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August 2016 | Festung Europa reicht bis Afrika

Deutschland errichtet neue Außenposten des europäischen Abschottungsregimes auf dem afrikanischen Kontinent. Von Niema Movassat (MdB/Die Linke), veröffentlicht in: Junge Welt, 26. August 2016

Deutschland nimmt eine Schlüsselrolle bei der Ausweitung der europäischen Migrationsabwehr auf den afrikanischen Kontinent ein. Das geht aus der aktuell veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (Bundestagsdrucksache 18/9246) hervor. Bereits seit 2012 führt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Auswärtigen Amtes das »Polizeiprogramm Afrika« durch, welches auch Maßnahmen zum Ausbau von Grenzanlagen und zur Ausrüstung und Ausbildung der (Grenz-)Polizei umfasst. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort erklärt, hat sie im Rahmen dieses Programms in Mauretanien, Niger, Nigeria und Tschad unter anderem 13 Grenzposten errichtet und die Grenzpolizei der jeweiligen Länder mit zwei Dutzend Fahrzeugen, kriminaltechnischen Labors sowie Pass- und Fingerabdruckscanner versorgt. Das Programm, das ursprünglich 2015 auslaufen sollte, wurde nun um weitere drei Jahre verlängert.

Das Polizeiprogramm Afrika ist aber nur ein Baustein einer umfassenden Strategie der EU mit dem Ziel, den Kontinent zu einem Außenposten der Festung Europas zu machen. Dabei sollen die afrikanischen Staaten erstens dazu gebracht werden, bei der sogenannten Rückführung von Flüchtlingen und Migranten zu kooperieren. Schmackhaft soll ihnen diese Zusammenarbeit durch geheime Länderpakete gemacht werden, die etwa Diplomaten Visaerleichterungen versprechen oder den Staaten mehr Entwicklungsgelder. »More for more« nennen Bundesregierung und die EU diese Strategie. Umgekehrt heißt dies aber auch »less for less« – wer nicht kooperiert, muss mit negativen Konsequenzen rechnen – bei der Entwicklungszusammenarbeit, aber auch in der Handelspolitik. Doch trotz dieser Erpressungsversuche bleibt der Widerstand einiger afrikanischer Staaten gegen solche Deals groß, wie die Bundesregierung auf Nachfrage der Linken zugeben musste.

Zweitens hat die EU mehrere Projekte in afrikanischen Ländern und an deren Grenzen gestartet, die gezielt der Flucht- und Migrationsabwehr dienen. Die EU finanziert Internierungslager im Niger, unüberwindbare Grenzzäune in Mauretanien und die Ausbildung und Ausrüstung von Sicherheitskräften in Äthiopien, einem Land, in dem Oppositionelle verfolgt und ermordet werden. Wie die Antwort auf die kleine Anfrage der Linken zeigt, mischt die GIZ, die zentrale Durchführungsorganisation für die staatliche deutsche Entwicklungszusammenarbeit, hier kräftig mit. Sie hat das sogenannte Migrationsmanagement als neuen Geschäftszweig entdeckt und bewirbt sich fleißig auf alle Ausschreibungen, die im Rahmen des sogenannten EU-Treuhandfonds für Afrika, der mit mittlerweile 1,9 Milliarden Euro bestückt ist, erfolgen.

Die EU betont zwar, dass der Fonds vor allem dazu dienen soll, Fluchtursachen in den afrikanischen Ländern zu beseitigen. Diese Aussage ist aber zumindest aus zwei Gründen nicht haltbar. Zum einen ist es mehr als vermessen zu glauben, mit 1,9 Milliarden Euro die Probleme der afrikanischen Länder auch nur in Ansätzen lösen zu können. Zum anderen offenbart ein Blick auf die Projekte, die von dem Treuhandfonds finanziert werden, dass 48 Prozent der Mittel für Rückführungs-, Rückübernahme- und Wiedereingliederungsmaßnahmen sowie zur Verhinderung von Migra­tionsbewegungen ausgegeben werden sollen. Dem Bereich legale Migration sind hingegen nur vier Prozent der Mittel zugeordnet.

Im Rahmen der Ausschreibungen des EU-Treuhandfons hat die GIZ unter anderem das 40-Millionen-Euro-Projekt »Better Migration Management« an Land gezogen, das in den Ländern Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia und Sudan Ausbildung und teilweise auch Ausrüstungen von Sicherheitskräften der ostafrikanischen Länder finanzieren soll, um Migrations- und Fluchtbewegungen zu kontrollieren. Das GIZ-Vorhaben »Better Migration Management« zeigt auch die ganze Problematik der deutschen und europäischen Strategie zur Migrationsabwehr auf. Nicht nur arbeiten Bundesregierung und EU hierbei eng mit repressiven Regimen zusammen. An den innerafrikanischen Grenzen aufzurüsten ist zudem eine neokoloniale Praxis, die zu einer wirtschaftlichen Desintegration in Afrika führen wird. Während die EU vorgibt, Migrationsströme besser managen zu wollen, schafft sie mit ihren Maßnahmen neue Fluchtursachen.

Aus den Augen, aus dem Sinn – das ist die Strategie, die EU und Bundesregierung mit der Ausweitung der Festung Europa nach Afrika verfolgen. Um Bilder von ertrunkenen Flüchtlingen im Mittelmeer oder verzweifelten Asylsuchenden in Idomeni zukünftig zu verhindern, ändern sie nichts an ihrer tödlichen Abschottungspolitik. Statt dessen verlagern sie diese vom Mittelmeerraum auf den afrikanischen Kontinent und damit aus dem Blickfeld der europäischen Öffentlichkeit. Die Toten im Mittelmeer sehen wir, die Opfer der neuen Abschottungspolitik in Afrika nicht – das ist das menschenverachtende Kalkül von Bundesregierung und EU.