Bamako und Niono: Bäuerliche Vollversammlung (Berichte & Bilder)

Mai 2014

Mehrmals sind im Jahr 2014 Delegationen von Afrique-Europe-Interact ins Office du Niger gefahren, um gemeinsam mit VertreterInnen verschiedener Dörfer – darunter Kourouma, Koyan Koura, Sanamadougou und Saou – einen bereits seit längerem ins Auge gefassten Protestmarsch von Bauern und Bäuerinnen (mit-)vorzubereiten. Am 19.05.2014 hätte es so weit sein sollen – konkret wurden nach einem intensiven Vorbereitungsprozess 500 bis 1.000 Bauern und Bäuerinnen in Niono zu einer eintägigen Vollversammlung mit abschließendem Marsch in Erinnerung an die Opfer von Landgrabbing erwartet (unter Beteiligung von 100 AktivistInnen von Afrique-Europe-Interact aus Bamako). Doch die malischen Behörden haben diesem Plan einen Strich durch die Rechnung gemacht. Konkret wurde das Projekt gerade mal 36 Stunden vorher unter fadenscheinigen Gründen verboten. Vor diesem Hintergrund musste kurzfristig umdisponiert werden: Statt einer Vollversammlung in Niono sind 55 BauernvertreterInnen nach Bamako gekommen und haben dort einen Tag in Gegenwart mehrerer JournalistInnen diskutiert.

Im Folgenden sind Bilder von der Vollversammlung in Bamako sowie der Spendenaufruf für die geplanten Aktivitäten in Niono sowie das Protestfax an die malische Botschaft dokumentiert. Zwei Zeitungsartikel über die Aktivitäten finden sich in der französischen Version dieser Webseite.

Bilder von der (Ersatz-)Vollversammlung in Bamako am 21.05.2014

Ursprünglicher Spendenaufruf für die Aktion in Niono

Vor rund 4 Jahren ging es hierzulande mit einem wahren Boom an Infos über Landgrabbing los – erwähnt seien unzählige Artikel bzw. Themenschwerpunkte, Veranstaltungen, Filme, Bücher, Konferenzen oder auch die eine oder andere Aktion auf der Straße. Das war natürlich gut so, denn auf diese Weise sind in kurzer Zeit viele Menschen auf jenen seit Beginn der Finanzkrise 2008 explosionsartig angewachsenen Ausverkauf fruchtbarer (Acker-)Böden an Banken, Investmentfonds und Konzerne aufmerksam geworden, der im Süden des Globus für mehrere Hundert Millionen Kleinbauern und -Bäuer_innen, Fischer_innen und Viehhirt_innen über kurz oder lang den Verlust ihrer Existenzgrundlagen bedeutet bzw. bedeuten wird.

Gleichzeitig gilt aber auch, dass es sich bislang vor allem um ein medial verankertes Strohfeuer gehandelt hat: Das ist bekannt, geändert hat sich aber kaum etwas – auch wenn es zu einer gewissen Abkühlung im Verkaufstempo gekommen sein soll. Konkreter: Nicht nur die strukturellen Ursachen sind weiterhin wirksam, insbesondere die gesetzlich vorgeschriebenen Beimischungsquoten für so genanntes Biodiesel, der stetig wachsende Bedarf an Futtermitteln für die agrarindustrielle Fleischproduktion, der Verlust fruchtbarer Böden durch Klimawandel und Urbanisierung sowie die Spekulation mit Land auf den internationalen Finanzmärkten. Nein, auch für die Bauern und Bäuer_innen spitzt sich die Lage stetig zu: Einerseits, weil es weiterhin zu Enteignungen kommt, andererseits, weil Enteignung oder Vertreibung keineswegs ein einmaliger Akt sind. Vielmehr bedeutet der Verlust des bearbeiteten Landes den dauerhaften Verlust der eigenen Existenzgrundlage – und das mit der Konsequenz, dass die betroffenen Familien ganz oder teilweise in die Städte abwandern oder in die internationale Migration gehen müssen. Hinzu kommen die dramatischen Konsequenzen für das globale Klima und die ökologischen Ressourcen – wahlweise durch die agrarindustrielle Bearbeitung des geraubten Landes oder die Umwandlung von CO2-absorbierenden Wald- und Grünlandflächen in Ackerland.

Das transnationale Netzwerk Afrique-Europe-Interact unterstützt daher Bauern und Bäuer_innen in Mali, die für angemessene Entschädigungen und gegen weitere Vertreibungen kämpfen. Organisiert wird der Protest in erster Linie von der malischen Sektion von Afrique-Europe-Interact und von den betroffenen Bauern und Bäuer_innen selbst (wobei einige der Betroffenen bereits bei Afrique-Europe-Interact aktiv sind). Konkret ist geplant, in Niono, einer 270 Kilometer nordöstlich von der Hauptstadt Bamako gelegenen Provinzstadt im Office du Niger, eine zweitägige Versammlung inklusive Demonstration mit ca. 200 bis 300 VertreterInnen aus verschiedenen Dörfern durchzuführen (auch unter Beteiligung einer 6-köpfigen Delegation der europäischen Sektion von Afrique-Europe-Interact). Dabei soll es zum einen um kleinteiliges Landgrabbing durch korrupte Beamte gehen (gemeint ist die Konfiszierung von Land bei nicht-gezahlten Wasserrechungen), zum anderen um den großflächigen Ausverkauf von Land an global operierende Investoren. Zentraler Bezugspunkt wird dabei das auch international bekannt gewordene Dorf Sanamadougou sein. Bereits im Juni 2010 wurden dort Bauern und Bäuer_innen durch einen 20.000-Hektar-Deal ihrer für die Agroforstwirtschaft unverzichtbaren Karité-Bäume beraubt. Mittlerweile ist das Dorf von drei riesigen Bewässerungskanälen umzingelt, so dass die BewohnerInnen 20 bis 30 Kilometer entfernte Flächen bearbeiten müssen. All dies ist bestens bekannt, doch geschehen ist so gut wie nichts. Die Bauern und Bäuer_innen wollen daher nunmehr in die Offensive gehen und sich ebenfalls an den in Niono geplanten Aktivitäten in großer Zahl beteiligen.

Doch nicht nur in Niono bzw. im gesamten Office du Niger (einem fruchtbaren, vom Nigerwasser gespeisten Binnendelta) soll der Widerstand gestärkt werden. Geplant ist auch, den Protest im Office du Niger mit demjenigen in Falea zu verknüpfen und damit einen Beitrag zur Vernetzung des überregionalen Widerstands zu leisten. Denn in der 500 Kilometer von Niono entfernten Gemeinde Falea im äußersten Südwesten Malis ist ebenfalls Landgrabbing in großem Stil geplant. Allerdings nicht, um Agrospritpflanzen oder Exportgetreide anzubauen. Vielmehr soll in Falea ab 2016 (oder später) auf einer riesigen Fläche von 150 Quadratkilometern oberirdischer Uranabbau erfolgen. Würde das Projekt tatsächlich in die Tat umgesetzt werden (nachdem die Probebohrungen mittlerweile fast abgeschlossen sind), wären davon rund 17.000 Menschen in 21 Dörfern betroffen. Konkret ist daher vorgesehen, die Demo in Niono im Rahmen eines vorher stattfindenden Delegationsbesuches in Falea als Vernetzungsplattform zu nutzen. Denn in Falea hat sich in den letzten Jahren ebenfalls ein starker, nicht zuletzt lokal verankerter Widerstand gegen das Uranprojekt entwickelt.

Einziger Haken: Widerstand kostet Geld, das ist in arm gemachten Gesellschaften wie Mali noch krasser als hierzulande. Denn allein eine 2 bis 3-tägige Fahrt in ein 70 Kilometer entferntes Dorf (was beispielsweise der Strecke zwischen Sanamadougou und Niono entspricht), ist etwas, was sich die Bauern und Bäuer_innen nicht aus eigener Tasche leisten können. Aber auch AktivistInnen in Bamako oder in Falea haben nicht die finanziellen Mittel, um sich in größerem Stil zu vernetzen, obwohl auch in Mali gilt, dass ohne Vernetzung und somit Koordinierung der vielfältigen lokale Proteste nicht jene 'kritische' Masse aufgebaut werden kann, die erforderlich ist, um wirklich nachhaltige Erfolge durchsetzen zu können. Hinzu kommt, dass auch Infrastruktur und Öffentlichkeitsarbeit Geld kosten, letzteres auch deshalb, weil in Mali für öffentliche Berichterstattung ganz normal gezahlt werden muss, quasi als Eigenbeteiligung an der Aufrechterhaltung der medialen Infrastruktur.

Lange Rede, kurzer Sinn: Das in dieser Mail skizzierte Aktionspaket kostet ca. 8.000 Euro, deshalb möchten wir hiermit zu Spenden aufrufen. Konkreter: Ungefähr die Hälfte des Geldes ist gedeckt, die andere suchen wir noch. In diesem Sinne ist jeder Betrag erwünscht, ob klein oder groß. Insgesamt hoffen wir, dass mit den nunmehr angedachten Aktivitäten die Entstehung eines neuen Widerstandszyklus in Mali mitunterstützt werden kann. Denn die Voraussetzungen dafür sind insgesamt gut, auch deshalb weil verschiedene Akteure (darunter auch Afrique-Europe-Interact) in den letzten Jahren zahlreiche kleinere und größere Vernetzungen und Projekte angestoßen haben (nachdem in den Jahren 2008 bis 2011 diverse Proteste durch niedrigschwellige, aber effektive Repression im Keim erstickt wurden). Was Falea anbelangt, hoffen wir zudem, dass es kurz- bis mittelfristig gelingt, möglichst viele Menschen aus der hiesigen Anti-Atombewegung für den transnationalen Widerstand gewinnen zu können (denn die Uhr tickt!). Unter anderem wird derzeit vorsichtig an der Idee gesponnen, in Falea eine Art Mini-Anti-Atomcamp zu organisieren. Eine Aktion, über die im Mai im Rahmen der schon erwähnten Delegationsfahrt von Afrique-Europe-Interact nach Falea ebenfalls gesprochen werden soll.

Jetzt zum eingangs angekündigten Danke-Schön-Geschenk: Wer auf das unten stehende Konto von Afrique-Europe-Interact eine steuerlich absetzbare Spende überweist, wird auf Wunsch das Ende Mai frisch aus der Druckerei kommende Buch des Afrique-Europe-Interact-Aktivisten Emmanuel Mbolela erhalten (bitte Adresse mitteilen), das unter dem Titel „Mein Weg vom Kongo nach Europa. Zwischen Widerstand, Flucht und Exil “ erscheinen wird: http://www.mandelbaum.de/books/764/7508

Name: Globale Gerechtigkeit e.V.
Kontonummer: 2032 237 300
Bank: GLS Gemeinschaftsbank
BLZ: 430 609 67
IBAN: DE67 4306 0967 2032 2373 00*
BIC: GENODEM1GLS

Protestfax an malische Botschaft in Deutschland gegen das Verbot bäuerlicher Proteste in Niono (Office du Niger) am 19.05.2014

Sehr geehrte Frau Botschafterin,

wie Sie unten stehender Pressemitteilung der malischen Sektion des transnationalen Netzwerks Afrique-Europe-Interact entnehmen können, hätten sich heute bis zu 1.000 Bauern und Bäuerinnen in Niono im Office du Niger zu einer Protestaktion gegen Landvertreibungen („l'accaparement des terres“) versammeln sollen. Obwohl die Aktion gemäß den gesetzlichen Vorgaben angemeldet wurde, haben die zuständigen Behörden die geplante Bauernversammlung mit anschließendem Protestmarsch kurzfristig verboten. Begründet wurde das Verbot vor allem mit der angespannten Lage in Kidal sowie sozialen Spannungen unter den Bauern und Bäuerinnen. Beide Gründe sind offensichtlich vorgeschoben, denn Kidal ist rund 1.400 Kilometer entfernt und Interessengegensätze unter Bauern und Bäuerinnen sind völlig normal. Vor diesem Hintergrund möchte ich meine Empörung über diese massive Verletzung grundlegender Menschen- und Bürgerrechte zum Ausdruck bringen. Sie ist nicht nur an sich unakzeptabel. Sie lässt vielmehr auch erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit aufkommen, mit der die nach den Präsidentschaftswahlen im August 2014 in Aussicht gestelle stärkere Beteilung der Bürger und Bürgerinnen tatsächlich umgesetzt wird.

Um so wichtiger ist mir, auf diesem Wege meine ausdrückliche Unterstützung für die nunmehr unterbundenen Proteste zu erklären. Besonders dramatisch erscheint mir dabei die Situation der beiden Dörfer Sanamadougou und Sao, deren Bewohner und Bewohnerinnen ebenfalls an den heutigen Aktivitäten in Niono hätten beteiligt sein sollen. Denn beide Dörfer sind seit 2010 schrittweise eines Großteils ihrer Ackerflächen beraubt worden – ein Sachverhalt, der sowohl in Mali als auch international bestens bekannt ist. Verantwortlich für die Landvertreibungen in Sanamadougou und Sao ist der malische Großinvestor Modibo Keita. Offiziell gibt das Unternehmen vor, auf einer Fläche von 30.000 Hektar Kartoffeln anbauen und somit einen Beitrag zur Ernährungssicherheit in Mali leisten zu wollen. Doch diese Behauptung ist offensichtlich unwahr. Denn 30.000 Hektar würde der Hälfte der Fläche entsprechen, die in Deutschland für den Anbau von Kartoffeln gebraucht wird. Hinzu kommt, dass Modibo Keita die Erlaubnis zur Bebauung der Fläche auf Basis einer Umweltverträglichkeitsprüfung erhalten hat, in der die Existenz der beiden Dörfer schlicht ignoriert wird [Anmerkung der Redaktion: Die Hektarangaben haben sich in mehrfacher Hinsicht als falsch entpuppt: Richtig ist, dass Modibo Keita zwar einen Vertrag über bis zu 27.400 Hektar abgeschlossen hat, dass er bislang aber nur einen Bruchteil davon bebaut und dass der Anbau von Kartoffeln derzeit ruht – Stand: August 2014].

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie, verehrte Botschafterin, um zweierlei dringend bitten: Sich einerseits bei den zuständigen Behörden im Office du Niger dafür einzusetzen, dass die mittlerweile um 2 Wochen verschobene Aktion tatsächlich ungehindert stattfinden kann. Andererseits auf eine wohlwollende und engagierte Prüfung der von den Bauern und Bäuerinnen formulierten Kritikpunkt hinzuwirken. Hierzu gehört insbesondere, dass ein Überleben der beiden Dörfer Sanamadougou und Sao zu gewährleisten ist. Konkret erfordert dies erstens eine sofortige Rückgabe der geraubten Flächen, zweitens die finanzielle Unterstützung der Rückkehr derjenigen Familien, die Sanamadougou in den letzten beiden Jahren bereits verlassen mussten und drittens Entschädigungen für die Verluste und Verletzungen der Bewohner und Bewohnerinnen (wozu leider auch mehrere Vergewaltigungen durch malische Sicherheitskräfte, ungesetzlichen Inhaftierungen und mindestens ein Todesfall gehören).

Darüber hinaus möchte ich meine Absicht erklären, die Aktivitäten der Bauern und Bäuerinnen im Officue du Niger weiterhin aufmerksam zu verfolgen. In diesem Sinne werde ich auch die Kampagne unterstützen, die sich ab 15. Juni in Deutschland bzw. Europa zugunsten der Rettung von Sanamadougou et Sao einsetzen wird.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für ihre Aufmerksamkeit und verbleibe mit freundlichen Grüßen,

XY

Bamako, Mali – Mai 2014

Réseau Afrique- Europe Interact: www.afrique-europe-interact.net

Pour la Justice sociale et le développement équitable

Dans le cadre des activités de soutien aux couches sociales vulnérabilisées et pour informer les opinions sur les problématiques socio- politiques qui amplifient l’immigration et les déplacements forcées ; la Section Mali du réseau AEI a initié diverses missions d’exploration dans l’Office du Niger. L’objectif en était de mieux comprendre la situation après plusieurs années de luttes menées au sujet des évictions des paysans et de communications sur les expropriations des terres aux profits des promoteurs agro- industriels et des consortium représentant les intérêts des pays dits- amis du Mali.

Ces missions ont écouté les paysans qui travaillent sur les périmètres agricoles ; observé les aspects d’impacts des différentes formes d’accaparements des terres et évalué le poids des charges (eau, intrants) d’exploitation sur les conditions de vie des populations locales vivant dans les villages de la zone. Dans cet exercice d’échanges sur les préoccupations actuelles des paysans et d’observations sur les effets des pratiques de spéculations foncières dans les zones concernées ; un constat général a émergé sur l’insuffisance d’informations des paysans sur les dispositions régissant l’office du Niger et sur la méconnaissance des diverses situations vécues par les différentes populations villageoises. Les paysans de l’office du Niger ne se connaissent pas entre- eux et les villageois n’ont aucune idée des situations vécues par d’autres zones à cause de l’éloignement et par manque de sensibilisation.

La volonté citoyenne des membres de la Section Malienne de soutenir les paysans et l’engagement militant à accompagner les populations affectées pour la recherche de solutions politiques ont servi de levier pour approfondir les contacts avec les concernés et pour adopter ensemble une initiative d’actions au bénéfice du plus grand nombre. Les activités du 19 Mai 2014 se situent dans cette perspective de mobilisation des paysans pour se connaitre mutuellement et partager les expériences des uns avec les autres sur les diverses situations dans l’office du Niger afin de créer un front commun de luttes pour le mieux –être des populations villageoises. Pour dénoncer abus d’autorités subis par les paysans et revendiquer les droits coutumiers des populations locales face aux violations.

Cette journée militante est axée sur une Assemblée Paysanne Populaire et une marche symbolique à la mémoire des personnes victimes mortes sur le parcours des revendications sociales sur les terres. En rappel des évènements tragiques de bastonnades nocturnes, d’emprisonnements arbitraires et de pollutions qui ont occasionné de nombreuses pertes de vie humaine dans les villages contestataires.

De Diabaly à Sanamadougou et Sao en passant par Kimbiri- Wèrè, Kourouma et Koya- Koura ; les centaines de paysans, les femmes villageoises et les jeunes se mobilisent pour écrire leur histoire.
La section Mali de AEI veut faire bouger les lignes et enclencher la dynamique de l'activisme citoyenne sur les questions des droits des victimes du capital et des accords qui portent conséquences aux conditions de vie des populations locales.