Luzolo lua toma: Interview: Bäuerliche Selbstorganisierung
Der Kleinbauer und ausgebildete Lehrer Victor Nzuzi gehört zu den Gründer:innen von Afrique-Europe-Interact. Er lebt in der DR Kongo und gilt dort als einer der profiliertesten Globalisierungskritiker:innen. Wir sprachen mit Victor über ökologische Landwirtschaft und das aktuelle Projekt seiner Kooperative luzolo lua toma.
Victor, was hat es mit eurer Kooperative auf sich – woher kommt ihr und wohin wollt ihr?
Wir stehen schon lange in engem Austausch. 1999 haben wir einen gemeinnützigen Verein für den Aufbau einer ökologischen Landwirtschaft in unserer Gegend gegründet – einschließlich Weiterbildung. Mit der Zeit sind wir zum gemeinsamen Anbau übergegangen, dabei haben wir uns auf Mais und Erdnüsse spezialisiert. Irgendwann war es unumgänglich, im Rahmen unseres Vereins Kooperativen zu gründen, die sich wechselseitig unterstützen. Unsere Kooperative ist eine von zwei, sie heißt luzolo lua toma, was so viel bedeutet wie “Der Wille voranzukommen” bzw. “Der Wille, sich zu entwickeln”. Wir sind 50 Personen aus 20 Haushalten und haben sowohl individuelle Felder, auf denen wir abwechselnd in Kleingruppen, als auch ein gemeinsames Feld, das wir als Schulungsfeld benutzen. Auf letzterem setzen wir unsere praktischen Projekte um und führen außerdem unsere Versammlungen durch.
Und wie kommt euer ökologischer Anbau bei den Nachbar:innen an?
Viele Landwirt:innen benutzen im Gemüseanbau zahlreiche Pestizide, oft ohne Bewusstsein, wie giftig diese sind. Wir verwenden stattdessen Chili und Holzasche gegen Insekten. Langsam werden die Leute offener für unsere Herangehensweisen, auch weil sie miterleben mussten, wie Menschen durch Pestizide in Gemüse gestorben sind.
Eure aktuellen Aktivitäten, die auch von Afrique-Europe-Interact finanziell unterstützt werden, bestehen aus einem ganzen Maßnahmenbündel. Was habt ihr konkret vor?
Es geht zunächst um die Steigerung unserer Agrarproduktion. Wir wollen erstmalig 8 Hektar bebauen, die eine Hälfte mit Mais, die andere mit Soja und Maniok. Dabei sollen Mais und Soja nicht nur verkauft werden. Denn wir haben ein ernstes Problem mit unterernährten Kindern, sie sollen daher ebenfalls von diesen nährstoffreichen Pflanzen profitieren. In diesem Zusammenhang wollen wir außerdem Maracuja- und Papayabäume pflanzen. Nicht nur zur Aufforstung gegen den Klimawandel, auch zur Aufklärung darüber, dass unsere Kinder durch unseren eigenen Früchte besser ernährt werden können als durch Vitaminspritzen von internationalen NGOs. In einem dritten Strang wollen wir unseren Gemüseanbau mittels Wassertanks und einer Pumpe erleichtern. Denn der nächste Fluss ist 100 Meter entfernt, sodass das Gießen während der Trockenzeit eine äußerst anstrengende Angelegenheit darstellt. Ein vierter Baustein besteht aus einer Sensibilisierungskampagne gegen die gefährlichen Buschfeuer. Sie werden von Kindern gelegt, die Ratten jagen, deren Fleisch dann in den Familien verzehrt wird. Wir versuchen, den Familien nahezubringen, stattdessen eine Kaninchen-oder Meerschweinchenzucht aufzubauen – auch dieses Fleisch ist äußerst wohlschmeckend und proteinreich. Die Kinder können sich um die Tiere kümmern und sie mit Unkraut füttern. Mit einem eigenen Kleintierterrain wollen wir unsere Aufklärungsarbeit begleiten. Hierzu gehört auch, die gezüchteten Tiere in unseren Dörfern weiterzugeben.
Welche Visionen hast du für die Zukunft? Wie stehst du zur Frage einer niedrigschwelligen Mechanisierung eurer Landwirtschaft?
Mechanisierung steht für mich nicht für nachhaltige Landwirtschaft, sondern für Industrialisierung. Eine zukunftstaugliche Praxis sehe ich eher im weitflächigen Einsatz von Rindergespannen. Denn diese machen die bäuerlichen Haushalte unabhängig, weil sie ohne teures Benzin auskommen und obendrein eine Abkehr von fossiler Energie darstellen. Bis jetzt gibt es nur wenig Rindergespanne in unserer Region. Jenseits davon sehe ich unsere Zukunft eher mit Sorge. Seit letztem Jahr gibt es die kontinentale afrikanische Freihandelszone. Sie bedeutet, dass Großinvestoren Land aufkaufen und die lokalen Bauern und Bäuerinnen verdrängen. Wir sollten daher die krankmachenden Produkte der Agroindustrie anprangern und stattdessen die Forderung nach einer Vorzugsbehandlung lokaler Produkte ins Zentrum zu rücken. Insofern geht es in den nächsten Jahren um eine starke bäuerliche Organisierung, mit der wir uns all diesen Herausforderungen stellen können. Eine hilfreiche Vision wäre für mich, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft als Beruf ernst genommen wird, der die Menschen ernähren kann und die Zukunft absichert. Das ist in der DR Kongo heute leider nicht der Fall.