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Erzwungene Rückkehr – der Fall von Mali

Von Ousmane Diarra/Malische Vereinigung der Abgeschobenen (AME)

Mali stellt geographisch wie auch historisch betrachtet eine wichtige Kreuzung für Zivilisationen und Migrationen dar.

Mali ist gleichzeitig ein Land der Emigration, der Immigration, des Transit und der Rückkehr.
Schätzungsweise 1/3 der Bevölkerung Malis, das sind 4 Mio Menschen, leben außerhalb des Landes, mehr als die Hälfte davon in anderen westafrikanischen Staaten. Eine große Zahl papierloser MigrantInnen aus Mali ist in Europa mit der Verschärfung der europäischen Einwanderungspolitik konfrontiert. Die malischen Behörden achten stark auf die finanziellen Zuwendungen der malischen MigrantInnen in ihr Land in Form von Heimatüberweisungen und auf ihre Unterstützung von Entwicklungen an ihren Herkunftsorten.

2004 wurde das Ministerium für auswärtige Malier und afrikanische Integration (MMEIA) gegründet, um auf die Bedürfnisse auswärtiger Malier einzugehen und ihnen ihre potentielle Rolle in der
Entwicklung des Landes stärker zu verdeutlichen.

In den letzten Jahren wurde Mali außerdem ein wichtiges Transitland für MigrantInnen aus der Sub-Sahara auf ihrem Weg an die westafrikanische Küste (Mauretanien, Senegal, Guinea, Gambia und Guinea Bissau), in den Maghreb und über das Mittelmeer nach Europa.

Mali ist auch ein Land der Rückkehr, wo häufig Malier und andere MigrantInnen aus der Subsahara nach ihrer Ausweisung aus Europa, aus Transitländern des Maghreb oder aus kriegsgebeutelten afrikanischen Ländern ankommen.

MigrantInnen, die an ihrem Transit gehindert wurden, werden entweder an die malische Grenze eskortiert (die mauretanische, algerische oder lybische) und in der Mitte der Wüste sich selbst überlassen, oder per Flugzeug zurückgeschickt, gefesselt und mundtot gemacht.
Malier, die eine erzwungene Rückkehr erlebt haben, beschreiben massive Angriffe, entwürdigende Behandlung und lange Inhaftierungszeiten mit der Aussicht auf eine Zwangsrückkehr in ihr Heimatland, oft ohne Geld.

Situation der zurückgekehrten MigrantInnen

In der malischen Gesellschaft ist die öffentliche Sorge um das Thema der abgeschobenen MigrantInnen groß. Rückkehrländer der MigrantInnen verfügen häufig nicht über angemessene Strukturen, um abgeschobene MigrantInnen aufzunehmen. Sie verfügen auch nicht über Mechanismen, die Rechte der Rückkehrenden zu beschützen. Unterstützungsorganisationen für MigrantInnen haben eine große Anzahl an Menschenrechtsverletzungen dokumentiert und stützen darauf ihr Engagement und juristische Beschwerden.

Malische zivilgesellschaftliche Organisationen, häufig in Zusammenarbeit mit internationalen Solidarorganisationen, unternehmen Erkundungsreisen, um die Realität der Zwangsrückkehr an den Grenzen aufzunehmen. (1)

Ihre Berichte enthüllen die Kriminalisierung der MigrantInnen im Transit, schamlose Verletzungen der Integrität und Würde von MigrantInnen die in Massen ausgewiesen werden, willkürliche Inhaftierungen, unmenschliche Bedingungen während der Transporte und Aussetzungen in der Wüste.
Es ist bemerkenswert, dass die EU – Strategien der Migrationskontrolle Hilfsangebote für ausgewiesene MigrantInnen an den Grenzen nicht vorsehen; internationale Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) sind in diesen Grenzgebieten nicht aktiv.

Freiwilligenorganisationen, die ausgewiesenen MigrantInnen zu helfen versuchen, haben weder genug Kapazität noch finanzielle Mittel um diese Aufgabe bewältigen zu können. Gleichzeitig finanziert die EU den Aufbau von Internierungslagern in Ländern wie Lybien und Mauretanien, um illegale MigrantInnen vor ihrer Zwangsrückkehr dort zu internieren. Diese Zentren sind Teil der EU-Strategie, die Einwanderungskontrolle „outzusourcen“ nach jenseits der EU-Grenzen.

Die „allgemeine Vertretung von Maliern im Ausland“ (DGME) deren Ziel die Unterstützung, Beschützung und Förderung von Maliern im Ausland ist, hat ein Büro am Flughafen von Bamako, um freiwilligen und unfreiwilligen Rückkehrern technisch und administrativ zu helfen. Die Ankunft von Flugzeugen mit ausgewiesenen ImmigrantInnen wird in Zusammenarbeit mit dem roten Kreuz vom Katastrophenschutz beaufsichtigt. Dies funktioniert jedoch nur bei sogenannten „dringlichen Prozeduren“, d.h. wenn die Behörden im Vorfeld informiert wurden, was selten der Fall ist. Unfreiwillig zurückgeschickte MigrantInnen kommen meist nach mehreren Jahren der Abwesenheit bettelarm an. Die meisten kommen aus ländlichen gebieten und haben keine Familie in Bamako. Mehrere malische bürgerrechtliche Organisationen mit limitierten Ressourcen stellen Unterkünfte bereit, sorgen für medizinische Hilfe, rechtliche Unterstützung und finanzielle Hilfen, um den Leuten die Rückkehr in ihre Herkunftsregion zu ermöglichen. Diesen verletzlichen Menschen wird von offizieller Seite aus keine Hilfe gegeben.

Aktuelle Herausforderungen in Mali

Angesichts der Risiken der illegalen Immigration (inkl. Abschiebung) versuchen die malischen Behörden Migrationsströme einzudämmen, indem sie Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten in Mali fördern und Verhandlungen über ein ausgewogenes Umgehen mit den Migrationsströmen führen. 2008 führte das Ministerium für auswärtige Malier und afrikanische Integration zusammen mit der internationalen Organisation für Migration (IOM) und verschiedenen Unterstützungsgruppen für aabgeschobene MigrantInnen eine Aufklärungskampagne zu den Gefahren der illegalen Migration durch.

Im Oktober 2009 wurde ein „Migrationsinformations- und –management Zentrum“ (CIGEM) in Bamako eröffnet, finanziert von der EU. Die Gründung des CIGEM ist Teil der 2005 lancierten „globale Annäherung an die Migration“ – Strategie der EU; CIGEM arbeitet daran, Migration mit den Entwicklungsbedürfnissen der Herkunftsländer der MigrantInnen zu verknüpfen und befördert die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern und Transitländern im Management der Migrationsströme. DIE CIGEM- Aktivitäten beinhalten die Definition einer nationalen Migrationspolitik, die Förderung des „Codevelopment approach“ (2), die Förderung legaler Migrationsformen, und den Kampf gegen die illegale Migration durch Aufklärungskampagnen und die Orientierung möglicher Auswanderungskandidaten auf Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten zuhause.

Die genannten Initiativen zugunsten legaler Immigration spiegeln den politischen Willen der EU und ihrer Partnerländer wider, die illegale Immigration zu unterbinden. Anreize an potentielle MigrantInnen in Mali zu bleiben und die Massenausweisung illegaler MigrantInnen aus Transit- und Zielländern sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Sie sind Teil der eigennützigen EU-Strategie der „gewählten Immigration“.

Die Anreize zur „freiwilligen Rückkehr“ der europäischen Länder beispielsweise sind unterfinanziert und armselig. MigrantInnen, die auf ihrem Transit aufgehalten werden, können nicht mit einer Versorgung bei ihrer Rückkehr rechnen, während ausgewiesene MigrantInnen nicht für ein EU-finanziertes „Reintegrations“- Programm in Frage kommen. Migrantische Organisationen fordern auch die Rückgabe von Besitztümern und Zahlungen an die sozialen Sicherungssysteme aus dem vorherigen Aufenthaltsland. Manche Leute fordern bis zu 22 Jahre Sozialversicherungsbeiträge zurück.

In diesem Kontext muss die behutsame Positionierung malischer Behörden in den Verhandlungen mit Frankreich zum gemeinsamen Management der Migrationsströme verortet werden. Einerseits erkennen sie die Beiträge malischer EmigrantInnen zur nationalen Entwicklung Malis an, andererseits hängen sie von EU- Entwicklungsgeldern ab, die immer mehr von der Annahme von Vereinbarungen zum gemeinsamen Management der Migrationsströme abhängig gemacht werden. Wie lange das Ringen gehen wird ist unklar. Die globale Finanzkrise und ihre Konsequenzen haben Malis Sorgen bestätigt. Mit der Krise einher gingen Einschnitte der EU – Entwicklungsgelder. Das Schrumpfen des Arbeitsmarktes beschleunigt engere Restriktionen der Migration, was wiederum die Möglichkeit der MigrantInnen Heimatüberweisungen zu tätigen beeinflusst. Häufig beinhalten strengere Immigrationsrestriktionen Menschenrechtsverletzungen, sind aber ineffektiv in der Unterbindung illegaler Migration: Menschen riskieren weiterhin ihr Leben, um zu jedem Preis Europa zu erreichen.

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(1) Die AME hat eine solche Erkundungsreise an der malisch-algerischen Grenze 2007 zusammen mit dem „Afrique magazine“ unternommen sowie 2008 an der mauretanischen Grenze zusammen mit Aphda (Spanien)

(2) „Codevelopment“ ist ein Diskurs und ein Trend von Entwicklungsstrategien in „development studies“, in dem MigrantInnen als Entwicklungsfaktor ihrer Heimatländer angesehen werden.