Rede von Ousmane Diarra (AME)
Am 19.05.2008 sprach Ousmane Diarra, Präsident der malischen Ausgewiesenenvereinigung AME vor dem außenpolitischen Ausschuss des malischen Parlaments Parlaments zur Frage zur Frage der Migration aus, durch, in und nach Mali und der Erarbeitung eines Aktionsplans
Meine Herren Abgeordneten, sehr geehrte Vertreter des malischen Volkes, meine Herren Mitglieder der Kommission für Außenangelegenheiten, Malier im Ausland und afrikanische Integration, ich grüße Sie. Durch meine bescheidene Person dankt Ihnen die AME für die Möglichkeit hier sprechen zu dürfen, Ihnen unsere Vereinigung und ihre Arbeit vorzustellen zu dürfen; für die Möglichkeit Ihnen unsere Beschwerden und Vorschläge für eine bessere Berücksichtigung der malischen Immigranten im Allgemeinen sowie unserer ausgewiesenen und abgeschobenen Landesgenossen im Besonderen, vortragen zu können. Die AME wurde im direkten Bezug auf Ausweisungen gegründet.
Die vielen Schritte und Vorschläge, gemacht bei den zuständigen Behörden unseres Landes ohne das geringste Anzeichen auf eine Lösung unserer Probleme, das Nichtverstehen zwischen uns Ausgewiesenen und unseren Gesprächspartnern bei diesen Versuchen, hat uns zu diesem Zusammenschluss geführt um unsere Aktionen besser zu koordinieren und unserer Stimme mehr Gehöhr zu verschaffen.
Für unsere Forderungen, angesichts des vielfältigen Unrechts, erlitten in den Gastländern; für die Wiedererlangung unserer zurückgelassenen Güter; für die Erwägung unserer neuen Situation als gewaltsam in unser Heimatland Zurückgeschickte, war es nötig einen Rahmen zu schaffen, der unsere Forderungen bündelt, Diskussionen anzuregen für eine Berücksichtigung unserer Probleme hier wie dort, und exakte Informationen über unsere Lebensumstände bereitzustellen. Seit 1996 kämpft die AME für die Unterstützung und die Verteidigung der ausgewiesenen Malier. Mit unserem Unterstützerkollektiv, bestehend aus freiwilligen Mitarbeitern und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft, haben wir die Behörden regelmäßig über die Umstände unserer Ausweisung unterrichtet und sie aufgefordert, unsere plötzliche Ankunft in unserem Land zu berücksichtigen.
Wir malischen Migranten machen uns auf den Weg auf der Suche nach einer Verbesserung unsere Lebensumstände. Wir begegnen tausend Schwierigkeiten auf dem Weg und während des Aufenthaltes in anderen Ländern. Wir werden registriert, gehetzt, wie Tiere hinter Zäunen geparkt und schließlich, ohne Begleitmaßnahmen oder störende Beachtung unserer Menschenrechte, abgeschoben. Die Bedingungen von Haft und Abschiebung sind Thema allgemeiner Diskussion und heute stark in den Medien präsent. Die Kontrollpraktiken, angewandt von den ausführenden Kräften dieser Aktionen, befinden sich jenseits aller international geltenden Konventionen und Rechtsnormen. Und selbst wenn einige Staaten nicht alle Migranten betreffenden Konventionen unterschrieben haben, so sind doch die Grundrechte eines jeden Menschen allgemein anerkannt.
Mit der Ankunft in unserem Heimatland und nach der Registrierung bei Luft- und Grenzpolizei, werden wir, vollständig auf uns selbst angewiesen, von allen alleingelassen, ohne zu wissen, was wir tun sollen. Nach den vielen Jahren anderorts verbracht, findet sich die zurückgeführte Person allein wieder mit ihren Fragen und weiß nicht wohin sie sich wenden soll. Die Mehrheit von uns hat Frauen, Kinder und ihr materielles Eigentum zurückgelassen. Die Not ist Teil des Lebens unserer Mitglieder geworden; ihre Frauen und Kinder ohne Sozialleistungen zurückgeblieben. So leben wir in Mali und denken an unser Leben das anderswo zertrümmert wurde.
Wie leben, wenn man einen Teil seiner selbst anderswo zurückgelassen hat, und nun, ohne Hilfe und Begleitung, von vorne beginnen muss? Einige von uns wurden ausgewiesen, während sie in medizinischer Behandlung waren. Diese Leistungen wurden meist vom Staat bezahlt, denn selbst als “sans-papiers” (Papierlose) haben sie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlt.
Unter den Ausgewiesenen kommen auch Verwundete an, physisch und seelisch beeinträchtigt durch Schläge und rassistische Beleidigungen. Sie sind gefesselt mit Klebeband um Arme, Torso und Knöchel, so heftig angebracht, dass die Abgeschobenen Verstauchungen, Brüche von Armen und Füßen und Gehirnerschütterungen davontragen. Der Abgeschobene findet sich, nachdem er alle Qualen der Zwangsrückkehr erduldet hat, mit seinen Alltagsproblemen konfrontiert. Ohne Vorbereitung ist diese Lage sehr schwierig. Wohin soll er gehen, wohin sich wenden um sich mit seiner Familie wiederzuvereinen, seine Güter, seine soziale Stellung und seine Arbeit wiederzuerlangen, sich wieder einzufügen in sein Land, nach so vielen Jahren Abwesenheit? Zu welchen Strukturen soll er gehen, um seine Verletzungen zu versorgen, Beratung zu ersuchen oder eine unterbrochene Behandlung fortzusetzen?
In Bezug auf diese Fragen und angesichts der Erwartung einer Lösung hat die AME, gegründet am 16. Oktober 1996 mit kärglichen Mitteln und großen Ambitionen, einen Ort der Sensibilisierung im öffentlichen Raum geschaffen; Konferenzen zum Nachdenken und Diskutieren; Zwischenrufe angesichts von Politikern, die das Erlangen von Visa erschweren, die Grenzen verbarrikadieren und so die “illegalen Einwanderer” und andere “sans-papiers” erst schaffen: Personen, die sich keines anderen Verbrechens schuldig gemacht haben, als ihr Recht, festgehalten in Artikel 13. der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wahrzunehmen
1.Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.
2.Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.
Was nichts anderes bedeutet, als anderswo ein besseres Leben zu suchen, dort zu bleiben für kurze oder lange Zeit, dort zu bleiben oder zurückzukehren in sein Heimatland.
Im Zuge der Redynamisierung unserer Aktivitäten seit 2006, hat die AME im Flughafen Bamako-Senou eine Auffangzelle eingerichtet, um nach Mali abgeschobenen Personen eine Unterstützung anzubieten. Jeden Abend empfangen wir Ausgewiesene, um die, die es sich nicht leisten können, in die Stadt zu bringen. Wir bieten denen, die keine Familie in Bamako haben, für zwei bis drei Tage eine Unterkunft an und helfen denen, die in ihre Heimatregion oder (für ausgewiesene Nicht-Malier) in ihr Heimatland zurückkehren wollen. Mit der Hilfe von Partnerorganisationen wie La Cimade, Droits devant, medico international, Réseau Education Sans Frontières und gutwilligen Personen, konnten wir Räumlichkeiten und Büromaterial erwerben und die Bereitstellung administrativer, medizinischer und rechtlicher Begleitung der Abgeschobenen, die von uns aufgenommen und registriert werden, sicherstellen.
Von Juli 2007 bis April 2008 hat die Vereinigung an ihrem Sitz 108 Ausgewiesene aufgenommen, 31 von ihnen beherbergt, 12 medizinisch begleitet, 19 beim Transport geholfen, 7 rechtlich unterstützt und in 4 Fällen mit Motivation zum Erwerb eines Rückkehrvisums beigetragen. Sie wird in ihren Aktivitäten von einem Unterstützerkollektiv getragen. Letzteres ist auch der Ursprung unserer Rechtshilfeplattform, bestehend aus Anwälten und Rechtsexperten, die uns von ihren Kanzleien aus helfen. Alle Vertreter der AME haben eine Einführung in europäisches und französisches Recht betreffend Wohnsitz- und Aufenthaltsrechte erhalten und werden in ihren Kenntnissen durch eine Ausbildung in Rechtsbegleitung verstärkt. Diese Verbesserung der Fähigkeiten unserer Vertreter hat es unserer Organisation erlaubt, effektiver zu arbeiten. Angesichts des Ausmaßes der Aufgabe und der Größe unserer Mittel, bleibt jedoch leider noch viel zu tun. Die Landflucht, gefolgt von Emigration, hat viele unserer jungen Brüder auf die Wüstenstraßen geführt, um dann ihr Glück bei einer Überfahrt über das Mittelmeer zu versuchen. Diese Wege werden von denjenigen beschritten, die keine Visa in den Botschaften in Bamako erhalten können. Wenn sie nicht im Meer ertrunken sind, kommen diese Migranten, nachdem sie lange Haft, Schikanen, Schläge und Hunger erlitten haben, als Abgeschobene zurück. Sie werden von Grenze zu Grenze geschoben, nur um schließlich in Tinzawaten, im Norden Malis, ausgesetzt zu werden. Alleine gelassen, leben sie während des Abenteuers in der Wildnis noch immer in der Hölle. Im Zuge einer Mission in Gao und Kidal im Juni 2007 hat die AME einen Außenposten eingerichtet, um die Abgeschobenen, die Kidal erreichen konnten, aufzunehmen.
Mit ihren zwei Vertretern vor Ort registriert die Vereinigung die abgeschobenen Personen beim städtischen Kommissariat und in unserem Arbeitsverzeichnis. Sie beherbergt und versorgt sie und, nachdem sie einen Passierschein von den Behörden erhalten haben, begleitet bei der Rückkehr diejenigen, die zu ihren Familien zurückkehren wollen. Vom 15 Juli 2007 bis zum 15 März 2008 hat die AME 583 abgeschobene Personen unterstützt. 326 von ihnen waren Malier, die anderen kamen aus West- und Zentralafrika. Sie hat 63 Personen geholfen, zu ihren Familien in ihrer Heimatregion oder ihrem Heimatland zurückzukehren, 27 Personen medizinisch versorgt und 20 Personen in die Obhut des Roten Kreuzes übergeben. Schließlich hat sie eine geistig kranke Person zu ihrer Familie zurück begleitet und die Familie einer auf dem Weg gestorbenen Person im Ausland benachrichtigt. Die Beerdigung erfolgte nach Zustimmung der Behörden der Stadt Kidal.
Meine Herren Abgeordneten, durch meine Stimme bittet Sie die malische Ausgewiesenenvereinigung, ihren Beschwerden aufmerksam Gehör zu schenken.
Die AME sagt Nein zu Ausweisungen und Abschiebungen, Ja zur Integration der Gemeinschaften Wir wünschen, dass die Nationalversammlung ein Interesse zeigt an, und sich Einbringt in die Ausarbeitung der Diskussionsgrundlage der bilateralen Abkommen (die Mitglieder der malischen Seite der gemischten französisch-malischen Kommission müssen die Volksvertreter aufklären – vor und nach der Unterzeichnung der Abkommen, die das Leben der Malier in beiden Ländern betreffen).
Wir fordern die Externalisierung von Sozial- und Arbeitsrechten oder, andernfalls, die Rückerstattung von gezahlten Sozialabgaben und Steuern an abgeschobene Personen (ihre Steuern und Abgaben werden akzeptiert, den Menschen jedoch, lehnt man ab). Wir fordern die Veröffentlichung der bilateralen Verträge, die unterzeichnet werden. Wir fordern die Kostenübernahme für während der Ausweisung verletzte oder misshandelte Personen. Wir fordern einen Solidaritätsfonds für die Ärmsten, um ihnen ein Leben oder eine Rückkehr in ihre Heimatregion in Würde zu ermöglichen. Wir fordern eine Besondere Aufmerksamkeit für die Ausgewiesenen, die ihre Frau und Kinder in den Gastländern zurückgelassen haben. Ihre Gesuche hinsichtlich einer Familienzusammenführung werden immer grundlos abgelehnt. Wir fordern in die Programme zur Wiedereingliederung und Entwicklung eingebunden zu werden, die bis jetzt auf freiwillig zurückgekehrte Personen beschränkt sind. Wir erbitten respektvoll die Mitwirkung und die Unterstützung der Nationalversammlung, auf das wir uns verbessern und unseren sozialen und humanitären Anstrengungen für nach Mali abgeschobene Personen effektiver machen. Wir messen dieser Sitzung eine Große Bedeutung bei. Die Vereinigung ist sehr geehrt durch diese Einladung und ich bitte Sie, meine Herren Abgeordneten, von unserer Nationalen Vertretung aus dem Präsidenten alle Hochachtung zu Übermitteln, die wir Ihnen hier erweisen – unsere Dienstbereitschaft und alle Erwartungen, die diese Initiative zu einem nationalen Phänomen aber internationaler Dimension, begründen.
Ich bedanke mich für ihre ehrbare und freundliche Aufmerksamkeit.