August 2015 | Rasthaus-Newsletter Nr. 1

Liebe Förderer und Interessierte des Rasthauses in Rabat!

Im Februar dieses Jahres wurde in Rabat eine Wohnung für Frauen und deren Kinder angemietet. Die Wohnung bietet Platz für mindestens sechs Frauen. Genaueres ist in der Broschüre zum Rasthaus beschrieben, die über Afrique-Europe-Interact erhältlich ist (nolagerbremen@yahoo.de). Heute erhalten Sie einen „Newsletter“, mit einem aktuellen Bericht über die Situation im Rasthaus. Geschrieben hat den Bericht Astrid Mukdendi, eine Kongolesin, die eine der ersten selbstorganisierten Flüchtlingsorganisationen in Marokko gegründet hat. Sie leitet das Rasthaus:

Im Mai und Juni haben wir mehr Menschen aufgenommen als eigentlich Platz im Rasthaus zur Verfügung steht. Die Räumlichkeiten sind geeignet für sechs Frauen. Im Moment wohnen insgesamt 13 Personen hier, da wir Frauen mit Kindern den Vorrang lassen. So hat jede Frau, die hier ist, ein oder zwei Kinder dabei. Es ist sehr schwierig, den Aufenthalt auf die vorgesehenen 14 Tage zu begrenzen, da manche Frauen dann noch keine andere Wohnung gefunden haben.

Die Situation in Marokko wird immer dramatischer. Jeden Tag kommen Migranten aus Subsahara-Afrika. Zudem gibt es derzeit viele Festnahmen in Tanger und in den Wäldern. So kommen mehr Menschen nach Rabat und finden keinen Schlafplatz.

Inzwischen haben viele Leute von unserer Unterkunft gehört, sodass wir überflutet werden vom Kommen und Gehen der Frauen, die uns eindringlich um Unterbringung bitten. Das führt auch zu Konflikten. So bringen uns die Chairmen von verschiedenen Ländergruppen Frauen, die wir dann aus Mangel an Kapazitäten nicht aufnehmen können. Man wirft mir vor, ich würde Frauen aus dem Kongo bevorzugen. Aber das stimmt nicht: seit Beginn unserer Wohngemeinschaft waren es stets mehr Frauen aus anderen Ländern, als aus dem Kongo. Es ist schwierig oder unmöglich, die Leute zufriedenzustellen. Es gibt zu viele, die Unterschlupf bei uns suchen. Aufgrund mangelnder Kapazitäten können wir dem meistens nicht entsprechen. Inzwischen haben wir eine Warteliste eingeführt.

Auch Männer bitten uns darum, für sie eine Unterkunft zu finden. Ende Juni brachte uns der Chairman der Guinea-Gemeinschaft zwei Jungen (11 und 12 Jahre alt). Wir konnten sie nicht aufnehmen, da das Rasthaus nur für Frauen und Mädchen eingerichtet worden ist. Astrid hat die beiden Jungen privat bei sich und einem anderen Aktivisten untergebracht.

Ein weiteres Problem stellt das zu gering kalkulierte Budget für das Rasthaus dar: So ist vorgesehen, dass wir von dem zur Verfügung stehenden Geld täglich eine Mahlzeit für jede Frau finanzieren. Drei Monate nach der Eröffnung kamen wir mit dieser Kalkulation schon nicht mehr aus: Die Bedürfnisse der Kinder waren nicht berücksichtigt worden. So können wir die Frauen gemeinsam mit ihren Kindern nicht hinreichend versorgen. Tatsächlich ist es so, dass die Bewohner hungern. Bis in die Nacht hinein hört man oft das Weinen der Kinder. Wir haben auch keine Kinderbetten. Zur Zeit behelfen wir uns mit alten Decken, die wir auf den Boden gelegt haben. Vor dem Winter benötigen wir dringend neue Decken und Matratzen für die Kinder.

Die Mehrzahl der Frauen, die wir beherbergt haben und die eine andere Wohnung finden konnten, sind sehr zufrieden und dankbar für unser Center. Viele von ihnen kommen zu Besuch, um mit den Neuankömmlingen zu sprechen und sie zu ermutigen.

Mit Blick auf die aktuelle Situation empfehlen wir das Budget neu aufzustellen, um die Ernährung der Kinder zu gewährleisten, die Bettdecken zu erneuern, Stühle für die Kinder anzuschaffen und vielleicht eine zweite Wohnung anzumieten.

Rabat, 12. Juli 2015

Astrid Mukdendi, Directrice du centre
Gueye Kine Mamadou, Assistante

In den Medien erfahren wir von den dramatischen Situationen, in denen Flüchtlinge versuchen, über das Meer nach Europa zu gelangen oder auch von den z.T. katastrophalen Zuständen, in die sie bei ihrer Ankunft in Europa gelangen. Weniger wahrgenommen werden die existentiellen Nöte, die Demütigungen und die Ängste unter denen Menschen auf ihrer jahrelangen Flucht leiden.
Die EU bemüht sich um eine Abwehr von Flüchtlingen, die jenseits der eigenen Grenzen, nämlich bereits auf dem Gebiet der nordafrikanischen Staaten, stattfindet. So kommt es beispielsweise an den Grenzzäunen zu den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla zu immer neuen Gewaltakten gegenüber Flüchtlingen. Mit Gummigeschossen wird auf schwimmende MigrantInnen gezielt, wobei deren Tod billigend in Kauf genommen wird. In Marokko sterben die Flüchtlinge nicht in erster Linie auf dem Meer (was in der Öffentlichkeit der EU zugerechnet wird). In Marokko findet der Kampf Europas gegen Flüchtlinge auf dem Territorium eines anderen Staates statt. Darüber erfahren wir viel zu wenig!

Über die Situation von Flüchtlingen und MigrantInnen in Marokko informieren folgende Webseiten:

  • No Borders Marokko: https://beatingborders.wordpress.com/
  • Forschungsstelle Flucht und Migration: http://ffm-online.org/
  • Afrique-Europe-Interact: www.afrique-europe-interact.net
  • Empfohlen sei zudem der im Netz frei verfügbare mehrfach ausgezeichnete Film The Land between

Auch weiterhin werden Dauer- und Einzelspenden für das Rasthaus benötigt:

Die Kontodetails finden sich auf dieser Webseite an folgender Stelle