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24.11.2014 | Sanamadougou und Sahou müssen bleiben: Landraub stoppen – in Mali und überall sonst!

Doppelkundgebung vor dem Bundeskanzleramt (24.11.) und vor dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (25.11.). Bilder, Bericht und Aufruf: siehe unten

Video zur Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt. Weitere Bilder und Bericht: siehe unten.

Bilder von der Doppelkundgebung

Bericht von der Doppelkundgebung

Zum zweiten Mal innerhalb innerhalb kurzer Zeit hat das transnationale Netzwerk Afrique-Europe-Interact am 24./25.11.2014 zu einer Doppelkundgebung in Berlin zur Unterstützung des Kampfes der beiden Dörfer Sanamadougou und Sahou in Mali aufgerufen (am 24.11. vorm Bundeskanzlermat und am 25.11. vorm Bundesministerium für Entwicklung). Denn beide Dörfer haben in den letzten 5 Jahren sämtliche ihrer landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Landgrabbing verloren – und das mit der Konsequenz, dass sich mittlerweile nur noch die Alternative stellt, entweder das Land zeitnah zurückzuerhalten oder aber die beiden Dörfer aufgeben zu müssen.

Ausgangspunkt der Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt war daher zunächst die Darstellung, was in Sanamadougou und Sahou in den letzten Jahren passiert ist. Konkret wurden dafür Auszüge aus einem Brief vorgelesen, den die beiden Dörfer im Juli an die malische Regierung geschickt haben (wobei hinzugefügt sei, dass es bereits seit Längerem einen sehr engen Kontakt zwischen Afrique-Europe-Interact und Sanamadougou und Sahou gibt, der vor allem von der malischen Sektion unseres Netzwerks getragen wird). Darüber hinaus wurde berichtet, dass durch die zahlreichen Proteste innerhalb und außerhalb Malis in den letzten Monaten (unter anderem die erste Doppelkundgebung in Berlin im August 2014) einiges in Bewegung gebracht werden konnte.

In einem zweiten Schritt wurde sodann auf die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft eingegangen (DEG) – eine hundertprozentige Tochter der komplett in öffentlicher Hand befindlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Denn die DEG hat (vermittelt über ihre Anteile von 21,4 Prozent an einer malischen Agrarbank) Kredite an den für das Landgrabbing in Sanamadougou und Sahou verantwortlichen Großunternehmer Modibo Keita gegeben. Konkret hat hierzu der Bundestagsabgeordnete der Linken Niema Movassat gesprochen, der hierzu bereits mehrere Anfragen an die Bundesregierung gestellt hat (mehr Infos hierzu an folgender Stelle auf dieser Webseite)

Und doch: Auch wenn die Solidarität mit den beiden Dörfern im Zentrum der Doppelkundgebung stand, geht es bei unseren Protesten immer auch um Landraub bzw. die Zerstörung kleinbäuerlicher Existenzgrundlagen insgesamt – ob in Mali oder irgendwo sonst auf der Welt. Vor diesem Hintergrund wurde in zwei weiteren Redebeiträgen näher darauf eingangen, wie und auf welche Weise bereits seit über 10 Jahren unterschiedliche Akteure wie die EU, Agrobusiness-Konzerne, Stiftungen und Think Tanks die noch stärkere Einbindung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in globale Weltmarktstrukturen vorantreiben – meist unter dem Vorwand, einen Beitrag zur Bekämpfung des Hungers in Afrika leisten zu wollen. Konkreter: In einem ersten Schritt ist ein Vertreter von inkota insbesondere auf die beiden Programme “German Food Partnership” und “Neue Allianz für Ernährungssicherheit” näher eingegangen, womit vor allem milliardenschweren Agrobusiness-Konzernen mit öffentlichen Geldern der Weg auf den afrikanischen Markt geebnet werden soll (vgl. die entsprechende Stellungnahme von Inkota). In einem weiteren Beitrag wurde dies von Peter Clausing vertieft, der den Blog Welt-Ernährung betreibt, unter anderem mit dem Hinweis, dass aus Sicht der hiesigen Agrobusiness-Strategen nur ein kleiner Teil der Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent als ökonomisch überhaupt relevant erachtet wird.

Schließlich: Neben landwirtschaftspolitischen Fragestellungen (bei denen es nicht nur um die Hälfte der Weltbevölkerung, sondern auch um grundlegende Fragen des Klimawandels geht) ist im letzten Teil der Kundgebung vor allem der Zusammenhang zwischen Ausbeutung und Zerstörung einerseits sowie Migration und EU-Migrationsregime andererseits zur Sprache gekommen – einmal mehr mit speziellem Fokus auf das Verhältnis zwischen afrikanischen Ländern und Europa.

Und noch etwas: Neben Redebeiträgen gab es auch eine äußerst beeindruckende Theaterperformance, in deren Zentrum der Widerstand der Bauern und Bäuerinnen in Sanamadougou und Sahou stand – einiges von der entsprechenden Stimmung lässt sich nicht nur den Bildern, sondern auch dem kurzen Videoclip entnehmen.

Jetzt noch ein kurzes Wort zur zweiten Kundgebung am Dienstag morgen zwischen 7 und 9 Uhr vor dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Auch hier waren nicht sonderlich viele Leute gekommen, allerdings ist es uns gelungen (und vor allem darum ging es) mit verschiedenen MitarbeiterInnen des Ministeriums ins Gespräch zu kommen und somit auch hier den Kampf der beiden Dörfer Sanamadougou und Sahou nachdrücklich zu platzieren, wobei hinzugefügt sei, dass wir bereits vor einiger Zeit einen offenen Brief an das Ministerium geschrieben haben, so wie auch offene Briefe an die malische Botschaft in Berlin sowie an diverse westliche Botschaften und malische Regierungsbehörden in Mali rausgegangen sind.

Aufruf zur Doppelkundgebung

Seit 5 Jahren kämpfen in Mali die Bewohner_innen der beiden Dörfer Sanamadougou und Sahou gegen die Vertreibung von ihren seit vorkolonialer Zeit genutzten landwirtschaftlichen Flächen. Trotz zahlreicher Proteste schien die brutale Enteignung lange unaufhaltsam. Umso erfreulicher ist es, dass sich seit einiger Zeit der Wind zumindest ansatzweise gedreht hat. Denn einerseits hat in dem westafrikanischen Land der öffentliche Druck gegen jedwede Form von Landraub deutlich zugenommen, andererseits hinterlassen auch transnationale Proteste ihre sichtbaren Spuren. So ist es (um nur ein Beispiel zu nennen) drei Wochen nach einer Solidaritätskundgebung vor der malischen Botschaft in Berlin und vorm Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu einem einstündigen Treffen zwischen dem malischen Premierminister und Bewohner_innen der beiden Dörfer gekommen. Und auch andere Akteure sind in eine gewisse Defensive geraten: So hat sich eine internationale Kommission für einen Besuch am 24. November angekündigt, wahrscheinlich Mitarbeiter_innen der Weltbank (die Bauern und Bäuer_innen wurden über die genaue Zusammensetzung nicht informiert), die sich vor Ort über die sozialen und ökologischen Auswirkungen der von ihr unter anderem in Mali gezielt geförderten agroindustriellen Landwirtschaft informieren möchten.

In diesem Sinne ruft das transnationale Netzwerk Afrique-Europe-Interact erneut zu Protesten in Berlin auf – d.h. parallel zu besagter Delegation. Denn Hunger wird weiterhin systematisch produziert, auch wenn die Europäische Union zusammen mit vielen anderen Akteuren der internationalen Bühne Ernährungssicherheit zu einem zentralen Ziel erklärt hat. Hintergrund ist, dass Afrika seit mehr als 10 Jahren immer stärker in die Mühlen des globalen Agrobusiness gerät – wozu auch systematisch gefördertes Landgrabbing gehört, insbesondere für den Anbau von Agrospritpflanzen. Millionen haben hierdurch ihre Existenzgrundlagen verloren, der Hunger nimmt vielerorts zu und nicht ab, und selbst der Ausbruch der Ebola-Krise hat hiermit ein Stück weit zu tun (unter anderem, weil durch Landgrabbing die Menschen in Ländern wie Sierra Leona oder Liberia verstärkt auf Ebola-infiziertes Wildfleisch aus den Wäldern zurückgreifen mussten). Wenn wir also von Sanamadougou und Sahou reden, geht es um mehr als zwei Dörfer – es geht vielmehr um die Zukunft der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Afrika. Betroffen sind die Existenzgrundlagen Hunderter Millionen Menschen, insofern erscheint uns das Kanzleramt als passender Adressat unseres Protests.

Wie widersprüchlich die entsprechende Politik ist, lässt sich ebenfalls am Beispiel von Sanamadougou und Sahou zeigen: Einerseits unterstützt die deutsche Entwichlungszusammenarbeit durchaus sinnvolle (mehr oder weniger erfolgreich umgesetzte) Bewässerungsprojekte für Kleinbauern und bäuer_innen in Mali – auch in der Region der beiden Dörfer. Andererseits unterhält die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) 21,4 Prozent der Anteile an der malischen Agrarentwicklungsbank Banque Nationale de Développement Agricole, die ausgerechnet jenem Unternehmer in den letzten Jahren zwei Kreditlinien gewährt hat, der für den Landraub in Sanamadougou und Sahou verantwortlich ist. Das aber ist vor allem deshalb skandalös, weil die DEG-Bank eine hundertprozentige Tochter der bundes- un landeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau ist (KFW) – entsprechend ist die Bundesregierung stets mit vier Mitgliedern im Aufsichtsrat der DEG vertreten.

Kurzum: Vieles spricht dafür, auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eindringlich aufzufordern, sich im Rahmen seiner so genannten Entwicklungspartnerschaft mit Mali für eine Politik einzusetzen, die an den Interessen und Rechten der Bauern und Bäuerinnen orientiert ist – daher die morgendliche Aktion am 25. November.

Mehr Informationen zu Landgrabbing im Allgemeinen und zur Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) im Besonderen finden sich auf dieser Webseite an folgender Stelle