Spendenaufruf: Landgrabbing stoppen - transnationale Solidarität jetzt!
Die beiden Dörfer Sanamadougou und Sahou in Mali kämpfen seit 5 Jahren für die Rückgabe ihres Landes. Jetzt ist am 2. Juni 2015 eine bäuerliche Großaktion geplant – mit anschließendem unbefristetem Sit-in. Dafür werden dringend Spenden gesucht. Außerdem ruft Afrique-Europe-Interact zu einer Solidaritätskundgebung auf – denn einiges spricht dafür, dass der Kampf der Dörfer in den nächsten Wochen oder Monaten erfolgreich ausgehen könnte: 2. Juni 2015, 14 Uhr: Solidaritätskundgebung vor der malischen Botschaft in Berlin (Kurfürstendamm 72, U-Bahnhof Adenauerplatz)
Aufruf:
Bis zu 2.000 Bootsflüchtlinge sind seit Jahresbeginn im Mittelmeer ums Leben gekommen. Niemand von ihnen hätte jedoch sterben müssen, wäre es Geflüchteten und Migrant_innen möglich, die ständig übers Mittelmeer pendelnden Fähren zu nutzen und auf diese Weise sicher, kostengünstig und ohne erpresserischen Druck durch Schlepper nach Europa zu gelangen. Die ständigen Bootsunglücke sind nicht nur eine fürchterliche Tragödie für die Betroffenen und ihre Familien, Freund_innen und Nachbar_innen. Sie verweisen auch auf die dahinter liegenden Gründe, die Menschen überhaupt dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen – ganz gleich, ob es sich um Krieg, diktatorische Verhältnisse oder die Zerschlagung kleinbäuerlicher Existenzgrundlagen handelt. Eines von vielen Beispielen ist Mali in Westafrika, wo bäuerliche Communities bereits seit langem von Landgrabbing betroffen sind, also davon, dass ihr Land durch staatliche Behörden brutal und entschädigungslos enteignet wird – sei es für (global operierende) Banken, Investmentfonds oder Agrobusinesskonzerne, sei es für korrupte Beamt_innen und Politiker_innen.
Traurige Berühmtheit haben diesbezüglich die beiden Dörfer Sanamadougou und Sahou 270 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bamako erlangt. Sie haben seit 2010 nahezu sämtliche ihrer Flächen verloren, verantwortlich ist der malische Großinvestor Modibo Keita, ein bestens mit der politischen Klasse Malis vernetzter Geschäftsmann. Ergebnis ist, dass 5.000 Menschen mittlerweile vor dem Nichts stehen. Zahlreiche Bewohner_innen haben die Dörfer bereits verlassen (vor allem die jüngeren), andere arbeiten als Tagelöhner_innen auf weit entfernten Feldern oder sind auf Unterstützung durch andere Dörfer oder Familienangehörige angewiesen. Das drängendste Problem ist der Hunger – und das in einer Region, die dank ihrer bestens an die schwierigen klimatischen Verhältnisse angepassten agro-forstwirtschaftlichen Anbauweise Hunger bislang kaum gekannt hat. Doch Sanamadougou und Sahou sind bei weitem nicht die einzigen Dörfer, die betroffen sind, zudem ist Landgrabbing bei weiterem nicht das einzige Problem, mit dem Kleinbauern und -bäuer_innen in Mali zu kämpfen haben. Vielmehr kommt in diesem Zusammenhang auch eine langjährige Geschichte von Ausbeutung und gezielter Zerschlagung von Existenzgrundlagen zum Tragen – insbesondere durch IWF, Weltbank und Co, die Ländern wie Mali bereits seit den 1980er Jahren jene Strukturanpassungsprogramme aufgezwungen haben, die mittlerweile auch in Griechenland zu einer handfesten sozialen Katastrophe geführt haben.
Zusammen ist das der Grund, weshalb Afrique-Europe-Interact seit 2012 Kontakte zu Dörfern im Office du Niger aufgebaut hat, darunter auch zu Sanamadougou und Sahou – eine Dynamik, die mittlerweile auf mehreren Ebenen zu einer verbindlichen Zusammenarbeit geführt hat: Während die Bauern und Bäuer_innen weiterhin Aktionen in Mali durchgeführt haben (wie schon seit 2010), hat Afrique-Europe-Interact in Berlin zweimal vor der malischen Botschaft, vorm Bundeskanzleramt und vor dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung demonstriert. Hinzu kamen Fax-Kampagnen, Öffentlichkeitsarbeit (einschließlich eines internationalen Appells zu Sanamadougou und Sahou) sowie praktische Unterstützungsaktionen – beispielsweise im August 2014 eine Spende von vier Tonnen Hirse, um einen kleinen Beitrag zur Abfederung des Hungers in den beiden Dörfern zu leisten.
Die bisherigen Aktivitäten haben zwar noch nicht zur Rückgabe des Landes geführt, aber vieles scheint in Bewegung gekommen. In Mali ist Modibo Keita erheblich unter Druck geraten – unter anderem durch zwei große Bauernversammlungen mit jeweils mehreren hundert Teilnehmer_innen im November 2014 und im April 2015 (Versammlungen haben in Mali den gleichen Status wie Großdemonstrationen hierzulande). In Deutschland hingegen wurde Afrique-Europe-Interact vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu einem zweieinhalbstündigen Treffen eingeladen, in dem insbesondere die Situation in Sanamadougou und Sahou besprochen wurde. Hintergrund ist, dass Deutschland mit 21,4 Prozent an einer malischen Entwicklungsbank beteiligt ist, die wiederum Modibo Keita insgesamt vier Kredite gegeben hat. Darüber hinaus hat Afrique-Europe-Interact bei diesem Gespräch erfahren, dass die Afrikanische Entwicklungsbank (an der Deutschland 4,1 Prozent Anteile hält) Modibo Keita im September 2014 nur unter zwei Bedingungen einen 16,8 Millionen-Euro-Kredit gewährt hat: Einerseits, dass in dieser Sache keine gerichtlichen Verfahren mehr anhängig seien, andererseits, dass die betroffenen Familien Entschädigungen erhalten hätten. Beides hat Modibo Keita bestätigt, beides ist jedoch unzutreffend, wie Afrique-Europe-Interact bei seinem jüngsten Delegationsbesuch im März erfahren hat. Konkreter: Der am 22. Februar 2012 begonnene Prozess ist nicht beendet, sondern seit Ende 2012 ausgesetzt, Entschädigungen haben lediglich 8 Familien akzeptiert – was auch insofern logisch ist, als ja die Dorfbewohner_innen keine Entschädigungen, sondern die Rückgabe ihres Landes fordern.
Vor diesem Hintergrund gilt es nun, den Druck zu erhöhen: Briefe an die Afrikanische Entwicklungsbank, die malischen Behörden und die deutsche Bundesregierung sind bereits geschrieben, wichtiger ist jedoch der Widerstand in Mali selbst. Denn Fakt ist, dass es letztlich die malische Regierung ist, die den Landraub mit einer einzigen Entscheidung rückgängig machen könnte – wenn sie nur wollte. Konkret hat daher die bäuerliche Basisgewerkschaft COPON (die Mitglied von Afrique-Europe-Interact ist) zusammen mit den Bewohner_innen von Sanamadougou und Sahou entschieden, ab dem 2. Juni ein unbefristetes Sit-In mit mehreren hundert TeilnehmerInnen durchzuführen, wobei der genaue Ort zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben werden soll. Ziel des Sit-in ist in erster Linie die Rückgabe des geraubten Landes an Sanamadougou und Sahou, es sollen aber auch die Kämpfe anderer Dörfer bzw. bäuerlicher Gruppen (wie z.B. der Baumwollbauern – und bäuer_innen) zur Sprache kommen – dies unter dem Slogan, das Office du Niger endgültig von seiner (post-)kolonialen Struktur zu befreien. Darüber hinaus wurde ein bekannter Menschenrechtsanwalt mit der Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens in Markala beauftragt.
Womit wir beim springenden Punkt angelangt wären: Die ab dem 2. Juni unbefristet laufende Aktion kostet mindestens 5.000 Euro – für die Fahrtkosten der Bauern und Bäuerinnen aus Sanamadougou und Sahou bzw. aus dem gesamten Office du Niger, für die Teilnahme von Aktivist_innen aus Bamako, für Essen, für Sonnenzelte, für Aktionsmaterialien und für Pressearbeit (denn in Mali müssen Medienberichte direkt bezahlt werden – quasi wie eine Dienstleistung). Wir möchten daher dringend zu Spenden für die Aktion aufrufen. Denn ohne eine solche Unterstützung wäre es für die Bewohner_innen von Sanamadougou und Sahou schlicht nicht möglich, das Sit-In auf öffentlichkeitswirksame Weise umzusetzen – jedenfalls nicht in einer Situation wie aktuell, in der selbst die Mittel für Nahrung und andere grundlegende Bedürfnisse fehlen.
Weitere Infos zu Sanamadougou und Sahou finden sich auf dieser Webseite unter dem Stichwort Landgrabbing stoppen!