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3000 Bäume gepflanzt: Interview: Ökologische Landwirtschaft statt Klimawandel

Gbassycolo und Minko sind Gründungsmitglieder des transnationalen Netzwerks Afrique-Europe-Interact und Initiatoren des ökologischen Künstler:innendorfs Kurukan Fuwa in Guinea. Im Interview sprechen sie über die Herausforderungen der ökologischen Selbstversorgung in Zeiten des Klimawandels.

Vor sechs Jahren habt Ihr zusammen mit anderen Aktivist*innen das ökologische Künstlerdorf Kurukan Fuwa gegründet. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Gbassycolo: Wir sind Teil eines Künstler:innenkollektives, das Faso Kele heißt. Faso Kele bedeutet Kinder einer Erde. Wir sind Musiker:innen und Handwerker:innen aus verschiedenen Ländern Westafrikas. Seit der Gründung von Afrique-Europe-Interact haben wir zahlreiche Kämpfe für eine gerechtere und solidarische Welt geführt. Dabei haben wir gelernt, wie schwierig es ist, die Welt zu verändern. Um nach und nach eine andere Gesellschaft herbeizuführen, brauchen wir einen Ort, an dem wir eine Alternative zum Kapitalismus leben können. Ein Ort, an dem Bildung und Denken für eine bessere Welt stattfindet. Mit unserem Dorf wollen wir einen solchen Ort schaffen. Dabei spielt für uns eine gesunde und saubere Umwelt eine wichtige Rolle. Von Anfang an haben wir uns sehr mit dem Schutz der Umwelt beschäftigt und auch mit der Frage der Selbstversorgung.

Was bedeutet Selbstversorgung für Euch konkret?
Gbassycolo: Wir wollen uns nicht vom Weltmarkt abhängig machen. Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln bedeutet für eine Gemeinschaft, unabhängig zu sein. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, ein großes Stück Land zu kaufen, um alles, was wir essen, anzubauen. Dazu gehört auch das Pflanzen von Bäumen und das Anlegen eines botanischen Gartens, mit Obst- und Heilbäumen. Unser Ziel ist es, eines Tages ein Gesundheitszentrum, eine Samenbank für unsere Landwirtschaft und eine Bildungsschule hier für unsere Gemeinschaft zu haben, um auch für zukünftige Generationen einen Beitrag zu leisten.

Euer Ziel ist also, unabhängig zu sein. Wie funktioniert Unabhängigkeit in einer globalen Welt? Seid Ihr auch auf Kooperationen angewiesen?
Gbassycolo: Unser Ziel ist zwar die Unabhängigkeit unserer Gemeinschaft, aber Austausch ist uns sehr wichtig. Auch um unsere Ideen weiterzutragen. So haben etwa einige Frauen aus unserem Dorf ein Bio-Landwirtschafts-Projekt gestartet, bei dem sie mit Frauen aus den Nachbardörfern zusammenarbeiten. Es geht darum, Erdnüsse zu Erdnusspaste weiterzuverarbeiten und direkt zu vermarkten. Der Gewinn kommt dann den Frauen und damit den Dorfgemeinschaften zugute. Gleichzeitig stärkt es den Austausch mit den anderen Dörfern. Im Kontakt mit den Nachbardörfern versuchen wir diese auch für Themen wie Umweltschutz und nachhaltige, Subsistenz sichernde Anbaumethoden zu sensibilisieren.
Minko: Ein anderes Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit dem Amt für Wasser und Forstwirtschaft im Zusammenhang mit der Wiederaufforstung. In Zusammenarbeit mit dieser lokalen Behörde des guineischen Umweltministeriums haben wir uns letztes Jahr an einem Aufforstungsprojekt beteiligt und über 3.000 Bäume hier in der Gegend gepflanzt. In dem Wiederaufforstungsprogramm wurden ursprünglich Bäume angepflanzt, die keine Früchte tragen. Wir haben ihnen vorgeschlagen, Obstbäume zu verwenden, die in Zukunft nicht nur Schatten spenden und Sauerstoff liefern, sondern auch die Menschen vor Ort ernähren.

Ihr arbeitet also auch mit staatlichen Stellen zusammen. Am 5. September 2021 ist Oberst Mamady Doumbouya durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen. Wie bewertet Ihr die aktuelle politische Situation in Guinea?
Gbassycolo: Die Stimmung im Land ist Doumbouya gegenüber im allgemein eher positiv und hoffnungsvoll eingestellt. Unbestritten ist, dass es unserem Land vorher gar nicht gut ging. Deswegen begrüßen viele den Wandel. In den ersten Monaten seit der Machtübernahme ist Doumbouya bekannt geworden durch konkrete Taten mehr als durch große Worte, womit er sich von der Mehrzahl afrikanischer Politiker:innen klar abhebt und wofür ich ihn sehr schätze. Wir befinden uns in einer Übergangszeit, aber alles im Land scheint gut geregelt, sogar die mit Korruption verbundenen Straßensperren haben aufgehört. Die Menschen hoffen, dass Doumbouya seine Macht nach einer Übergangszeit von 4-5 Jahren in zivile Hände übergibt.

Wie weit seid Ihr auf dem Weg zur ökologischen Selbstversorgung?
Gbassycolo: Das ist alles andere als einfach. Die Böden, auf denen wir anbauen, sind durch den langjährigen Plantagenanbau aus der Kolonialzeit belastet und ausgelaugt. Wir probieren jetzt neue Anbaumethoden aus, lassen die Böden ruhen. Aber selbst nach fünf Jahren ist es nicht einfach, gute Ernten einzufahren. Zum ökologischen Düngen würden wir gerne Hühnerkot verwenden. Den müssen wir aber dazu kaufen und das können wir uns nicht leisten. Ein anderes Beispiel, was nicht nur uns betrifft: Hier wird überall Reis angebaut, aber es gibt keine Maschinen, um den Reis zu schälen. So sind die Menschen gezwungen, den Reis an Händler:innen zu niedrigen Preisen zu verkaufen. Die Händler:innen verarbeiten den Reis dann und verkaufen ihn mit Gewinn in Conakry weiter. Für die Zukunft wünschen wir uns daher Maschinen zur Verarbeitung von Erdnüssen sowie von Reis.
Minko: Wenn wir über Selbstversorgung und die Vermarktung unserer Produkte reden, sollten wir nicht vergessen, dass wir in einer Welt leben, die von extrem ungerechten Handelsbeziehungen geprägt ist. Durch die WTO wird der so genannte Freihandel propagiert. Aber für uns ist es eher ein kolonialer Austausch. Während multinationale Konzerne hier auf Monokulturen Exportfrüchte anbauen, zum Beispiel Ananas, und dabei Pestizide in die Böden einbringen und die Biodiversität zerstören, ist es für uns nahezu unmöglich, unsere Produkte zu verkaufen. Diese Logik des Kapitalismus zerstört die Umwelt genauso wie die Möglichkeiten zu lokaler Selbstversorgung. Gleichzeitig wird dadurch der Klimawandel beschleunigt, der unsere Lebensgrundlage gefährdet.
Welle Rolle spielt der Klimawandel bei Eurer Arbeit?
Gbassycolo: Der Klimawandel ist schon da. Die Menschen in Guinea sind gezwungen, damit umzugehen. Aus unserer Sicht kann unser Dorf eine lokale Lösung für die globale Unordnung sein. Das betrifft nicht nur den Klimawandel oder ungerechte Handelsbeziehungen, sondern auch die Frage der Migration: Neben unseren ökologischen Anbaumethoden, die Umwelt und Böden schonen, versuchen wir, diese Idee und unser Wissen weiterzutragen. Für 2022 haben wir uns ein großes Umweltbildungs- und Sensibilisierungsprojekt vorgenommen. Die Frage der Migration hängt direkt damit zusammen. Jeder sollte das Recht haben, dorthin zu gehen, wohin er will. Genauso sollte jeder das Recht haben, in seiner Heimat zu bleiben – mit dem Recht auf Gesundheit, Bildung, Nahrung und allem, was dazugehört. Das heißt aber auch, dass diejenigen, die sich entschieden haben zu bleiben, Möglichkeiten brauchen, für sich zu sorgen und ein gesundes Leben zu führen. Ohne eine intakte Umwelt ist dies nicht möglich. Wir versuchen mit unserem Ansatz also Alternativen zur Landflucht und zur Migration zu schaffen. Ohne zu sagen, Migration soll nicht stattfinden. Sie sollte aber nicht aus der Verzweiflung und Not heraus geschehen.