Für Bewegungsfreiheit & selbstbestimmte Entwicklung!

September 2015 | Protestbriefe an Malische Botschaft und BMZ (Briefvorlagen für Kampagne)

Nachdem sowohl die europäische als auch die malische Sektion von Afrique-Europe-Interact am 2. und 16. Juni 2015 Solidaritätsaktionen für Sanamadougou und Sahou durchgeführt haben, sind die unmittelbaren Aktivitäten seitens der Bauern und Bäuerinnen im Office du Niger zunächst einmal schwächer geworden, einfach deshalb, weil die Regenzeit angefangen hat und dies naturgemäß die arbeitsintensivste Phase während des gesamten Jahres darstellt. Gleichzeitig hat die Situation in Sanamadougou und Sahou auf der politischen Bühne weiterhin eine große Rolle gespielt. Denn der Vorsitzende der malischen Linkspartei SADI hat am 2. Juli 2015 den Agrarminister unter Bezug auf die Aktionen von Afrique-Europe-Interact im Parlament buchstäblich zur Rede gestellt und zugleich die Regierung aufgefordert, endlich eine Lösung im Sinne der beiden Dörfer zu finden. Über diesen Auftritt ist in allen Medien Malis intensiv berichtet worden. Entsprechend passte es, dass die malische Sektion von Afrique-Europe-Interact am 22. Juli eine gut besuchte Pressekonferenz in Bamako durchgeführt hat (zusammen mit mehreren Vertretern der beiden Dörfer), über die ebenfalls intensiv in zahlreichen Medien berichtet wurde (einige der Presseberichte finden sich in der französischen Version dieser Webseite).

Was allerdings nicht stattgefunden hat, ist die für das Zuckerfest am Ende des Fastenmonats Ramadan angekündigte Besetzung der geraubten Felder. Denn beide Dörfer waren im Vorfeld mehrfach vom zuständigen Gouverneur und vom zuständigen Präfekten ein- bzw. vorgeladen und intensiv vor einer Besetzung gewarnt worden (konkret hieß es, dass eine Besetzung einen massiven Polizeieinsatz nach sich ziehen würde).

Gleichwohl haben sich die Dörfer mittlerweile auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt, um weiterhin Druck auf Verantwortlichen auszuüben. Denn vieles spricht dafür, dass es tatsächlich gelingen könnte, den Investor bzw. den malischen Staat, der dem Investor das Land überlassen hat, ernsthafte Zugeständnisse abzuringen. Welche Aktion genau geplant ist, soll zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht öffentlich bekannt gegeben werden. Dennoch möchten wir dringend bitten, die Aktion auf zweierlei Weise zu unterstützen: Einerseits suchen wir dringend Spenden, um die Aktion finanziell zu ermöglichen. Darüber hinaus möchten wir die geplante Aktion durch Protestbriefe an die malische Botschaft in Deutschland sowie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) begleiten. In diesem Sinne wären wir sehr dankbar, wenn die beiden weiter unten dokumentierten Protestbriefe jeweils ausgefüllt und per Post an die malische Botschaft bzw. das BMZ geschickt würden. Um Irritationen zu vermeiden, sei zudem darauf hingewiesen, dass die Briefe nicht nochmal die gesamte Konfliktgeschichte eigens erklären. Denn diese ist den beiden Adressaten ja bestens bekannt. Wer also nicht in Gänze informiert ist, den Gesamtzusammenhang allerdings nachvollziehen möchte, bevor sie bzw. er den Brief unterschreibt und wegschickt, sei auf die Rubrik Sanamadougou und Sahou auf dieser Webseite verwiesen, wo die wichtigsten Informationen dokumentiert sind (einschließlich des bisherigen Briefwechsels mit dem BMZ).

Protestbrief an das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Name:
Straße:
Ort:

Herrn
Thomas Silberhorn
Parlamentarischer Staatssekretär/
Deutscher Gouverneur bei der
Afrikanischen Entwicklungsbank
Stresemannstr. 94
10963 Berlin

Ort und Datum:

Landgrabbing: Weiterhin äußerst zugespitzte Situation in den malischen Dörfern Sanamadougou und Sahou

Sehr geehrter Herr Silberhorn,

über die Öffentlichkeitsarbeit des Netzwerks Afrique-Europe-Interact habe ich von den beiden Dörfern Sanamadougou und Sahou in Mali erfahren, die durch Landgrabbing seit 2010 einen Großteil ihrer landwirtschaftlich genutzten Flächen an den malischen Investor Modibo Keita verloren haben. In diesem Zusammenhang habe ich auch Kenntnis von dem Brief erlangt, den Sie am 19. Juni 2015 an Afrique-Europe-Interact geschickt haben. Das ist der Grund, weshalb ich mich heute an Sie wende. Denn grundsätzlich kann ich die Argumente sehr gut nachvollziehen, mit denen Afrique-Europe-Interact jüngst auf Ihre Darlegungen reagiert hat:

a) Gerichtsverfahren: Der am 22. Februar 2012 eröffnete Prozess der beiden Dörfer gegen den Investor Modibo Keita ist seitens des Gerichts in Markala seit Ende 2012 schlicht nicht weitergeführt worden – unbeschadet dessen, dass dies eigentlich Aufgabe des Gerichtes gewesen wäre. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass es für den von den Dörfern neu beauftragten Anwalt kein weitergehendes Problem dargestellt hat, die Fortführung des Prozesses zu veranlassen, wie es durch den Landwirtschaftsminister Bocary Tréta in einer öffentlichen Debatte des malischen Parlaments am 2. Juli 2015 bestätigt wurde. Umgekehrt heißt das aber auch, dass Modibo Keita sehr wohl gegen die Kreditauflagen des durch die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) am 17.09.2014 gewährten Kredits verstoßen hat, auch wenn dies dem Rechtsberater der AfDB nicht aufgefallen sein mag.

b) Entschädigungen: Gewiss, der Unternehmer Modibo Keita hat versucht, Familien aus den beiden Dörfern zu entschädigen. Umgekehrt ist den DorfbewohnerInnen nicht negativ anzurechnen, dass sie vor dem rechtskräftigen Abschluss des weiterhin laufenden Gerichtsverfahrens noch nicht bereit waren, Entschädigungen anzunehmen – hätte dies doch die von ihnen selbst angestrengte Klage ad absurdum geführt. Zur Erläuterung sei daher an dieser Stelle angemerkt, dass bis heute noch nicht geklärt ist (und genau dies ist ja Gegenstand des Verfahrens), ob sich der zwischen Modibo Keita und dem malischen Staat abgeschlossene Pachtvertrag überhaupt auf die Flächen der beiden Dörfer bezieht (vgl. hierzu die detaillierten Ausführungen von Afrique-Europe-Interact in seinem Brief vom 25. April 2015).

c) Untersuchungsbericht einer vom Amt des Premierministers beauftragten Delegation: Es ist richtig, dass es der Regierung gelungen ist, mindestens ein Mitglied der zivilgesellschaftlichen Organisation “Convergeance Malienne contre les Accaparements des Terres” (Malische Koalition gegen Landgrabbing) für besagte Untersuchung zu gewinnen. Doch dies ändert nichts an dem Umstand, dass die DorfbewohnerInnen aus den bereits genannten Gründen zum jetzigen Zeitpunkt einer Entschädigungsregelung noch gar nicht hätten zustimmen können (ganz davon abgesehen, dass besagte Teilnahme für große Empörung gesorgt hat).

Jenseits hiervon haben die beiden Dörfer – vertreten durch die jeweiligen Dorfchefs – bereits im Juli 2014 mit Nachdruck schriftlich darauf aufmerksam gemacht, dass es lediglich 8 Familien gewesen sind, die Entschädigungen erhalten haben. Insofern ist es nicht wirklich nachvollziehbar, weshalb in Ihrem Brief keine quantitative Gewichtung zwischen Empfänger- und Nicht-Empfängerfamilien vorgenommen wird. Denn für eine Gesamteinschätzung der Situation und somit auch die Vergabebedingungen des AfDB-Kredits an Modibo Keita ist es durchaus relevant, ob lediglich eine kleine Minderheit Entschädigungen erhalten hat oder ob größere Teile der beiden Dörfer die Entschädigungszahlungen akzeptiert haben.

d) Ernährungssicherheit: In Ihren Ausführungen sprechen Sie davon, dass es dem malischen Staat legitimerweise darum ginge, “die Produktivität in der Landwirtschaft zu erhöhen und die Subsistenzlandwirtschaft zu überwinden, um die Ernährung einer wachsenden Gesamtbevölkerung zu sichern.” Diese Feststellung scheint bemerkenswert. Denn bislang bin ich stets davon ausgegangen, dass die Bundesregierung die grundlegenden Einschätzungen des 2008 veröffentlichten Weltagrarberichts teilt (auch wenn die Frage strittig sein mag, mit welcher Form von Landwirtschaft langfristig welche Hektarerträge erzielbar sind). Danach ist echte Ernährungssicherung nur durch die Unterstützung von Kleinbauern und -bäuerinnen möglich, weshalb es keinesfalls zielführend ist, wenn durch die Förderung leistungsfähiger Großbetriebe gleichzeitig rund 5.000 Menschen ihrer Existenzgrundlagen beraubt werden. Und das um so mehr, als ja in Europa zu Recht die Frage diskutiert wird, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, damit weniger Menschen gezwungen sind, ihre Herkunftsländer auf mehr oder weniger gefährliche Weise zu verlassen (laut jüngst veröffentlichter Zahlen des UNHCR stehen malische StaatsbürgerInnen bei den im laufenden Jahr in Italien angekommenen Bootsflüchtlingen an neunter Stelle).

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mit Blick auf die von Afrique-Europe-Interact formulierten Argumente möchte ich Sie bitten, einerseits im Rahmen der deutsch-malischen Regierungskonsultationen weiterhin für eine an den legitimen Interessen der BewohnerInnen von Sahou und Sanamadougou orientierte Lösung des dortigen Landkonfliktes hinzuwirken, andererseits eine abermalige Prüfung zu veranlassen, inwiefern Modibo Keitra bei der Kreditvergabe durch die AfDB nicht doch die Kreditauflagen verletzt hat.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und verbleibe mit freundlichen Grüßen,

Protestbrief an das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Download protestbrief_an_bmz__09_2015.doc - 21 kB


Protestbrief an die malische Botschaft

Name:
Straße:
Ort:

Frau
Hawa Keita eps. Ba
Botschafterin der Republik Mali
Kurfürstendamm 72
10709 Berlin

Ort und Datum:

Landgrabbing in Sanamadougou und Sahou im Office du Niger

Sehr verehrte Frau Botschafterin,

über die Öffentlichkeitsarbeit des Netzwerks Afrique-Europe-Interact habe ich von der aktuellen Situation in den beiden Dörfern Sanamadougou und Sahou in Mali erfahren. Beide haben – wie Ihnen sicherlich bekannt ist – seit 2010 einen Großteil ihrer landwirtschaftlich genutzten Flächen an den malischen Investor Modibo Keita verloren. Konsequenz ist, dass immer mehr Menschen gezwungen sind, die beiden Dörfer zu verlassen, einige von ihnen auch Richtung Europa, was im Lichte der lebensgefährlichen Reise durch die Wüste und über das Mittelmeer eine äußerst bedrückende Vorstellung ist.

Um so erfreuter war ich, als ich zwischenzeitlich erfahren habe, dass Bewegung in die Angelegenheit gekommen ist: Zunächst hörte ich, dass der malische Premierminister Modibo Keita am 12. Mai 2015 in einem an die europäische Sektion von Afrique-Europe-Interact gerichteten Brief eine zeitnahe Klärung des Landkonflikts zugesichert hat. Kurz darauf nahmen staatlicherseits bestellte Landvermesser zusammen mit den BewohnerInnen von Sanamadougou und Sahou Vermessungen von sämtlichen der verloren gegangenen Flächen vor, was bei den DorfbewohnerInnen verständlicherweise große Erwartungen geweckt hat. Nachdem sowohl die europäische als auch die malische Sektion von Afrique-Europe-Interact im Juni 2015 öffentlichkeitswirksame Protestaktionen durchgeführt haben, diskutierte das malische Parlament am 2. Juli 2015 über die Situation in Sanamadougou und Sahou. Zudem haben die malischen AktivistInnen von Afrique-Europe-Interact am 22. Juli 2015 eine gut besuchte Pressekonferenz in Bamako durchgeführt, die wie die Parlamentsdebatte ein breites mediales Echo in Mali gefunden hat.

Vor diesem Hintergrund ist es jedoch kaum nachvollziehbar, weshalb es bis heute zu keinerlei Verständigung gekommen ist. Und das, obwohl den DorfbewohnerInnen immer wieder eine zeitnahe Lösung zugesichert wurde, zuletzt im Juli 2015 durch den zuständigen Präfekten. Insofern bleibt mir nichts anders, als an Sie, sehr verehrte Frau Botschafterin, dringend zu appellieren, sich direkt bei der malischen Regierung für eine an den legitimen Interessen der BewohnerInnen von Sanamadougou und Sahou orientierte Lösung des Konflikts einzusetzen. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch versichern, dass meine Fürsprache für Sanamadougou und Sahou keineswegs gegen die Modernisierung der malischen Landwirtschaft gerichtet ist, wie es laut Afrique-Europe-Interact immer wieder in der malischen Presse behauptet wird. Allerdings gehe ich unter Bezug auf den 2008 veröffentlichten Weltagrarbericht davon aus, dass eine Modernisierung der malischen Landwirtschaft nicht auf Kosten kleinbäuerlicher Familienbetriebe erfolgen sollte – einfach deshalb, weil diese (wie überall auf der Welt) maßgeblich für die Ernährungsicherung breiter Teile der Bevölkerung verantwortlich zeichnen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und verbleibe mit freundlichen Grüßen,

Protestbrief an die malische Botschaft

Download protestbrief_an_malische_botschafterin__09_2015.doc - 16 kB