Newsletter Nr. 23 (Juli 2020)
Unser letzter Newsletter liegt schon über zwei Monate zurück. Hintergrund ist nicht so sehr, dass wir coronabedingt eine Pause eingelegt hätten. Vielmehr haben sich auch unsere Bedingungen als transnationales Netzwerk in den letzten Monaten grundlegend geändert – und das aus mindestens drei Gründen: Erstens, weil wir zur Zeit nur unter erschwerten Bedingungen Treffen abhalten können – und das gilt natürlich auch für Besuche von afrikanischen Aktivist*innen in Europa (und umgekehrt). Zweitens, weil Corona die Lebensbedingungen insbesondere in den afrikanischen Ländern einmal mehr zugespitzt hat, nicht zuletzt auf der sozio-ökonomischen Ebene. Und drittens, weil öffentlichkeitswirksame Aktionen derzeit ungleich schwerer umzusetzen sind als sonst, auch mit Blick darauf, dass die allgemeine Aufmerksamkeit überproportional stark von Corona in Beschlag genommen wird. Nun, wir glauben, dass wir diese Problematik nicht näher ausführen müssen, die meisten von Euch bzw. Ihnen dürften ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Allerdings möchten wir noch auf einen diesbezüglichen Kommentar in der taz aufmerksam machen, den zwei Mitarbeiter*innen der Bewegungsstiftung verfasst haben, von der Afrique-Europe-Interact mittlerweile zum zweiten Mal eine 3-jährige Basisförderung erhalten hat:
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Wir möchten jetzt zu unseren jüngsten Aktivitäten kommen, die es ja durchaus – trotz der Schwierigkeiten – gibt, wobei es aus den eben genannten Gründen kein Zufall sein dürfte, dass sich darunter ungleich mehr Aktivitäten aus dem Bereich „Solidarität und praktische Hilfe“ befinden als sonst:
+++ Alarmphone Sahara: Neue Studie // Küche für Migrant*innen in Agadez
+++ Videos zu Corona in Afrika
+++ Vielfachkrise in Mali bzw. im Sahel insgesamt (Debatte)
+++ Gesundheitsstation in Soukoutadala (Mali)
+++ Assoziation der Abgeschobenen Togos: Viehzuchtprojekt für junge Abgeschobene
+++ Rasthaus „Baobab“ für Migrantinnen und ihre Kinder in Rabat (Marokko)
+++ Termine: Theater und Konferenz „Zukunft für alle“ in Leipzig
+++ Afrique-Europe-Interact im Netz & Spenden
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a) Alarmphone Sahara: Neue Studie // Küche für Migrant*innen in Agadez
In der taz vom 30.07.2020 befindet sich ein sehr wichtiger Artikel, in dem auch das von Afrique-Europe-Interact mitgegründete Alarmphone Sahara erwähnt wird:
„Tödliche Reise durch Afrika. Auf ihrer Reise zur Mittelmeerküste erleiden Flüchtlinge und Migrant*innen schwere Gewalt, viele sterben. Das geht aus einem neuen Bericht hervor.“
Besagter Bericht wurde vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Forschungsstelle Mixed Migration Center (MMC) des Dänischen Flüchtlingsrats veröffentlicht – einmal mehr wird dort auf das hohe Risiko hingewiesen, dem Migrant*innen und Geflüchtete auf der Wüstenpassage ausgesetzt sind:
Mitglieder des Alarmphones in Niger haben in den letzten 12 Monaten immer wieder Rettungsaktionen (mit-)durchgeführt, deshalb arbeiten wir weiterhin daran, unser Spendenaufkommen zu erhöhen und so langfristig regelmäßige Patrouillenfahrten in bestimmten Wüstenabschnitten zu ermöglichen – zusätzlich zu den sonstigen Aktivitäten des Alarmphone Sahara. Eine dieser Aktivitäten ist eine öffentliche Küche für Migrant*innen, die derzeit in der Wüstenstadt Agadez blockiert sind – unter anderem wegen der im Zuge von Corona geschlossenen Grenzen. Ziel des Projekts ist nicht nur die Essenausgabe, wobei ein gutes Essen für viele der Migrant*innen extrem wichtig ist. Vielmehr geht es auch darum, mit den einzelnen migrantischen Communities näher in Kontakt zu treten – auch um sich auszutauschen und wechselseitiges Vertrauen aufzubauen. Fotos und Berichte von den ersten Terminen finden sich auf unseren Webseiten:
Zur Alarmphone Sahara Webseite
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b) Videos zu Corona in Afrika
Seit Beginn der Corona-Krise haben wir in unregelmäßigen Abständen kurze Videos mit deutschen Untertiteln veröffentlicht, in denen einiger unserer Mitstreiter*innen über die Corona-Krise in verschiedenen afrikanischen Ländern berichten – insbesondere mit Blick auf die sozialen und ökonomischen Auswirkungen von Corona. Die Videos finden sich auf unserer Webseite und sind aus unserer Sicht alle sehenswert, gerade auch in ihren jeweils unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen:
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c) Vielfachkrise in Mali bzw. im Sahel insgesamt
Die meisten dürften es aus der allgemeinen Berichterstattung mitbekommen haben: Die Vielfachkrise nicht nur in Mali, sondern auch in den anderen Sahelstaaten geht weiter. Die Ursachen dieser Krisen sind ausgesprochen vielfältig. Denn salopp gesagt, drückt sich darin vieles von dem aus, was in den letzten Jahrzehnten schlecht gelaufen ist – auch (aber nicht nur) im Verhältnis zwischen den Ländern des Sahels und der westlichen Welt. Umso bedauerlicher ist es, dass die Konflikte im Sahel hierzulande immer wieder ohne die Stimmen von Akteuren aus den Sahelländern diskutiert werden. Das ist der Grund, weshalb wir uns im Juni einmal mehr mit einem Debattentext unter dem Titel „Für eine multiperspektivische Sahel-Debatte – Antworten an die Forschungsstelle Flucht und Migration“ zu Wort gemeldet haben:
Aufhänger dieser Debatte sind unterschiedliche Einschätzungen zur UN-Friedensmission MINUSMA in Mali, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist: Während zahlreiche Gruppen aus der Friedensbewegung MINUSMA rundherum ablehnen, ist Afrique-Europe-Interact zurückhaltender. Denn aus unseren Gesprächen mit unseren malischen Mitstreiter*innen wissen wir, dass große Teile der Bevölkerung die verschiedenen Militäroperationen zwar vehement kritisieren (insbesondere das Vorgehen der französischen Armee), gleichzeitig aber auch auf die Notwendigkeit hinweisen, als Zivilbevölkerung gegen bewaffnete Angriffe geschützt zu werden.
Ungeachtet dessen möchten wir betonen, dass wir den konkreten Zuschnitt der Debatte ausdrücklich bedauern. Denn anders, als es zum Beispiel die Informationsstelle Militarisierung in Tübingen (IMI) Afrique-Europe-Interact immer wieder nachsagt, denken wir nicht, dass die Sahelkrise militärisch gelöst werden könnte. Wir akzeptieren allerdings (denn uns würde es nicht anders gehen), dass die Menschen im Sahel Schutz einfordern, notfalls auch durch bewaffnete Kräfte. Hier einen (nicht-eskalativen) Ausweg zu finden, ist nicht einfach. Vielmehr erfordert es die Bereitschaft zuzuhören und sich auch auf Positionen einzulassen, die zunächst einmal falsch oder abwegig erscheinen mögen.
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d) Gesundheitsstation in Soukoutadala (Mali)
Zur Vielfachkrise in Mali gehört auch der fundamentale Mangel an sozialer Infrastruktur, unter anderem im Gesundheitsbereich. Vor diesem Hintergrund hat Afrique-Europe-Interact in Soukoutadala im Südwesten Malis mit dem Aufbau einer Gesundheitsstation begonnen (inklusive Ausbildung von drei Dorfbewohner*innen als Krankenpfleger*innen) – nachdem das ursprüngliche Projekt eines kleinen Ambulanzschiffes wegen zu niedriger Wasserstände im Zuge des Klimawandels nicht in der beabsichtigten Form umgesetzt werden konnte. Fotos und ein kurzer Bericht hierzu finden sich auf unserer Webseite:
Zu den Fotos und dem kurzen Bericht
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e) Assoziation der Abgeschobenen Togos: Viehzuchtprojekt für junge Abgeschobene
Abgeschobene sind häufig nicht nur sozialer Stigmatisierung ausgesetzt (weil sie von Familienmitgliedern, Nachbar*innen oder Freund*innen als Versager*innen betrachtet werden), sie haben auch große Schwierigkeiten, wieder Fuß zu fassen. Vor diesem Hintergrund hat die Assoziation der Abgeschoben Togos (die seit 2011 Mitglied bei Afrique-Europe-Interact ist) im Juni 2020 ein Viehzuchtprojekt für junge Abgeschobene begonnen. Ziel ist es, die aus Nordafrika oder Europa mehr oder weniger unfreiwillig Zurückgekehrten praktisch zu unterstützten. Gleichzeitig soll dies mit Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich der EU-Abschottungspolitik verbunden werden – also auch mit der Frage, inwiefern die afrikanischen Regierungen so gut wie nichts tun, um die Rechte und Interessen der Migrant*innen aus ihren Ländern zu verteidigen. Bilder von dem Viehzuchtprojekt finden sich auf unserer Webseite, ein Bericht von der Assoziation der Abgeschobenen Togos folgt in den nächsten Wochen:
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f) Rasthaus „Baobab“ für Migrantinnen und ihre Kinder in Rabat (Marokko)
Das von Afrique-Europe-Interact zusammen mit der Migrant*innen-Organisation ARCOM betriebene Rasthaus „Baobab“ in Rabat ist weiterhin geöffnet. In unserem letzten Newsletter haben wir von einer Essensverteilung an Migrant*innen während des (äußerst scharfen) Lockdowns berichtet, dieses Mal möchten wir auf einen von medico international veröffentlichten Artikel über das Rasthaus aufmerksam machen. Denn das Rasthaus wird unter anderem von medico international finanziell unterstützt (der Artikel ist schon am 30. März 2020 erschienen, wir hatten ihn bislang aber noch nicht verlinkt):
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g) Termine: Theater und Konferenz „Zukunft für alle“ in Leipzig
Eigentlich hätte im August in Leipzig eine große Konferenz unter dem Titel „Zukunft für alle“ stattfinden sollen, die auch von Afrique-Europe-Interact mitorganisiert wird. Coronabedingt ist die Konferenz komplett ins Netz verschobenen worden – unter anderem mit einem Workshop von Afrique-Europe-Interact zu zirkulärer Migration (mit Referent*innen aus Mali, Niger und Tunesien/Deutschland). Wer sich informieren oder anmelden möchte, sei auf die Webseite verwiesen, unser Workshop wird am 29. August 2020 über die Bühne gehen:
https://www.zukunftfueralle.jetzt/
Darüber hinaus möchten wir auf die Theateraufführungen von Riadh Ben Ammar verweisen, der zu den Gründungsmitgliedern von Afrique-Europe-Interact gehört. Im August wird Riadh auf öffentlichen Plätzen unter anderem in Dresden, Leipzig, Pirna und eventuell Bayreuth spielen (sobald die Termine feststehen, werden sie auf unserer Webseite veröffentlicht werden), zudem freut sich Riadh über weitere Einladungen: theaterfuerbewegungsfreiheit@gmail.com
Riadhs aktuelles Stück heißt „Die Falle“ – Stichworte aus der Ankündigung lauten: “‘Wir schlafen nur, wenn die Sonne aufgeht…, dann sind wir sicher, dass die Vampire nicht mehr kommen‘, so Momo, Bewohner einer Geflüchtetenunterkunft in Sachsen. Ein Theater von Tanger nach Pirna, über die geschlossene EU-Außengrenze und ihre Missverständnisse. Betrüger*innen? Dann lass uns darüber reden!“
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h) Afrique-Europe-Interact im Netz & Spenden
Wir möchten den Newsletter beenden wie üblich: Für obige und andere Aktivitäten ist Afrique-Europe-Interact auf laufende (steuerlich absetzbare) Spenden angewiesen – jeder Betrag ist willkommen. Außerdem ist Afrique-Europe-Interact auch im Netz aktiv, mittlerweile auch regelmäßig auf Twitter und Facebook…
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