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Albtraum Uranabbau. Wachsender Widerstand gegen drohenden Uranabbau in Mali

Erschienen in der 4-seitigen taz-Beilage von Afrique-Europe-Interact im November 2013

Die Wahrheit kam nur scheibchenweise ans Licht: Bereits 1970 hat der französische Atomkonzern Areva – damals noch Cogema – in der Region Falea im äußersten Südwesten Malis Uran-, Kupfer- und Bauxitvorkommen entdeckt. Im Jahre 2007 erhielt die kanadische Firma „Delta Exploration“ von der malischen Regierung eine Konzession für den Abbau dieser Rohstoffe – ein Recht, das sie kurz darauf an die ebenfalls in Kanada registrierte Firma „Rockgate Capital“ weiterverkaufte. Betroffen sind 21 Dörfer auf einem Hochplateau mit reichhaltigen Wasserressourcen und einzigartiger Biodiversität im Grenzgebiet zu Guinea und Senegal.

Zentrales Dilemma: Bei den Konzessionen handelt es sich um Geheimverträge, wie sie auch in der Goldförderung oder beim Ausverkauf fruchtbarer Acker- und Weideflächen (Stichwort: Landgrabbing) gang und gäbe sind. Konkreter: Die Dorfältesten bzw. die gewählten Gemeinderäte wurden entgegen der gesetzlichen Bestimmungen nicht informiert, geschweige denn beteiligt. Ohne Rücksprache entstand 2008 direkt beim Gesundheitszentrum eine neue Flugpiste. Seither werden im Abstand von 200 Metern Gesteinsproben aus bis zu 300 Meter tiefen Bohrlöchern entnommen und einmal pro Woche zur Erstellung einer geologischen Kartographie nach Südafrika ausgeflogen. Ergebnis dieser Überrumpelungsstrategie war, dass sich die DorfbewohnerInnen buchstäblich zur Ahnungslosigkeit verdammt sahen. Und doch nahm die allgemeine Verunsicherung zu. Denn Tiere verendeten an nicht verschlossenen Bohrlöchern, aus denen uranhaltiges Wasser sickerte, schweres Gerät beschädigte heilige Orte und Kultstätten, später wurde sogar einer der Dorfbrunnen durch die für die Kernbohrungen verwendeten chemischen Präparate verseucht, mit der Konsequenz, dass Frischwasser eigens in einem Tankwagen herbeigeschafft werden musste.

Das ist der Grund, weshalb der bereits 2002 gegründete Dorfverein ARACF (Verein der Ehemaligen und FreundInnen der Gemeinde Falea) im Jahr 2010 einige seiner in der Hauptstadt Bamako lebenden Mitglieder um Unterstützung bat. Diese erlangten sodann durch Recherche auf der Webseite von Rockgate Capital erstmalig Kenntnis über den in Falea geplanten Uranabbau, stießen dabei jedoch auf einen weiteren, nicht minder beunruhigenden Sachverhalt: Außer dem Bergbauministerium wusste niemand in der Regierung Bescheid. Weder die Strahlenschutzbehörde noch das für die obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung zuständige Umweltministerium waren involviert. Eigenständige Recherchen waren insofern erforderlich, denn nur so konnte Gewissheit über das tatsächlich drohende (Alptraum-)Szenario erzielt werden: Ab 2016 soll auf einer Fläche von mindestens 150 Quadratkilometern die Erde bis auf dreihundert Meter Tiefe abgetragen und durch gigantische Mühlwerke staubfein zermahlen werden – als Voraussetzung dafür, das Uran mittels Grundwasser und ätzenden Giften herausfiltern zu können. Was das konkret bedeutet, ist aus dem Nachbarland Niger hinlänglich bekannt, wo Areva bereits seit über 40 Jahren Uran abbaut: Radioaktiv verseuchte Abraumhalden, Absenkung der Grundwasserspiegel und tödliche Gesundheitsgefahren durch den radioaktiven Staub. Erwähnt sei daher, dass laut Greenpeace bereits ein einstündiger Aufenthalt auf offener Straße im nigrischen Arlit mit der von der Weltgesundheitsorganisation als zulässig erachteten Jahreshöchstdosis an Strahlenbelastung einhergeht. Besonders skandalös: Auch nach dem von großen Teilen der Bevölkerung ausdrücklich begrüßten Putsch gegen den langjährigen Präsidenten Amadou Toumani Touré im April 2012 wurden freigiebig Konzessionen durch die von der EU und der Westafrikanischen Wirtschaftsunion installierte Übergangsregierung in Bamako erteilt. Eine Praxis, die verständlich machen dürfte, weshalb größere Teile der bislang tonangebenden politischen Klasse bei den Präsidentschaftswahlen im Juli 2013 eine schallende Ohrfeige erhalten haben.

Um so vielversprechender ist, dass der Widerstand gegen den in Falea geplanten Uranabbau seit 2010 erheblich an Schwung gewonnen hat, insbesondere durch die enge Kooperation zwischen dem ARACF und dem Europäischen BürgerInnenforum (EBF), von dem einzelne Mitglieder auch bei Afrique-Europe-Interact aktiv sind: Dank finanzieller Unterstützung – unter anderem durch die Stadt Genf – wurden eine radiologische Nullpunktstudie zur Messung des natürlichen Urangehalts realisiert, Schulungen organisiert, eine Satellitenschüssel für Telefon und Internet installiert und seit Juli 2011 ein lokales Radio in Betrieb genommen, das in vier Sprachen vielfältig informiert: Etwa über das malische Bodengesetz, die konkreten Mitspracherechte der BürgerInnen oder die nicht eingelösten Entwicklungsversprechen bei der Goldförderung. Im März 2012 organisierte der ARACF zudem in Kooperation mit den „ÄrztInnen gegen den Atomkrieg“ (IPPNW) und dem „uraniumnetwork“ eine internationale Konferenz in Bamako unter dem Titel „Uran, Gesundheit und Umwelt“. Ergebnis dieser und weiterer Bemühungen war, dass der Widerstand immer breiter getragen wurde. So haben sich alle 12 Bürgermeister in der Region Falea schriftlich gegen den Uranabbau ausgesprochen. Denn die Menschen wissen mittlerweile um dessen ökologische, soziale und gesundheitliche Gefahren. Und somit auch um den Zynismus der beteiligten Firmen, die zwar ihre eigenen Arbeiter aus Europa bzw. Nordamerika umfassend geschützt, afrikanische Beschäftigte indes noch nicht einmal über die Strahlenbelastung an den Bohrlöchern unterrichtet haben. Vor diesem Hintergrund dürfe es auch kaum überraschen, dass sich die Regierung inzwischen gezwungen sieht, mit dem ARACF zusammenzuarbeiten, anstatt diesen – wie noch in den ersten Jahren – öffentlich zu diffamieren.

Seitens des ARACF werden aktuell zwei Strategien verfolgt: Zum einen die Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Falea durch die gezielte Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen, beispielsweise durch die ins Auge gefasste Anschaffung einer Spezialzentrifuge, die es erlauben würde, bei der handwerklichen Goldgewinnung auf den ökologisch und gesundheitlich hochgradig gefährlichen Einsatz von Quecksilber zu verzichten. Zum anderen die Durchführung wechselseitiger Delegationsreisen zwischen Falea und den Uranabbaugebieten im Niger. Auf diese Weise soll eine im Mai 2014 geplante Volksbefragung in Falea inhaltlich vorbereitet werden – ein Projekt, das rechtlich nicht bindend ist und daher um so mehr Wirkung entfalten dürfte, je größer die internationale Begleitung ausfällt. Und doch: So beeindruckend, ja visionär das Kaleidoskop des Widerstands in Falea ist, erreicht wurde bislang wenig Handfestes. Denn spätestens in drei Jahren soll mit dem Abbau von Uran in Falea begonnen werden. Um so wichtiger ist eine weitere Stärkung des Widerstands, nicht zuletzt aus Europa. Denn mit der schrittweisen Umwandlung von Falea in eine unbewohnbare Mondlandschaft würden knapp 20.000 Menschen ihre Existenzgrundlagen verlieren und obendrein das Wassereinzugsgebiet des Senegalstroms empfindlich gestört werden. Konsequenz wäre, dass etliche der Vertriebenen die gefährliche Reise nach Europa antreten müssten. Ein Teufelskreis, der nicht zuletzt von der europäischen Rohstoff- und Migrationspolitik am Laufen gehalten wird – aller bigotten Entwicklungsrhetorik zum Trotz, wie sie nach den jüngsten Schiffsunglücken vor Lampedusa einmal mehr zu hören war.