfer von Vergewaltigungen. Auch als sich ihr gesundheitlicher Zustand zunehmend verschlechterte, ließen die Männer nicht von ihr ab. Schließlich gelang es Grace Oujda zu verlassen und zu Fuß nach Rabat zu gelangen. Dort lebte sie einige Monate im Stadtteil Takkoudum (wo viele Migranten und Migrantinnen wohnen), und geriet wieder in die Hände von Nigerianern, die sie sexuell missbrauchten. Die marokkanische Caritas hat Grace schließlich ins Rasthaus gebracht. Als sie dort ankam, sprach sie nicht und bestand nur aus Angst. Astrid berichtet, dass Grace, als sie im Rasthaus ankam, nur das schwarze Kleid besaß, das sie anhatte. Sie wollte sich nicht waschen und sprach mit niemandem. Clementine, eine andere Bewohnerin des Rasthauses, gewann schließlich ihr Vertrauen. Sie hat Grace gewaschen, ihr die Haare geschnitten und gibt ihr regelmäßig Medikamente. Grace scheint sich etwas zu erholen. Sie nimmt inzwischen auch Kontakt zu anderen Bewohnerinnen auf. Grace hält sich bis heute im Rasthaus versteckt. Die Caritas bemüht sich um eine Möglichkeit, sie zurück nach Nigeria zu bringen.
Emmanuel berichtet von seinem Gespräch mit Hawa, einer 18 jährigen Frau. Sie kommt aus Mali. Hier kurz Hawas Geschichte:
„Ich komme aus Mali. Meine Mutter ist gestorben und mein Vater hatte einen heftigen Streit mit der Familie meiner Mutter. So hat mein Vater beschlossen, mich aus Mali wegzuschicken. Er hat mir gesagt, ich soll nach Spanien gehen und dort arbeiten. Mein Vater hat mich zwei Männern anvertraut, denen er Geld gegeben hat, damit sie mich mitnehmen nach Spanien. Wir – die beiden Männer und ich – haben die Wüste durchquert, wir waren dann in Algerien und schließlich in Marokko. Am Bahnhof von Rabat haben die beiden Männer gesagt: Siehst Du, das ist Marokko. Warte hier, wir schauen nach einem Zug, der uns nach Europa bringt. Sie sind weggegangen und haben mich am Bahnhof gelassen. Ich habe gewartet, aber niemand ist gekommen. Ich habe im Bahnhof geschlafen und am nächsten Tag habe ich begonnen die Leute zu fragen, wo hier in Marokko die Malier leben. So habe ich einen Malier getroffen und habe ihm erzählt, wie ich hergekommen bin und, dass ich die beiden Männer nicht mehr finden kann, mit denen ich aus Mali gekommen bin. Dieser Malier hat mich mitgenommen und nach einer Woche brachte mich schließlich jemand hier ins Rasthaus, wo ich aufgenommen wurde. Man hat mir einen Schlafplatz gegeben und ich kann jetzt duschen. Aber mir wurde gesagt, dass ich nur einen Monat bleiben kann und ich weiß noch nicht, was ich danach machen soll. Ich versuche, meinen Vater anzurufen, aber ich komme nicht durch. Ich versuche es jeden Tag. Falls ich meinen Vater am Telefon erreiche, kann ich vielleicht eine Lösung finden. Im Rasthaus sind wir gut untergebracht und haben auch zu essen, aber nur einmal am Tag und oft erst am Abend.
Emmanuel fragte Hawa, was ihr helfen könnte. Sie antwortete, sie sei Frisörin. Wenn sie das Geld hätte, sich eine Ausrüstung zu kaufen, um Leuten Frisuren zu machen, dann könne sie sich das Geld, das sie zum Leben benötigte, selbst verdienen.
Emmanuel wurde auch von anderen Frauen darum gebeten, ihnen zu helfen, eine Möglichkeit der Erwerbstätigkeit zu finden. Zudem haben die Frauen darum gebeten, die Aufenthaltsdauer im Rasthaus zu verlängern.“
Insbesondere jetzt im Winter werden vermehrt Decken und warme Kleidung für die Frauen gebraucht. Daher benötigen wir auch weiterhin Dauer- und Einzelspenden für das Rasthaus. Spendenstichwort: Rasthaus für Frauen