Dezember 2024 | Aflatoxin als Exportbremse. Wie ein Frauenkollektiv für gesunde Lebensmittel kämpft

Immer wieder haben wir in den letzten Jahren über das zu Afrique-Europe-Interact gehörige Frauenkollektiv Musow Lafia berichtet, insbesondere über dessen Pläne, Erdnussmus nach Deutschland zu exportieren. Doch diese Pläne wurden jäh gestoppt, nachdem sich herausgestellt hat, dass viele der im Sahel erhältlichen Erdnüsse Spurenelemente des von einem Schimmelpilz abstammenden Giftes Aflatoxin enthalten und daher weder roh noch verarbeitet in die EU exportiert werden dürfen. Aus europäischer Sicht mag das irrelevant erscheinen. Denn Erdnüsse werden auch anderswo angebaut, wobei sich die Aflatoxin-Problematik überall auf der Welt stellt, auch bei ökologischer Produktion. Gleichzeitig entwickelt sich Aflatoxin im Sahel zunehmend zu einem Politikum, denn Erdnüsse sind ein Grundnahrungsmittel. Wir haben daher mit der Koordinatorin von Musow Lafia, Aissata Soumaoro, und der Pflanzenwissenschaftlerin Tembine Alimatou gesprochen, die beide in der malischen Hauptstadt Bamako leben. Unsere Frage lautete, wie Aflatoxin bekämpft und der Export von Erdnussmus aus Mali doch noch ermöglicht werden kann. Vor allem aber ging es um die heimischen Märkte, das heißt um die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass alle Menschen im Sahel Zugang zu gesunden Lebensmitteln erhalten.

Seit mehr als einem Jahr blockieren Spurenelemente eines natürlichen Pflanzengiftes euren Verkauf von Erdnussmus nach Europa. Worum geht es genau?

Aissata Soumaoro: Wir verarbeiten seit 2018 lokale Produkte wie Fonio-Getreide oder Erdnüsse. Da wir mit unseren Produkten in Mali kaum Gewinne erwirtschaften können, beschlossen wir nach einer erfolgreich verlaufenen Testphase, im größeren Stil Erdnussmus nach Deutschland zu exportieren. Doch dann erfuhren wir, dass das Forschungsinstitut, an dem Tembine arbeitet, in vielen in Mali angebauten Erdnusskulturen Aflatoxin nachgewiesen hat. Gleichzeitig hörten wir von Aflasafe, einem natürlichen Produkt, das in den Boden eingebracht und den Aflatoxingehalt in Erdnüssen drastisch reduzieren kann. Wir haben daher Kontakt zu einem Frauenkollektiv in Siby aufgenommen, einem 55 km von Bamako entfernten Dorf, das Erdnüsse anbaut und seine Bereitschaft erklärt hat, seinen Boden mit Aflasafe zu bearbeiten.

Tembine, du bist Pflanzenwissenschaftlerin, seit wann beschäftigt sich dein Institut mit der Aflatoxin-Problematik?

Tembine Alimatou: Wir haben 2020 mit unseren Forschungen begonnen, da Mais und Erdnüsse aus Mali nicht für den Export zugelassen waren. Durch unsere Analysen und die schrittweise Verbreitung von Aflasafe konnten wir den Aflatoxingehalt in verschiedenen Lebensmitteln drastisch senken. Damals wurde selbst der relativ hohe, nur für afrikanische Märkte gültige Wert von 40 Mikrogramm überschritten – konkret ist mit 1 Mikrogramm ein Millionstel Gramm pro Kilo gemeint. Doch mittlerweile können wir mit unseren Produkten immer niedrigere Grenzwerte einhalten, etwa die 20 Mikrogramm für die USA, 10 Mikrogramm für das Welternährungsprogramm oder 4 Mikrogramm für die EU.

Was sind die gesundheitlichen Auswirkungen?

Tembine Alimatou: Es gibt Studien, die besagen, dass 30 Prozent der Leberkrebsfälle in Afrika auf Aflatoxin zurückzuführen sind. Und Aflatoxin verursacht auch andere Krankheiten: Wunden, die nicht heilen oder Allergien. Kontaminiertes Tierfutter kann außerdem die Eierproduktion verringern und zu erhöhter Kükensterblichkeit führen. Und auch gelangt Aflatoxin durch den Verzehr von Milch oder Fleisch in den menschlichen Organismus.

Das klingt dramatisch. Wie hat die Politik in Mali auf eure Forschungen reagiert?

Tembine Alimatou: Anfangs war das Problem wenig bekannt, aber vieles hat sich geändert. Mittlerweile ist für den malischen Markt ein Grenzwert von 20 ?g erlassen worden – als Orientierung dienen unsere Messungen.

Das ist beeindruckend. Ist sich denn die Bevölkerung des Problems bewusst?

Aissata Soumaoro: Ich hatte das Glück, von Aflatoxin zu hören, aber 90 Prozent der Malierinnen wissen nichts davon. Erdnüsse sind ein Grundnahrungsmittel, sie werden in Soßen verarbeitet, im Alltag geknabbert und als Erdnussöl zum Kochen verwendet. Wir Produzentinnen und Verarbeiterinnen müssen also die Leute informieren, zusammen mit den Wissenschaftlerinnen. Wir müssen in die Dörfer gehen, auf die großen und kleinen Märkte, auch von Tür zu Tür, um über die gravierenden Gesundheitsrisiken zu informieren. Auch Ärzt*innen sollten einbezogen werden.

Die Mühlen, mit denen die Erdnüsse gemahlen werden, sollen ebenfalls ein Problem darstellen. Warum?

Aissata Soumaoro: Selbst wenn wir gute Nüsse mit gesundheitlich unbedenklichem Aflatoxingehalt gekauft haben, müssen wir die Erdnüsse in den Mühlen auf den Märkten mahlen. Das aber führt über Restbestände von Aflatoxin aus anderen Produkten zur Kontamination unserer Erdnüsse. Um also gesundes Erdnussmus produzieren und exportieren zu können, brauchen wir unbedingt eine eigene Mühle, ohne jeden Rest von Aflatoxin.

Wie sensibilisiert ihr als Wissenschaftler*innen die Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten?

Tembine Alimatou: Wir haben in den vier Regionen Sikasso, Kayes, Koulikoro und Ségou begonnen. Am Anfang, als wir den Landwirtinnen erklärt haben, dass Aflatoxin für schwere Krankheiten verantwortlich ist, waren sie zunächst skeptisch, einfach, weil sie vor allem die zusätzlichen Kosten sahen, sollten sie tatsächlich Aflasafe anwenden. Wir gaben ihnen dann Aflasafe kostenlos für zwei Jahre, damit sie selbst sehen können, wie sich das Gift reduziert und sie dadurch sogar bessere Einkommen erzielen können. In jeder der vier Regionen haben 100 Landwirtinnen teilgenommen, auch für Schulungen bezüglich Trocknung und Konservierung. Insgesamt ist der Aflatoxin-Gehalt bei allen Teilnehmer*innen deutlich gesunken, bei 80 Prozent sogar bis auf 2 Mikrogramm.

Das heißt, ihr seid optimistisch, dass Mussow Lafia sein Projekt wieder aufnehmen kann, Erdnussmus nach Europa zu exportieren?

Tembine Alimatou: Wenn wir im Dezember neue Messungen machen, primär bei Produzent*innen aus unserem Programm, kann Musow Lafia selbstverständlich all jene Erdnüsse für den Export verwenden, die die EU-Grenzwerte einhalten.

Aissata Soumaoro: Ja, das wäre super! Ich möchte daher noch einmal extra betonen, dass Tembine auch unsere Freundinnen aus dem Frauenkollektiv in Siby ausgebildet hat, mehr als 70 Frauen.

Was ist euer aktuelles Zwischenfazit, auch bezüglich Musow Lafia?

Tembine Alimatou: Ich möchte mich bedanken, dass sich Aissata und euer Netzwerk um Lösungen für die Aflatoxin-Problematik bemühen. Denn letztlich ist es ein Problem, das überall auf der Welt existiert, nicht nur bei uns.

Aissata Soumaoro: Wir brauchen wirklich Unterstützung, um die Produkte, die in Afrika hergestellt werden, in Europa verkaufen zu können. Wenn es in Mali ein Bewusstsein dafür gibt, Bio-Produkte von guter Qualität herzustellen, und wenn diese Produkte frei zirkulieren und ein gutes Einkommen schaffen können, dann kann sich die afrikanische Jugend endlich frei entfalten – als Gegenstück zur Bewegungsfreiheit von Migrant*innen, die wir ebenfalls fordern.