08. September 2020 | Was bremst die Corona-Pandemie in Afrika? (dlf)
Schwache Gesundheitssysteme, Hygieneprobleme, Armut: COVID-19 würde in Afrika zu einer Katastrophe führen, da waren sich Fachleute im Frühjahr einig. Aber die Epidemie hat sich dort viel langsamer entwickelt als in Europa oder Amerika. Ein Grund dafür könnte ein besser trainiertes Immunsystem sein. Bitte hier klicken um zum Originalbeitrag zu kommen
Vergangene Woche wurden in Afrika nur noch 55.000 Neuinfektionen gemeldet, so John Nkengasong, Präsident der Afrikanischen Zentren für Gesundheitsvorsorge.
„Das entspricht einem Rückgang um 14 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Eine Million Menschen sind genesen. Das sind gute Nachrichten für den Kontinent.“
Das liegt wohl auch daran, dass das Immunsystem der Menschen in Afrika besonders effektiv reagiert, vermutet die Parasitologin Maria Yazdanbakhsh von der Universität Leiden.
Große Belastung mit Erregern und Parasiten
„Da gibt es Riesenunterschiede zwischen Europäern und Afrikanern. Viele denken, das hat mit der Genetik zu tun, aber das stimmt nicht. Wenn wir uns Menschen in den ländlichen Gegenden im Senegal ansehen, dann reagieren sie ganz anders als die in der Hauptstadt Dakar. Und das hat mit der großen Belastung mit Erregern und Parasiten zu tun.“
Die vielen Krankheiten Afrikas, Masern, Durchfallviren, Malaria, Parasiten sind für viele tödlich, aber sie trainieren auch das Immunsystem. Diese Theorie vertreten viele Forscher. Maria Yazdanbakhsh hat diese Effekte gemeinsam mit Forschern aus dem Senegal und aus Gamba bereits früher in Blutproben aus Afrika untersucht und konnte ganz spezifische Effekte nachweisen.
„Wenn man viele Infektionen hat, bildet man mehr der sogenannten virtuellen Gedächtniszellen, die stärker und schneller auf neue Infektionen reagieren.“
Virtuelle Gedächtniszellen stärken die Abwehr generell
Anders als normale Gedächtniszellen sind die virtuellen Gedächtniszellen nicht auf einen bestimmten Erreger spezialisiert, sie stärken die Abwehr generell. So könnten sie auch dazu beitragen, dass SARS-CoV-2 in Afrika weniger Menschen infizieren konnte. Aber auch unter denen, die COVID-19 entwickeln, ist in Afrika der Verlauf milder, das zeigt eine aktuelle Studie aus Kenia. Hier, so vermutet Maria Yazdanbakhsh, spielt ein früherer Befall mit Parasiten eine Rolle.
„Dies Parasiten dämpfen die Immunreaktion, um in ihrem menschlichen Wirt zu überleben. SARS-CoV-2 führt bei manchen Menschen zu massiven Entzündungen, an denen die Leute sterben. Und diese Entzündungen könnten schwächer sein bei Menschen, die schon Parasiten hatten.“
Ähnliche Effekte auch in Indien?
Das zumindest ist die Theorie von Maria Yazdanbakhsh. Sie konnte bereits nachweisen, dass der Befall mit parasitischen Würmern die Monozyten verändert, sie reagieren weniger aggressiv, eher entzündungshemmend. Wie sich das auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 auswirkt, wird gerade in Gabun, im Senegal und in Äthiopien untersucht. Ähnliche Effekte könnten auch bei der rasant wachsenden COVID-19 Epidemie in Indien eine Rolle spielen. Das asiatische Land zählt mit über 4,2 Millionen Infektionen inzwischen weltweit nach den USA die zweitmeisten COVID-19-Fälle. Es sind dort auch schon mehr als 70.000 Menschen an SARS-CoV-2 gestorben. Trotzdem liegt die Sterblichkeit in Afrika im weltweiten Vergleich niedrig. Maria Yazdanbakhsh sieht hier eine große Chance.
„Wenn wir verstehen, welcher Aspekt der Immunantwort in Afrika die Infektion effektiv kontrolliert und Todesfälle verhindert, dann können wir auch die Impfstoffe verbessern.“
Reaktion, aber nicht Überreaktion des Immunsystems
Die Arbeiten von Maria Yazdanbakhsh liefern hier erste Hinweise. Aber konkrete Vorschläge können sie und ihre afrikanischen Kollegen erst machen, wenn die Daten ihrer neuen Studie vorliegen. Ein optimierter Impfstoff wäre gerade für Afrika selbst entscheidend.
„Die vielen regulatorischen Immunzellen in Afrika helfen, eine Überreaktionen auf SARS-CoV-2 zu kontrollieren. Auf der anderen Seite braucht man die Immunreaktion bei einem Impfstoff, sonst funktioniert er nicht. Das ist ein echtes Problem. Was wollen wir?“
Ein Impfstoff für Afrika muss eine starke Immunantwort auslösen, um SARS-CoV-2 abzuwehren. Aber er darf dabei nicht die regulatorischen Zellen beeinträchtigen, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.