Gerechtigkeitsgau in Glasgow: UN-Klimagipfel verzögert einmal mehr finanzielle Unterstützung für globalen Süden
Vieles spricht dafür, dass sich – im Vergleich zu 2010 – die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 um 13 Prozent erhöhen werden. Und das, obwohl eine Reduzierung um 45 Prozent nötig wäre, um die 2015 beim Weltklimagipfel in Paris vereinbarte Beschränkung der Erderhitzung auf 1,5 Grad tatsächlich erreichen zu können. Umso wichtiger ist es, dass beim jüngsten Weltklimagipfel in Glasgow diverse Beschlüsse gefällt wurden, die die Tür zum 1,5 Grad-Pfad zumindest einen Spalt breit offen halten. Gleichwohl wäre es irreführend, Glasgow als Erfolg zu präsentieren. Einmal mehr zeigte sich, dass die Interessen des globalen Südens wenig Gewicht haben – trotz der allgemein anerkannten Tatsache, wonach die arme Hälfte der Weltbevölkerung zwar am stärksten von der Klimakrise betroffen ist, gleichzeitig aber deutlich unter dem kritischen Schwellenwert von 2 Tonnen CO2-Verbrauch pro Person und Jahr bleibt.
Dauerdiktatur in Togo
Am 05.11.2021 veranstaltete Afrique-Europe-Interact zusammen mit der Togoischen Diaspora in Deutschland (DTA) eine öffentliche Kundgebung vor dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Bonn. Kossi Djobokou aus Togo nahm ebenfalls an der Kundgebung teil:
In Togo besteht die Diktatur schon so lange, dass die Menschen müde sind, sich damit auseinanderzusetzen. Gleichzeitig grassiert Angst. Denn die Machthaber sind überall. Und sobald etwas kritisches geäußert wird, kommt es zu Einschüchterungen und Festnahmen, sogar Mord. Als ich angefangen habe, in der Oppositionspartei PNP aktiv zu werden, musste ich aus Togo fliehen. Erst vor kurzem wurde ein Togoer, Jean Paul Oumoulou, der in der Schweiz lebt, bei einem Besuch in Togo festgenommen. Aber nicht durch einen Haftbefehl, sondern einfach, indem die Polizei ihn mitgenommen hat – das ist Kidnapping!
"Mythos der Europäer:innen": Transnationale Debatte: Zirkuläre Migration statt EU-Grenzregime
Seit seiner Gründung ist Afrique-Europe-Interact auf unterschiedliche Weise entlang der Migrationsrouten aktiv. In diesem Sinne haben wir uns Anfang Dezember mit vier unserer Mitstreiter:innen zu einem (technisch mehr oder weniger gut funktionierenden) Live-Gespräch via Whatsapp getroffen. Ziel war es, einige der grundlegenden Fragestellungen rund um das Thema Migration zu diskutieren. Beteiligt waren Chehou Azizou, der in Agadez (Niger) als Koordinator des Alarmphone Sahara tätig ist, einem Unterstützungsprojekt für Migrant:innen, die die Wüste durchqueren; Laouel Taher, der zu den Streckenbeobachter:innen des Alarmphone Sahara gehört und in Bilma lebt, einer Kleinstadt mit 4.500 Einwohner:innen mitten in der nigrischen Wüste; Christie Niamien aus der Elfenbeinküste, die in der marokkanischen Hauptstadt Rabat im Baobab arbeitet, einem Rasthaus für geflüchtete Frauen und ihre Kinder; und Riadh Ben Ammar, der vor 20 Jahren von Tunesien nach Deutschland gekommen ist und heute als Theaterkünstler (? Infobox S. 4) und Mitglied der Initiative Sans VISA zwischen Deutschland und Tunesien pendelt.
Luzolo lua toma: Interview: Bäuerliche Selbstorganisierung
Der Kleinbauer und ausgebildete Lehrer Victor Nzuzi gehört zu den Gründer:innen von Afrique-Europe-Interact. Er lebt in der DR Kongo und gilt dort als einer der profiliertesten Globalisierungskritiker:innen. Wir sprachen mit Victor über ökologische Landwirtschaft und das aktuelle Projekt seiner Kooperative luzolo lua toma.
Victor, was hat es mit eurer Kooperative auf sich – woher kommt ihr und wohin wollt ihr?
Wir stehen schon lange in engem Austausch. 1999 haben wir einen gemeinnützigen Verein für den Aufbau einer ökologischen Landwirtschaft in unserer Gegend gegründet – einschließlich Weiterbildung. Mit der Zeit sind wir zum gemeinsamen Anbau übergegangen, dabei haben wir uns auf Mais und Erdnüsse spezialisiert. Irgendwann war es unumgänglich, im Rahmen unseres Vereins Kooperativen zu gründen, die sich wechselseitig unterstützen. Unsere Kooperative ist eine von zwei, sie heißt luzolo lua toma, was so viel bedeutet wie “Der Wille voranzukommen” bzw. “Der Wille, sich zu entwickeln”. Wir sind 50 Personen aus 20 Haushalten und haben sowohl individuelle Felder, auf denen wir abwechselnd in Kleingruppen, als auch ein gemeinsames Feld, das wir als Schulungsfeld benutzen. Auf letzterem setzen wir unsere praktischen Projekte um und führen außerdem unsere Versammlungen durch.
3000 Bäume gepflanzt: Interview: Ökologische Landwirtschaft statt Klimawandel
Gbassycolo und Minko sind Gründungsmitglieder des transnationalen Netzwerks Afrique-Europe-Interact und Initiatoren des ökologischen Künstler:innendorfs Kurukan Fuwa in Guinea. Im Interview sprechen sie über die Herausforderungen der ökologischen Selbstversorgung in Zeiten des Klimawandels.
Vor sechs Jahren habt Ihr zusammen mit anderen Aktivist*innen das ökologische Künstlerdorf Kurukan Fuwa gegründet. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Gbassycolo: Wir sind Teil eines Künstler:innenkollektives, das Faso Kele heißt. Faso Kele bedeutet Kinder einer Erde. Wir sind Musiker:innen und Handwerker:innen aus verschiedenen Ländern Westafrikas. Seit der Gründung von Afrique-Europe-Interact haben wir zahlreiche Kämpfe für eine gerechtere und solidarische Welt geführt. Dabei haben wir gelernt, wie schwierig es ist, die Welt zu verändern. Um nach und nach eine andere Gesellschaft herbeizuführen, brauchen wir einen Ort, an dem wir eine Alternative zum Kapitalismus leben können. Ein Ort, an dem Bildung und Denken für eine bessere Welt stattfindet. Mit unserem Dorf wollen wir einen solchen Ort schaffen. Dabei spielt für uns eine gesunde und saubere Umwelt eine wichtige Rolle. Von Anfang an haben wir uns sehr mit dem Schutz der Umwelt beschäftigt und auch mit der Frage der Selbstversorgung.
"Die Lage ist widersprüchlich": Interview: Alassane Dicko zur Gewalteskalation im Sahel
Wenn es um die Vielfachkrise in Mali geht, spitzt sich die Debatte in Deutschland immer wieder auf die Frage zu, ob sich die Bundeswehr weiterhin an der UN-Friedensmission MINUSMA sowie an verschiedenen Ausbildungsmissionen für malische Sicherheitskräfte beteiligen soll. Wir haben daher Alassane Dicko von der malischen Sektion von Afrique-Europe-Interact nach den politischen und sozialen Hintergründen der Gewalteskalation in Mali gefragt.
Nicht nur in Mali, auch in Burkina Faso und Niger ist das Konfliktgeschehen für Außenstehende schwer zu durchschauen. Gibt es bestimmte Problematiken, die überall eine wichtige Rolle spielen?
Ja, am wichtigsten dürfte die systematische Benachteiligung der Landbevölkerung sein – je weiter weg von der Hauptstadt, desto gravierender, insbesondere in den jeweiligen Grenzregionen. Oder anders formuliert: Die Freiheits- und Entwicklungsversprechen der Unabhängigkeitsepoche wurden zu keinem Zeitpunkt eingelöst. Die aktuellen Konflikte sind insofern auch Ausdruck eines gewissen Windes der Veränderung.