Für Bewegungsfreiheit & selbstbestimmte Entwicklung!

Nachwort von Afrique-Europe-Interact

Als Afrique-Europe-Interact freuen wir uns, dass wir mit “Die Suchenden” bereits das zweite Buch herausgeben dürfen – nach dem 2014 erschienen Buch “Mein Weg vom Kongo nach Europa. Zwischen Widerstand, Flucht und Exil” von Emmanuel Mbolela. Dafür möchten wir in erster Linie dem Romanautor und Dichter Rodrigue Péguy Takou Ndie danken, der wie Emmanuel Mbolela bei Afrique-Europe-Interact aktiv ist. Unser Dank geht aber auch an den Unrast-Verlag für die wertschätzende Zusammenarbeit, an die beiden Übersetzerinnen Inga Frohn und Lena Müller, die das Buch wunderbar übersetzt haben, und an die Stiftung Umverteilen, die die Übersetzung finanziert hat.

Afrique-Europe-Interact ist ein transnational organisiertes Netzwerk, das 2009 gegründet wurde. Beteiligt sind Basisaktivist_innen in ganz verschiedenen Ländern, unter anderem in Mali, Burkina Faso, Guinea, Marokko, Österreich, Deutschland und den Niederlanden. Neben politischen und praktischen Interventionen ist Aufklärungs- und Bildungsarbeit ein weiterer zentraler Baustein unserer Arbeit. Auf europäischer Seite ist es uns daher besonders wichtig, afrikanische Perspektiven sichtbar zu machen – sei es durch Veranstaltungsrundreisen mit Aktivist_innen aus unterschiedlichen afrikanischen Ländern, sei es durch Filme, Interviews oder eben Bücher. Denn Fakt ist, dass die Analysen und das künstlerische Schaffen afrikanischer Akteur_innen viel zu selten Gehör in hiesigen Auseinandersetzungen finden. Das hat unterschiedliche Gründe, unter anderem eine vorurteilsbeladene, mitunter rassistische, bis in die Kolonialzeit zurückreichende Haltung, die Menschen aus afrikanischen Ländern schlicht weniger ernst nimmt. Hinzu kommt, dass die deutsche bzw. europäische Asylpolitik Geflüchtete und Migrant_innen derart unter Druck setzt, dass viele gar nicht die Kraft haben, das von ihnen Erlebte literarisch, analytisch oder anderweitig zu verarbeiten. Ausnahmen sind Aktivist_innen wie Rodrigue Péguy Takou Ndie und Emmanuel Mbolela. Zugleich gibt es aber auch europäische Autor_innen, die die Perspektiven von Migrant_innen ernst nehmen. Einer von ihnen ist der taz-Journalist Christian Jakob, der in seinem Buch “Die Bleibenden” die Geschichte der Geflüchtetenproteste seit den 1990er Jahren rekonstruiert, nicht zuletzt auf Basis vieler Einzelportraits. Entsprechend freuen wir uns, dass sich Christian Jakob bereit erklärt hat, das Vorwort zu diesem Buch zu verfassen.

Wie bereits bei Emmanuel Mbolelas autobiographischen Erlebnisbericht zeichnet sich der vorliegende Roman dadurch aus, dass er Geflüchtete und Migrant_innen nicht von ihrer Geschichte abschneidet, so wie das in der europäischen Öffentlichkeit oftmals der Fall ist, im Übrigen auch in antirassistischen Kreisen. Stattdessen setzt sich der Roman intensiv mit der politischen und sozialen Situation in einem nicht näher bestimmten Land in Afrika auseinander – einschließlich der Frage, welche unterschiedlichen Gründe es sind, die Menschen aufbrechen lassen. Für Afrique-Europe-Interact ist dieser Brückenschlag elementar, denn unser Netzwerk ist auf beiden Kontinenten aktiv. Wir fordern nicht nur das Recht zu gehen, sondern auch zu bleiben, also unter würdigen und selbstbestimmten Bedingungen in der jeweiligen Herkunftsregion leben zu können.

“Die Suchenden” ist der erste in Deutschland veröffentlichte Roman von Rodrigue Péguy Takou Ndie. Umso mehr würden wir uns freuen, wenn dies der Anstoß für weitere Übersetzungen seines literarischen Schaffens wäre, insbesondere des 2015 in Frankreich erschienen Romans “Die Bürde unserer Väter” (Le fardeau de nos pères), in dem sich unser Mitstreiter mit dem Widerstand gegen die deutsche Kolonialmacht im ehemaligen Deutsch-Ostafrika auseinandersetzt. Denn die Geschichte des deutschen Kolonialismus ist hierzulande immer noch weitgehend unaufgearbeitet, geschweige denn, dass entsprechende afrikanische Perspektiven in einer breiteren Öffentlichkeit präsent wären.