27. März 2020 | Afrika erwartet wirtschaftliche Talfahrt wegen COVID-19 (Deutsche Welle)
Die Welt bereitet sich auf eine wirtschaftliche Rezession von gewaltigem Ausmaß vor. Afrika versucht, die Auswirkungen abzumildern. Viel wird davon abhängen, wie dem am stärksten gefährdeten Kontinent geholfen wird. Von Cristina Krippahl. Bitte hier klicken, um zum Orginalbeitrag zu kommen
Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed hat die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) gedrängt, Afrika bei der Bewältigung der Corona-Krise zu helfen. Sie sollten einen Schuldenerlass erleichtern und Soforthilfen in Höhe von 150 Milliarden USD (138 Milliarden Euro) bereitstellen.In einer in der Hauptstadt Addis Abeba veröffentlichten Erklärung heißt es, die Pandemie stelle “eine existenzielle Bedrohung für die Wirtschaft afrikanischer Länder dar”. Tatsächlich hat das alte Sprichwort “Wenn der Westen niest, bekommt Afrika einen Schnupfen”, mit der rasanten Verbreitung des neuartigen Coronavirus eine neue Bedeutung erlangt. Wie stark die Pandemie die afrikanische Wirtschaft schädigen wird, ist derzeit noch unklar.
Abhängig von internationalen Investitionen
“Über eine ganze Reihe sehr wichtiger Faktoren haben wir keinerlei Kontrolle”, sagte Jakkie Cilliers vom südafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien (ISS) der DW. Das seien unter anderem der nahende Winter auf der Südhalbkugel und die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in Afrika.
Ebenso unklar ist, wie sich die Krise auf stark gefährdete Gruppen auswirken wird: auf die Bewohner von Slums, die dicht gedrängt zusammenleben oder, besonders im südlichen Afrika, auf die hohe Zahl der Menschen, die an der Immunschwäche HIV oder Tuberkulose leiden.
Neben den direkten Auswirkungen wird Afrika auch an den globalen Folgen der Krise besonders leiden, glaubt Cilliers, der beim ISS die Forschungsgruppe “Afrikanische Zukunft und Innovation” leitet. Nicht nur der Zusammenbruch des Handels mit China werde Afrika treffen. Afrikas Volkswirtschaften hingen auch sehr stark von ausländischen Direktinvestitionen und Rohstoffexporten ab.
Solidarität könnte lange auf sich warten lassen
Die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika (ECA) warnt davor, dass die weltweite Krise das ohnehin stagnierende Wachstum Afrikas ernsthaft beeinträchtigen könnte. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) könnte sich halbieren und das Wachstum von 3,2 Prozent auf etwa zwei Prozent sinken. Ölexportnationen wie Nigeria und Angola drohten, bei weiter sinkenden Rohölpreisen Einnahmen von bis zu 65 Milliarden US-Dollar (59 Milliarden Euro) zu verlieren.
Schon fordert der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, weltweite Solidarität. “Die Erholung darf nicht auf Kosten der Ärmsten gehen – und wir können keine Legion neuer Armer schaffen.” Doch Analyst Cilliers bezweifelt, dass die Länder, die mit ihrer eigenen Situation beschäftigt sind, dem Kontinent schnell zu Hilfe kommen werden. “Die Herausforderungen sind groß und Afrika würde so viel Hilfe brauchen, dass die internationale Gemeinschaft nur in begrenztem Umfang schnelle Hilfe leisten könnte.”
In einem Exklusivinterview mit der DW betont Carlos Lopes, der Repräsentant der Afrikanischen Union bei der EU, dass die Wirtschaft in Afrika schon vor Beginn der Pandemie Probleme hatte. Die Situation werde sich zwangsläufig verschlechtern. “Die Auswirkungen des Coronavirus verursachen nicht nur einen erheblichen Einbruch bei Logistik und Transport, sondern auch einen drastischen Rückgang im verarbeitenden Gewerbe.”
Lopes fürchtet auch, dass unter dem schrumpfenden Welthandel auch der Tourismus leidet, der in Afrika viele Arbeitsplätze schafft. Schon jetzt stehen Tausende Hotels und Gästehäuser in beliebten Safari-Destinationen leer. Selbst wenn der Tourismus nicht in allen Ländern eine große wirtschaftliche Bedeutung habe, so sei er für einige Staaten doch essentiell. Entscheidend seien dabei weniger die Auslandstouristen. All diese Umstände machten es möglich, schon jetzt vorauszusagen, dass die Inlandsnachfrage einbrechen wird, die “zwei Drittel des afrikanischen Wachstums ausgemacht hat”, so Lopes
Aufruf zum Schuldenerlass
Der Verlust von Arbeitsplätzen und Einkommen ist ebenso leicht vorhersehbar. Angesichts der hohen Schuldenlastvieler afrikanischer Nationen haben sie keinen Spielraum, auf einen solchen wirtschaftlichen Schock zu reagieren und gleichzeitig ihre Kredite zu bedienen.
Der äthiopische Premierminister Abiy schlägt daher vor, die Zinsen für Staatskredite “abzuschreiben” und damit einen Teil der “Schulden von Ländern mit niedrigem Einkommen” zu tragen. Bereits am Montag hatten die afrikanischen Finanzminister 100 Milliarden US-Dollar (92 Milliarden Euro) für “sofortige wirtschaftliche Notmaßnahmen” gefordert.
In der Zwischenzeit müsse Afrika sofort handeln, um das Schlimmste abzuwehren, fordert AU-Vertreter Carlos Lopes. “Zum Beispiel sollten die Zentralbanken aller Länder, die dazu in der Lage sind, Konjunkturprogramme für die Wirtschaft auflegen.” Das ist Afrika vom Internationalen Währungsfonds (IWF) eigentlich nicht erlaubt. “Aber in diesem Zusammenhang ist es möglich”, so Lopes.
Der südafrikanische Analyst Jakkie Cilliers sieht das skeptisch: “Unsere Fähigkeiten sind ziemlich begrenzt. Viele afrikanische Länder haben Probleme. Wir haben nicht die Ressourcen, die Konjunkturprogramme aufzulegen, die wir anderswo auf der Welt sehen.”
Mitarbeit: Braima Darame