Das Begleitprogramm – mit Fokus Afrika

Eröffnungsveranstaltung
Dienstag, 2. September, 19 Uhr, Untere Rathaushalle. Mit Appolinaire Apetor-Koffi, Alioune Niang, Karl Rössel und Renate Raschen als Repräsentantin der Senatorin für Bildung und Wissenschaft

In der Eröffnungsveranstaltung berichten Bremer_innen afrikanischer Herkunft darüber, wann und wo sie das erste Mal mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Berührung gekommen sind und ob sich ihr Verhältnis hierzu verändert hat, nachdem sie in Europa angekommen sind. Im Anschluss wird Karl Rössel – als einer der Ausstellungskurator_innen – nicht nur über die Entstehung der Ausstellung berichten, sondern auch über die Geschichte des Projekts selbst: Wie ist die Ausstellung an den unterschiedlichen Orten aufgenommen worden, welche Debatten wurden angestoßen, wo ist es zu einem Wechselspiel mit tagespolitischen Ereignissen gekommen? Im Anschluss wird die Möglichkeit bestehen, sich einen ersten Eindruck von der Ausstellung zu verschaffen.

Spielfilm: Tage des Ruhms
Sonntag, 7. September, 17:30 Uhr, Kommunalkino City 46, Birkenstr. 1. Regie: Rachid Bouchareb, Algerien/Marokko/Frankreich/Belgien 2006. OF franz./arab. m.dt.UT, 119 Minuten

Der algerische Regisseur Rachid Bouchareb erzählt die Geschichte von vier Kolonialsoldaten der französischen Streitkräfe im Zweiten Weltkrieg: von ihrer Rekrutierung in Nordafrika bis zu ihren Kämpfen gegen die deutsche Wehrmacht in Italien, der Provence und schließlich in einem abgelegenen elsässischen Dorf. Mit großartigen Schauspielern, die beim Filmfestival in Cannes 2007 kollektiv als beste männliche Hauptdarsteller ausgezeichnet wurden, wird von der weitgehend vergessenen Beteiligung Zehntausender afrikanischer Soldaten bei der Befreiung Frankreichs von der Naziherrschaft berichtet. Aufnahmen von französischen Friedhöfen, auf denen afrikanische Gefallene begraben sind, sowie von erbärmlichen Wohnheimen, in denen Veteranen aus dem Maghreb, die in Frankreich geblieben sind, bis in die Gegenwart leben müssen, verweisen auf die Geschichtsvergessenheit in Europa und die bis heute anhaltende Diskriminierung der Kolonialsoldaten in Frankreich.

Ruanda: Weiterleben nach dem Genozid
Dienstag, 9. September, 19 Uhr, Überseemuseum, Bahnhofsplatz 13. Mit Esther Mujawayo

Esther Mujawayo wurde 1958 in Ruanda geboren. Sie ist Soziologin und arbeitete bis 1996 für die Entwicklungsorganisation Oxfam. Beim Völkermord in Ruanda 1994, den sie und ihre drei kleinen Töchter überlebten, wurden ihr Ehemann und der größte Teil ihrer Familie getötet. Eine ihrer Zufluchtstationen war das Hôtel des Mille Collines, das durch den Film Hotel Ruanda weltweit bekannt wurde. Nach dem Genozid gründete sie u.a. gemeinsam mit anderen Witwen die Organisation AVEGA, seit 2001 arbeitet sie als Traumatherapeutin im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf. In ihrem Vortrag wird Esther Mujawayo – ausgehend von ihren beiden Büchern zum Völkermord – über die Herausforderung des Weiterlebens berichten, angefangen davon, „zum Leben verdammt zu sein“, bis zu ihrer Entscheidung zum „lebendigen Leben“ – einschließlich der Auseinandersetzung mit den Tätern. Sie wird aber auch über die historischen Hintergründe des Völkermords sprechen. Unter anderem darüber, dass die sozialen Kategorien „Tutsi“ und „Hutu“ erst unter der deutschen Kolonialherrschaft in Ruanda (1899-1919) ethnisiert bzw. rassistisch aufgeladen und sodann 1934 von der belgischen Kolonialmacht in die Ausweispapiere eingetragen wurden. In ihrer kritischen Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus wird auch der Zusammenhang zur Ausstellung deutlich. Denn die im Zweiten Weltkrieg praktizierte Zwangsrekrutierung von Soldaten in Afrika, die verschärfte Ressourcenausbeutung oder die Zurichtung der Landwirtschaft auf Exportbedürfnisse der kriegsführenden Industrieländer wäre ohne Kolonialismus nicht möglich gewesen.

Kongo: Wege aus der Ausbeutungs- und Gewaltspirale
Donnerstag, 11. September, 19 Uhr, DGB-Haus, Bahnhofsplatz 22-28. Mit Boniface Mabanza Bambu und Emmanuel Mbolela

Nicht nur das Uran für die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki stammte aus dem Kongo, auch ansonsten hat das Land mit seinen zahlreichen Bodenschätzen eine zentrale Rolle für die Kriegswirtschaft der alliierten Truppen gespielt. Damit setzte sich im Zweiten Weltkrieg die rücksichtslose Ausplünderung und Zerstörung des Kongo fort, die bereits mit der Sklaverei zu Beginn des 16. Jahrhunderts begonnen und bei der Kongokonferenz 1884/1885 in Berlin forciert wurde. Doch nicht nur das: Auch nach dem Zweiten Weltkrieg stand der Kongo im Zentrum brutaler Interessenpolitik. Zunächst durch die 32-jährige, insbesondere von den USA aktiv unterstützte Mobutu-Diktatur, sodann im Zuge der vier Kongokriege zwischen 1996 und 2012. Grausame Konsequenz waren nicht nur Millionen Tote und Vertriebene, sondern auch eine in Trümmern liegende Infrastruktur sowie ein systematisch zerstörtes Staatswesen. In der Veranstaltung soll vor allem beleuchtet werden, wie es zu dieser beispiellosen Serie von Ausbeutung und Gewalt hat kommen können. Darüber hinaus werden praktische Lösungsansätze zur Debatte gestellt – auch mit Blick darauf, welche Rolle Entwicklungszusammenarbeit zukünftig spielen könnte.

Emmanuel Mbolela wurde 1973 in Mbuji-Mayi im Zentrum der Demokratischen Republik Kongo geboren. 2002 musste er das Land aus politischen Gründen verlassen, seit 2008 lebt er in den Niederlanden. Er ist aktiv im Netzwerk Afrique-Europe-Interact, im Mai 2014 ist sein Buch „Mein Weg vom Kongo nach Europa. Zwischen Widerstand, Flucht und Exil“ erschienen.

Boniface Mabanza Bambu, Dr. theol., studierte Philosophie, Literaturwissenschaften und Theologie in Kinshasa. Er ist Koordinator der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) in Heidelberg. Im Herbst erscheint sein neues Buch „Elemente einer Theologie des Lebens aus kongolesischer Perspektive“.

Aitape, Papua Neuguinea, August 1944: Auf Befehl weißer Offiziere mussten die Insulaner alles, was die kriegführenden Armeen brauchten, über glitschige Pfade ins umkämpfte Gebirge Neuguineas schleppen.

Aitape, Papua Neuguinea, August 1944: Auf Befehl weißer Offiziere mussten die Insulaner alles, was die kriegführenden Armeen brauchten, über glitschige Pfade ins umkämpfte Gebirge Neuguineas schleppen.

Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen – Eine Lebensgeschichte
Samstag, 13. September, 17 Uhr, Überseemuseum, Bahnhofsplatz 13 Eine Lesung mit Marianne Bechhaus-Gerst (Köln)

Der Sudanese Mahjub bin Adam Mohamed ließ sich 1914 als Söldner (Askari) der Kolonialtruppe in Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, anwerben. Ende 1929 kam er als Kolonialmigrant nach Deutschland. Er arbeitete als Kellner im Hotel Kempinski, beteiligte sich als Kiswahili-Lehrer am Orientalischen Seminar an den Bestrebungen, die deutschen Kolonien zurückzugewinnen, und spielte in den dreißiger Jahren kleinere Rolle in mehr als 20 Spielfilmen. Mahjub bin Adam Mohamed war ein von sich und seiner Ausstrahlung überzeugter Lebenskünstler, der sich nicht scheute, die im Deutschen Reich mit dem Mythos vom „treuen Askari“ verbundenen Emotionen für sich auszunutzen. Trotz der Bedrohung durch das nationalsozialistische Regime blieb er im Land und legte sich sogar mit den Behörden an. 1941 wurde der Unbeugsame zum Schweigen gebracht, indem man ihn ohne Prozess in das Konzentrationslager Sachsenhausen einwies, wo er drei Jahre später starb. In ihrem Buch „Treu bis in den Tod“ erzählt Marianne Bechhaus-Gerst die außergewöhnliche Familien- und Lebensgeschichte dieser afrikanisch-deutschen Persönlichkeit.

Marianne Bechhaus-Gerst ist Professorin für Afrikanistik an der Universität zu Köln

Dokumentarfilm: Blutsbrüder – Soldaten des Empires
Sonntag, 14. September, 17:30 Uhr, Kommunalkino City 46, Birkenstr. 1. Regie: Bernard Simon, Frankreich 2008, OF franz. m. dt. UT, 90 Minuten

Der Film erzählt die Geschichte der Rekrutierung von Soldaten in Afrika durch die Kolonialmacht Frankreich, die schon vor 150 Jahren unter Napoleon III. begann. Aus dieser Zeit stammt auch die Bezeichnung „Tirailleurs Sénegalais“, mit der die Franzosen seitdem all ihre Kolonialsoldaten aus Ländern südlich der Sahara titulierten, auch wenn diese – wie Hunderttausende im Ersten und Zweiten Weltkrieg – nicht aus dem Senegal stammten. In abgelegenen Gegenden West- und Zentralafrikas hat der Regisseur Veteranen aufgespürt, die bis zur Unabhängigkeit ihrer jeweiligen Länder in den 1960er Jahren für Frankreich Kriegsdienste leisteten, darunter auch solche, die 1944 in Tunesien, in Italien, auf der Insel Elba und bei der Befreiung Europas von der Naziherrschaft dabei gewesen waren. Der Film rückt ihre Einsätze in den Kontext der Kolonialgeschichte.

Der Zweite Weltkrieg als Herausforderung gemeinsamer Erinnerungsarbeit
Donnerstag, 18. September, 19 Uhr, Überseemuseum, Bahnhofsplatz 13 Mit Jacob Emmanuel Mabe und Charlotte Wiedemann

„Die durch den Sklavenhandel und Kolonialismus geschlagenen Wunden haben sich sehr tief ins Gedächtnis der Afrikaner eingegraben“, so der Politikwissenschaftler und Philosoph Jacob Emmanuel Mabe. Allerdings hat Europa dafür bislang kaum Verantwortung übernommen, weshalb viele Intellektuelle in Afrika dem Projekt eines kollektiven afrikanisch-europäischen Gedächtnisses misstrauen. Ähnlich die Journalistin Charlotte Wiedemann: Sie fragt, ob es ein „multipolares Geschichtsverständnis“ geben kann. In ihrem viel diskutierten Buch „Vom Versuch, nicht weiß zu schreiben“ spricht sie daher von der Notwendigkeit, „einen Blick auf die Welt zu werfen, der sich von der Enge des Eurozentrismus befreit.“ In der Veranstaltung wird es um die Frage gehen, unter welchen Voraussetzungen die Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Afrika zum Gegenstand einer „gemeinsamen Erinnerungsarbeit“ (Jacob Emmanuel Mabe) werden kann. Eine Herausforderung, die auch für die alltägliche Entwicklungszusammenarbeit bedeutsam ist, stellt doch ein gemeinsames Verständnis von Geschichte eine der zentralen Voraussetzungen dafür dar, die vielfach geforderte Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen Afrika und Europa wirklich mit Leben zu erfüllen.

Dr. Dr. Dr. habil. Jacob Emmanuel Mabe, geboren in Mandoumba/Kamerun, ist Professor für Philosophie u.a. an der Freien Universität Berlin und Herausgeber der ersten Afrika-Enzyklopädie in deutscher Sprache. In seinen zahlreichen Veröffentlichungen beschäftigt er sich u.a. mit der Rehabilitierung mündlicher Überlieferung im Geschichtsdenken.

Charlotte Wiedemann ist Journalistin und Autorin. Sie schreibt u.a. für Le Monde diplomatique, Die ZEIT und die taz. im September erscheint ihr neues Buch „Mali oder das Ringen um Würde. Meine Reisen in einem verwundeten Land“.

Dokumentarfilm: „63 Jahre später…“
Sonntag, 21. September, 17:00 Uhr, Kommunalkino City 46, Birkenstr. 1. Kim Dong-Won, Südkorea 2008, 60 Minuten, OF m. dt. UT

Mit bewegenden Interviews und beeindruckendem Archivmaterial dokumentiert der Film die sexuelle Versklavung Hunderttausender Frauen durch die japanischen Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs in Asien und der Pazifikregion (1937-1945). Beispielhaft werden fünf Betroffene aus China, Korea, den Philippinen und den Niederlanden vorgestellt (die indonesischen Inseln waren bis zum japanischen Einmarsch eine niederländische Kolonie). Die von den japanischen Besatzern zynisch als «comfort women» («Trostfrauen») titulierten Überlebenden berichten von ihrer Verschleppung, ihrem qualvollen Alltag in den Militärbordellen und ihrem Leben in den 63 Jahren danach. Der Film wurde 2008 mit dem Asia Pacific Screen Award als beste Dokumentation ausgezeichnet und erhielt weitere Auszeichnungen auf internationalen Festivals.