„Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg. Über ein vergessenes Kapitel der Geschichte“
Zeit und Ort: 1. bis 23. September 2014 in der Unteren Rathaushalle (Markplatz Bremen), Öffnungszeiten: Täglich 11 bis 19 Uhr, Eintritt frei.
Die Ausstellung
Über 20 Millionen Soldaten aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Ozeanien haben im Zweiten Weltkrieg gekämpft, um die Welt vom deutschen und italienischen Faschismus bzw. vom japanischen Großmachtwahn zu befreien. Viele von ihnen wurden in den damaligen Kolonien zwangsrekrutiert. Allerdings haben nur die wenigsten nach dem Krieg Pensionen oder Opferrenten erhalten. Gleichzeitig dienten weite Teile der kolonialisierten Welt als Schlachtfelder sowie Bezugsorte für kriegswichtige Rohstoffe und Nahrungsmittel. Entsprechend hoch waren die Opferzahlen: Allein China hatte mehr Opfer zu beklagen als Deutschland, Italien und Japan zusammen, und auf den Philippinen mussten während der japanischen Besatzungszeit über 1 Millionen Menschen ihr Leben lassen, davon 100.000 bei Luftangriffen auf Manila. Hinzu kamen Hunderttausende Frauen, die vergewaltigt oder als Zwangsprostituierte verschleppt wurden – unter anderem 200.000 in japanische Militärbordelle.
Afrikanische Kolonialsoldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft
Solche und viele weitere Fakten werden in der europäischen Öffentlichkeit bis heute weitgehend ausgeblendet. Die Ausstellung „Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ verändert dies. Sie macht Schluss mit einer eurozentristischen Geschichtsschreibung, in der die Opfer der damaligen Dritten Welt nichts zählen. Im Zentrum steht stattdessen eine globale Perspektive, die nicht nur hierzulande unbekannte Zusammenhänge aufzeigt, sondern auch Chronologien und Gewichte verschiebt: Beispielsweise war der Überfall Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 lediglich der Tag, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa begonnen hat. Demgegenüber hatte in Afrika der Zweite Weltkrieg bereits 1935 mit dem Angriff Italiens auf das bis dahin unabhängige Äthiopien seinen Anfang genommen – mit 150.000 toten Zivilist_innen allein in den ersten sieben Kriegsmonaten. Kurzum: Die Ausstellung klärt auf. Sie macht unter anderem verständlich, weshalb der berühmte (in der Ausstellung ebenfalls zitierte) Historiker Joseph Ki-Zerbo aus Burkina Faso den Zweiten Weltkrieg als „größten historischen Einschnitt für Afrika seit dem Sklavenhandel und der Zerstückelung des afrikanischen Kontinents bei der Berliner Kongo-Konferenz im Jahre 1884/1885“ bezeichnet.
Boucle du Doubs, Nordfrankreich, Oktober 1944, Afrikanische Kolonialsoldaten beim Winterfeldzug
„Dritte Welt“ in der Debatte
Der Begriff „Dritte Welt“ ist schon lange in die Kritik geraten – spätestens mit Entstehung der Eine-Welt-Bewegung. Denn er behandelt völlig unterschiedliche Länder von Afrika bis in den Pazifik als Einheit, zudem scheint er diese sprachlich zwei Positionen unter der „Ersten Welt“ einzuordnen. Dennoch haben sich die Ausstellungsmacher_innen für die Verwendung dieses Begriffs entschieden – und das aus zwei Gründen: Zum einen, weil auch alternative Begriffe wie „Peripherie“, „Trikont“ oder „Entwicklungsländer“ mit ähnlichen Problemen behaftet sind. Zum anderen, weil es ursprünglich der algerische Befreiungstheoretiker Frantz Fanon war, der in seinem berühmten Buch „Die Verdammten dieser Erde“ die Bezeichung „Dritte Welt“ in Anlehnung an den „dritten Stand“ der Unterdrückten im feudalen Frankreich eingeführt hat: „Die Dritte Welt steht heute als eine kolossale Masse Europa gegenüber; ihr Ziel muss es sein, die Probleme zu lösen, die dieses Europa nicht hat lösen können.“ Mit anderen Worten: Die Ausstellungsmacher_innen teilen zwar die Bedenken an dem Begriff der Dritten Welt, weisen aber darauf hin, dass der abwertenden Lesart ein handfestes Missverständnis zugrundeliegt. Denn aus Sicht von Frantz Fanon handelt es sich um eine emanzipatorische Bezeichnung, ja um eine Art globalen Klassenbegriff, der den antikolonialen Befreiungsbewegungen den Rücken stärkt.
Ausstellungskatalog
Als Ausstellungskatalog steht das vom Rheinischen JournalistInnenbüro und Recherche International e.V verfasste Buch „Unsere Opfer zählen nicht – Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ zur Verfügung, aus dem die Ausstellung ursprünglich hervorgegangen ist (444 Seiten, 415 Fotos). Es entstand auf der Grundlage langjähriger Recherchen und zahlreicher Interviews mit Veteranen, Zeitzeug_innen und Historiker_innen in 30 Ländern. Das in zahlreichen Rezensionen hochgelobte Buch wurde im Juli 2005 von 24 Kritiker_innen zum Buch des Monats gewählt. Darüber hinaus ist 2012 die zweite Auflage der Unterrichtsmaterialien zur Ausstellung erschienen – mit Hintergrundtexten, Fotogalerien, Zeittafeln, Karten und persönlichen Erinnerungen (236 Seiten).
Afrikanische Kolonialsoldaten der britischen Streitkräfte beim Training.
Zum Besuch der Ausstellung
Die Wanderausstellung „Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ wurde von dem in Köln ansässigen Verein Recherche International e.V. konzipiert und war seit ihrer Eröffnung 2009 in mehr als 40 deutschen und schweizerischen Städten zu sehen. Sie besteht aus Text- und Bildtafeln, Landkarten, Videodokumentationen und Hörstationen, an denen die Erinnerungen von Zeitzeug_innen mit deutscher Übersetzung zu hören sind. Das Kriegsgeschehen wird getrennt nach Kontinenten dargestellt, in zwei weiteren Abteilungen werden zudem die beiden Themen „Judenverfolgung außerhalb Europas“ und „Kollaboration von Politikern aus der Dritten Welt mit den faschistischen Achsenmächten“ präsentiert. Die Ausstellung kann in Gänze oder getrennt nach einzelnen Kontinenten bzw. Themenblöcken angeguckt werden. Sie richtet sich an ein allgemeines Publikum, insbesondere auch an Schulklassen.
Führungen finden regelmäßig statt, gerne auch in Kooperation mit Schulen. Dafür bitte an den gewerkschaftlichen Bildungsträger „Arbeit und Leben e.V.“ wenden: info@aulbremen.de, Telefon: (0421) 96089 – 0. Weitere Informationen zur Ausstellung finden sich auf der Webseite der Ausstellung: www.3www2.de/.
Förderer der Ausstellung
Die Erstellung und Koordination der Ausstellung sowie die Internetseite des Projekts wurden gefördert von:
Organisatoren & Förderer
Die Ausstellung in Bremen (inklusive Begleitprogramm) werden von folgenden Akteuren organisiert:
- Arbeit und Leben Bremen e.V.
- BeN – Bremer Entwicklungspolitisches Netzwerk e.V.
- biz – Bremer Informationzentrum für Menschenrechte und Entwicklung
- mate ni kani e.V.
- Afrika-Netzwerk Bremen
- Afrika-FreundInnen e.V.
- City 46 – Kommunalkino Bremen e.V.
- Rosa-Luxemburg-Initiative – Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bremen
- Afrique-Europe-Interact
Das Projekt wird finanziell unterstützt von:
- Stiftung Die Schwelle
- Bundesprogramm Toleranz Fördern – Kompetenz stärken