29. März 2020 | Togo: Die Corona-Krise in einem totalitär und unsozial regierten Land

Dieser Text ist auf izindaba erschienen – einer Infoplattform, die ebenfalls Mitglied bei Afrique-Europe-Interact ist.

Am 27. März 2020 gibt es laut John Hopkins Universität 25 bestätigte vom Corona-Virus infizierte Menschen in Togo, wovon eine/r bereits wieder genesen ist; Verstorbene gibt es nicht. (1)

Wie hoch die Zahl der positiven Fälle von an Covid-19”-Erkrankten tatsächlich ist, weiß angesichts des desolaten Gesundheitssystems niemand.

Am 20. März traten folgende Beschränkungen der sozialen Kontakte in Kraft:

  • Zweiwöchige Schließung aller Landgrenzen für Menschen, nicht für den Warenverkehr.
  • Schließung bestimmter Städte, darunter Lomé, Aného, Tsévié, Kpalimé und Sokodé mit strengen Kontrollen an den Zufahrtsstraßen.
  • Versammlungsverbot von mehr als 100 Menschen.
  • Überwachung der individuellen und kollektiven Präventions- und Schutzmaßnahmen: Händewaschen mit Seife, Verwendung von hydro-alkoholischem Gel, kein Händeschütteln bei der Begrüßung, Vermeidung von Umarmungen und Küssen usw.
  • Verbot der Strandnutzung entlang der Küste.
  • Schließung von Gotteshäusern, Kirchen und Moscheen für einen Monat.
  • Schließung aller öffentlichen, privaten und konfessionellen Schulen, Primar-, Sekundar- und Universitätsschulen für einen Zeitraum von drei Wochen.
  • An Beerdigungen und Begräbnissen sollen bis auf weiteres nicht mehr als 15 Personen teilnehmen.
  • Alle Anbieter auf den Märkten werden verpflichtet, Schutzmasken zu tragen.
  • Kulturelle und sportliche Massenaktivitäten werden bis auf weiteres ausgesetzt.
  • Die sofortige Schließung von Diskotheken auf dem gesamten Staatsgebiet.

Zur Situation im Land

Außerdem wurde die Bevölkerung aufgerufen, zuhause zu bleiben und den ambulanten Handel einzustellen. Aber das kann sich niemand leisten. Denn der Großteil der Togoer*innen lebt von selbstständigen informellen Tätigkeiten oder als Tagelöhner*in im öffentlichen Raum, und das „von der Hand in den Mund“: eine Mutter, die früh am Morgen aufsteht, um sich auf den Weg zum Markt zu machen und sich an ihren üblich Platz zu stellen, wo sie ihre Waren bis zum Einbruch der Dunkelheit verkauft, oder der Mopedtaxi-Fahrer (zémidjan), der sehr früh um 5 oder 6 Uhr das Haus verlässt, vielleicht für eine Mittagspause heimkehrt, um dann bis in die Nacht hinein Passagiere zu suchen.

Staatliche Lohnausfallhilfen gibt es nicht. So sind die Menschen gezwungen, das Haus auf eigenes Risiko zu verlassen und ihren Beschäftigungen nachzugehen – um zu überleben. Trotzdem sind sie sich der durch den Corona-Virus hervorgerufenen Risikos bewusst und sind beunruhigt, aber sie sagen sich: besser an Corona sterben als verhungern.

Zugleich versuchen die Togoer*innen die angeordneten hygienischen Vorsichtsmaßnahmen zu befolgen. Beispielsweise tragen Viele Atemschutzmasken, die 500 CFA (2) kosten, und eigentlich nur einmal benutzt werden sollen. Inzwischen werden von den vielen im Land als Schneider*innen Arbeitenden einfache Stoffmasken genäht, die nur 100 CFA kosten und die abends gewaschen und dann wiederverwendet werden.

Darüber hinaus offenbart die Corona-Krise einmal mehr den katastophalen Zustand des togoischen Gesundheitssystems, das zu den schlechtesten der Welt gehört. Eine allgemeine Krankenversicherung gibt es wie in fast allen subsaharischen Ländern nicht.

Alle haben Angst, in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden, weil befürchtet wird, dort aus anderen Gründen als dem Virus zu sterben.

Das gerade erst durch massive und offensichtliche Manipulationen der Präsidentschaftswahlen am 22. Februar 2020 – aber ebenso durch die stille Unterstützung insbesondere der EU – an der Macht gehaltene Regime des Gnassingbé-Clans hat auch in den letzten 15 Jahren Regentschaft des Faure Gnassingbé nichts für die Sanierung des Gesundheitssystems getan.

Die Krankenhäuser in Togo sind “Mouroirs” (Sterbeanstalten), so die Bloggerin Fabbi Kouassi, und weiter:

„Vor einigen Jahren haben die Angehörigen der Gesundheitsberufe die Zahl der Streiks, die bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen fordern, vervielfacht, ohne Erfolg. Den Krankenhäusern fehlt es an allem. Ausrüstung, Personal, finanzielle Ressourcen. Schlimmer noch, manchmal fehlen die grundlegendsten Produkte wie Alkohol, Äther, Betten, Handschuhe, fließendes Wasser usw.. Es fehlt alles oder fast alles.“ (3)

Ein Land wie Togo, das nicht einmal eine Minimum an Gesundheitsstrukturen mit durchschnittlichen Standards aufweise, könne Covid-19“ nicht effektiv und effizient kontrollieren. Es sei besser, nicht in einem togoischen Krankenhaus zu landen, so das Gebet der einfachen Bürger*in. Für Viele töte der Virus der 54-jährigen Diktatur mehr als Covid- 19“.

Die Forderungen des medizinischen Personals, das sich in der Gewerkschaft Syndicat des Praticiens Hospitaliers du Togo (SYNPHOT) organisiert, nach Bereitstellung von Pflege- und Schutzausrüstung (Masken, Anzüge, Handschuhe, hydroalkoholische Lösungen…), therapeutischen Mitteln im Falle von Komplikationen, insbesondere Sauerstoff-Atemgeräten und generell einer besseren Ausstattung der Gesundheitszentren werden von der Regierung ignoriert.

Während das Gnassingbé-Regime hinsichtlich der dringend zu ergreifenden Maßnahmen zur Sanierung des maroden Gesundheitssystems analog seiner vorgeblichen demokratischen Verfassung eine reine Fassadenpolitik betreibt, indem substanziell nichts geändert, sondern bloß die Bevölkerung zu verändertem Verhalten in der Corona-Krise aufgefordert wird, profitiert es (vorerst) politisch vom Virus.

Denn durch das wegen Corona angeordnete Versammlungsverboten von mehr als 100 Personen sind politische Demonstrationen automatisch verboten und können nicht stattfinden.

So wurden alle Protestaktionen, die sich u.a. gegen die Manipulationen der Präsidentschaftswahlergebnisse vom 20. Februar richten sollten, abgesagt. Die Überlagerung der allgemeinen Empörung über die diesmal extrem dreisten Ergebnisfälschungen durch Covid-19‘‘ kommt dem Regime äußerst gelegen.

Falls jedoch der Virus aufgrund des absolut unterfinanzierten Gesundheitssystems viele Familien und Gemeinschaften letztlich tödlich treffen sollte, würde dieses so unangreifbar wirkende Machtsystem sicherlich weitere Risse bekommen.

(1) https://fabbikouassi.wordpress.com/

(2) etwa 80 Cent, etwa 50.000 CFA braucht mensch im Monat zum Überleben

(3) https://fabbikouassi.wordpress.com