Afrique-Europe-Interact: Newsletter Nr. 9 (März 2016)
1. Watch The Med Alarmphone
Erstmalig haben wir in unserer 4-seitigen taz-Beilage im Dezember 2014 über das von Afrique-Europe-Interact und zahlreichen anderen Netzwerken gegründete Notruf-Telefon für Geflüchtete in Seenot berichtet. Allein im ersten Jahr standen die ehrenamtlichen Aktiven des Alarmphones mit rund 1.200 Booten im Kontakt, auf denen sich über 60.000 Menschen befunden haben. Wie die Arbeit der Notfallnummer praktisch funktioniert, wird in einer Broschüre des Alarmphone ausführlich erläutert, die im Februar 2016 auf deutsch und englisch veröffentlicht wurde:
2. Gedenken an tote Bootsflüchtlinge in Mali
Anlässlich des Internationalen Tags der Migrant_innen hat am 19.12.2015 in der Stadt Kita in Mali eine Gedenkveranstaltung für jene Migrant_innen aus Mali stattgefunden, die im vergangenen Jahr auf dem Weg nach Europa ums Leben gekommen sind. Bei der Gedenkveranstaltung mit über 250 Teilnehmer_innen wurde nicht nur der Toten gedacht. Vielmehr sind auch die europäischen und afrikanischen Regierungen kritisiert worden, letztere deshalb, weil sie bis heute so gut wie keine Kritik an der europäischen Abschottungspolitik formuliert haben und somit ihre eigenen Bürger_innen schlicht nicht schützen:
Insgesamt hat die Aktion einiges in der Region Kita in Bewegung gebracht, vor allem haben sich viele Teilnehmer_innen aus unterschiedlichen Dörfern direkt an die lokale Gruppe von Afrique-Europe-Interact gewandt und um eine Fortsetzung des Austauschs gebeten. Entsprechend ist eine gemischte Delegation aus malischen und europäischen Aktivist_innen im Februar 2016 in der Region Kita unterwegs gewesen, unter anderem in Balandougou, wo bei einer großen Versammlung in der örtlichen Schule zahlreiche Menschen über tödlich verunglückte Familienmitglieder berichtet und dies zugleich mit zum Teil äußerst beklemmenden Schilderungen der sozialen Situation der hinterbliebenen Familien verknüpft haben. Was aus solchen Versammlungen langfristig werden kann, ist noch völlig offen. Um so wichtiger ist uns der Hinweis, dass sich viele Menschen bei unserer Delegation insbesondere dafür bedankt haben, dass wir zunächst einmal einfach nur zugehört haben – denn so etwas sei hier noch nie vorgekommen, so der Tenor. Zudem ist auch die Vorstellung des Watch The Med Alarmphone auf großes Interesse gestoßen, denn auf Rückfrage bestätigten viele der Anwesenden, dass sie weiterhin Angehörige und Freund_innen kennen würden, die sich auf dem Weg Richtung Europa befinden würden.
3. Interne Migration – Zusammenarbeit mit Soukoutadala
Vor dem Besuch in Balandougou ist besagte Delegation auch in Soukoutadala gewesen, ebenfalls in der Region Kita. Eine Mitgliedsgruppe von Afrique-Europe-Interact aus Bamako steht schon lange in engem Austausch mit dem äußerst abgelegenen Dorf, aus dem viele der jungen Männer in die interne Migration gehen, worunter die Abwanderung insbesondere in (Gold-)Minengebiete in anderen Teilen Malis oder in Nachbarländern verstanden wird (wobei die entsprechende Arbeit häufig äußerst gefährlich ist, zudem sind die damit verknüpften Lebensbedingungen absolut katastrophal). Insgesamt ist es in Soukoutadala vor allem um entwicklungsbezogene Fragestellungen gegangen sowie darum, ob bzw. inwiefern Afrique-Europe-Interact den Kampf für eine befestigte Straße bzw. Piste unterstützen könnte. Darüber hinaus hat Afrique-Europe-Interact den Kauf einer Wasserpumpe zugesagt, mit dem die Frauen des Dorfes die gemeinschaftlich bewirtschaftete Gemüsegartenfläche erheblich vergrößern und somit einen wichtigen Beitrag gegen den allenthalben bestehenden Hunger leisten können. Außerdem wurde dem Frauenkollektiv ein Kredit für den Kauf eines Mühlenaufsatzes zur Verfügung gestellt. Beide Maschinen wurden mittlerweile in Bamako gekauft und von Aktivist_innen aus Bamako und Kita den Frauen von Soukoutadala übergeben (Bilder von unserem Besuch in Soukoutadala werden demnächst auf Webseite veröffentlicht).
4. Rasthaus in Rabat
Anlässlich einer von Afrique-Europe-Interact unterstützten Protestaktion von Migrant_innen in Rabat am 06.02.2016 hat eine 5-köpfige Delegation von Afrique-Europe-Interact die beiden Rasthaus-Wohnungen unseres Netzwerks in Rabat besucht, in denen 20 Migrantinnen und ihre Kinder bis zu 3 Monate unterkommen können. Die meisten der Frauen haben die Wüstenpassage gerade hinter sich gebracht, gleichzeitig spitzt sich die Situation von Migrant_innen in Marokko immer stärker zu – schlicht deshalb, weil die EU die Länder des Maghrebs zunehmend unter Druck setzt (durch eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche), ihre Grenzen Richtung Europa möglichst umfassend abzuriegeln. Weitere Informationen zum Rasthaus (inklusive eines regelmäßig erscheinenden Newsletters) befinden sich auf unserer Webseite:
Außerdem sind dort Berichte und Bilder von der Aktion am 06.02.2016 dokumentiert, die in Erinnerung an jene mindestens 15 Migrant_innen stattgefunden hat, die am 06.02.2014 ihr Leben verloren haben, weil sie versucht hatten, die spanische Enklave Ceuta schwimmend zu erreichen und dabei von der spanischen Guarda Civil mit Gummigeschossen und Tränengas beschossen worden waren (weitere Aktionen haben unter anderem in Berlin und Bamako stattgefunden – ebenfalls jeweils unter Beteiligung unseres Netzwerks):
Link zu Aktion am 6. Februar 2016
5. Landkämpfe in Mali – Falschinformationen vom BMZ
Im Dezember hat das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) all jenen Unterstützter_innen von Afrique-Europe-Interact einen Brief geschickt, die sich im September 2015 mit einem Protestbrief an das BMZ gewandt hatten. In diesem Antwortschreiben wurde unter anderem behauptet, dass es im Falle der von Afrique-Europe-Interact unterstützten Dörfer Sanamadougou und Sahou bereits am 20.12.2016 ein rechtsverbindliches Urteil gegen die beiden Dörfer gegeben habe. Wie ist es zu dieser Information gekommen ist, wollen wir noch über eine kleine Anfrage im Bundestag in Erfahrung bringen. Denn Fakt ist, dass an diesem Tag kein rechtsverbindliches Urteil gefällt wurde, sondern das Gericht beschlossen hat, einen unabhängigen (bis heute nicht tätig gewordenen) Gutachter zur näheren Klärung des Sachverhalts zu bestellen. Doch leider war dies nicht die einzige Falschinformation, die das BMZ in seinem Brief verbreitet hat. Entsprechend haben wir die diesbezüglichen Sachverhalte (inklusive einer Kopie des fraglichen Gerichtsurteils vom 20.12.2012) Anfang Februar in einem Brief an das BMZ, an die Afrikanische Entwicklungsbank, an die malische Regierung und an einige westliche Botschaften in Mali geschickt. Der Brief ist auf unserer Webseite dokumentiert, und sollte es Leute geben, die im Herbst 2015 unsere Fax-Kampagne unterstützt und daher im Dezember Post vom BMZ empfangen haben, würden wir uns natürlich freuen, wenn ggf. beim BMZ nachgehakt würde, was es mit diesen Falschbehauptungen auf sich hat (wir selbst wollen erst einmal die kleine Anfrage abwarten und werden wohl im nächsten Newsletter nochmal zu einer Protestaktion aufrufen):
Noch skandalöser stellt sich indessen ein Fall dar, über den wir bereits in unserer letzten taz-Beilage im Dezember 2015 geschrieben hatten: Im Rahmen eines seit 2014 offziell abgeschlossenen Projekts der Deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist es ganz offensichtlich zu massiver Korruption auf malischer Seite gekommen: Anstatt die frisch bewässerten Ackerflächen an die dafür vorgesehen kleinbäuerlichen Familien zu vermitteln, haben sich korrupte Funktionäre in Mali beträchtliche Teil des Landes selber angeeignet. Wir haben die Deutsche Botschaft, das BMZ und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (die für das Projekt unmittelbar verantwortlich ist) bereits im Februar und April 2015 auf die entsprechenden Probleme aufmerksam gemacht, doch leider hat das BMZ im Juni 2015 in einem Brief an Afrique-Europe-Interact mitgeteilt, dass bei einer erneuten Prüfung keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden seien. Vor diesem Hintergrund hat Afrique-Europe-Interact vor drei Wochen mit einem der betroffenen Dörfer eine große Versammlung durchgeführt, an der auch zahlreiche Zeitungs- und Radiojournalisten teilgenommen haben – und das mit beeindruckender Wirkung. Denn der Chef des Office du Niger (der Bewässerungszone, in dem die Dörfer liegen) hat nicht nur einige derjenigen Journalisten direkt angerufen, deren Artikel bereits veröffentlicht waren, sondern auch Afrique-Europe-Interact zu einer Unterredung nach Segou eingeladen. Das Treffen selbst war unterdessen eine äußerst durchwachsene Erfahrung. Denn unsere Delegation, an der auch einer der bäuerlichen Aktivisten von Afrique-Europe-Interact beteiligt war, wurde von den anwesenden Funktionären zum Teil wüst beschimpft und bedroht, wobei uns bis heute nicht klar ist, ob das Treffen schlicht aus dem Ruder gelaufen ist oder ob es sich um gezielte Einschüchterungsversuche gehandelt hat. Auf jeden Fall haben wir uns diesbezüglich mit einem ab 14.03.2015 ebenfalls auf unserer Webseite abrufbaren Brief ausführlich an das BMZ und die malischen Behörden gewandt:
Link zu Siengo Extension-Infos
6. Mikrokredit für bäuerliche Basisgewerkschaft COPON
Die Proteste im Office du Niger werden nicht zuletzt von der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON koordiniert – der größten Mitgliedsgruppe von Afrique-Europe-Interact in Mali. Zur Finanzierung einiger ihrer Aktivitäten wird unser Netzwerk der COPON im Mai einen Kredit von maximal 3.000 Euro geben, damit ein gewisser Teil des Düngers gekauft werden kann, den die Mitglieder der COPON für ihre Felder brauchen. Konkret ist beabsichtigt, für den Kredit (der ansonsten bei der Bank genommen werden müsste) ebenfalls Zinsen zu zahlen, aber nicht an Afrique-Europe-Interact, sondern an die Kasse der COPON.
7. Fasokele: Festival “Welt ohne Grenzen” und Landkauf in Guinea
In unserer letzten taz-Beilage haben wir über das panafrikanische Künstler_innenkollektiv Fasokele berichtet, das derzeit noch in Bamako lebt, ab Mai jedoch ein ökologisches Künstler_innendorf in Guinea aufbauen möchte:
Links zu Artikel über Künstler_innendorf
Durch zwei erfolgreiche Finanzanträge konnten nun Mitte Februar die ersten zwei Hektar Land gekauft werden, außerdem stehen Gelder für zwei Hütten, für die Anlegung eines Gemüsegartens und für weitere infrastrukturelle Maßnahmen zur Verfügung. Wir werden von nun an regelmäßig über das Projekt berichten, wozu im Übrigen auch gehört, dass Fasokele vom 05.-07.02.2016 sein fünftes Festival “Welt ohne Grenzen” ausgerichtet hat, diesmal an drei Tagen in drei verschiedenen Stadtteilen in Bamako, mit insgesamt weit über 1.000 Besucher_innen.
8. Filmtour zur Revolution in Burkina Faso
Mit etwas Verzögerung ist inzwischen der von den beiden AEI-Aktivisten Hans-Georg Eberl und Moussa Ouédraogo produzierte Film “Mit bloßen Händen” zur erfolgreichen Revolution in Burkina Faso fertig gestellt worden. Zusammen mit vier Aktivist_innen der malischen Sektion von Afrique-Europe-Interact haben die beiden Filmemacher den Film im Februar in mehreren Orten in Burkina Faso der Öffentlichkeit vorgestellt und durchweg äußerst positiven Zuspruch erhalten. Die Filmtour, die aus Kino- und Freilichtvorführungen bestand, war zudem ein weiterer Schritt im Aufbau einer Sektion von Afrique-Europe-Interact in Burkina Faso. Weitere Infos unter:
9. Fischzucht in Bamako
Eine der Mitgliedsgruppen von Afrique-Europe-Interact ist eine Fischer_innenkollektiv, das wegen der Krise im Norden Malis sowie den Auswirkungen des Klimawandels auf den Fischbestand im Niger in den letzten Jahren aus der Region Mopti nach Bamako übergesiedelt ist. 2014 hat Afrique-Europe-Interact eine Ausbildung des Kollektivs in Fischzucht finanziert und dies mit der Finanzierung eines ersten kleinen Fischzuchtbeckens verknüpft. Durch eine Verkettung glücklicher Zufälle ist mittlerweile nicht nur eine niederländische NGO, sondern auch das malische Ministerium für Fischerei auf die Gruppe aufmerksam geworden. Ergebnis ist, dass es mittlerweile 8 Becken gibt, unter anderem ein großes aus Netzen in einem Seitenarm des Nigers – letzteres finanziert vom Fischereiministerium, nachdem Afrique-Europe-Interact eine Ko-Finfanzierung von 1.200 Euro zugesagt hatte. Insgesamt sind wir mit dieser Entwicklung sehr zufrieden, denn sie entspricht exakt dem Selbstverständnis und den Möglichkeiten unseres Netzwerks: Wir sind keine NGO mit großem Budget, sondern ein Netzwerk aktivistischer Basisgruppen. Gleichzeitig wollen wir mit kleinen Beträge die Mitgliedsgruppen des Netzwerks punktuell unterstützen, um auf diese Weise weitergehende Entwicklungen zu ermöglichen – ganz ähnlich, wie wir es bereits weiter oben von Soukoutadala berichtet haben.
10. Kommende Aktivitäten
Auch wenn an dieser Stelle noch nicht alles gesagt ist, so haben zumindest die meisten Projekte aus der jüngeren Zeit Erwähnung gefunden. Insofern möchten wir jetzt noch darauf hinweisen, wie es in den nächsten Monaten weitergehen soll. Klar ist, dass sämtliche der in diesem Newsletter skizzierten Aktivitäten fortlaufende Projekte sind – wozu im Übrigen auch stets parallel erfolgende Konsolidierungsbemühungen gehören (etwa durch die Anmietung kleiner Büros oder die Bereitstellung von Internetanschlüssen). Darüber hinaus möchten wir auch in Europa bzw. Deutschland in den nächsten Monaten verstärkt auf die derzeitige Flüchtlings- und Migrationspolitik reagieren. Entsprechend ist unter anderem eine Aktion Ende März vor der marokkanischen und tunesischen Botschaft geplant – mit Blick auf die jüngsten Vereinbarungen zwischen Deutschland und den Maghrebländern zu Abschiebungen (zum Beispiel wurde in der tunesischen Presse nach dem Besuch des Deutschen Innenministers De Maizière nahezu auschließlich davon berichtet, dass Deutschland Ausrüstungsgüter zur Sicherung der libyisch-tunesischen Grenzen gegen islamistische Terroristen liefern wolle, ohne jedoch darauf einzugehen, dass sich Tunesien im Gegenzug zur Rücknahme von abgeschobenen Tunesiern bereit erklärt hat, was in Tunesien angesichts der krassen Armut vor allem im Süden des Landes keinesfalls eine populäre Entscheidung ist).
Des Weiteren ist als größeres Projekt geplant, im Sommer in enger Kooperation mit der CISPM (Internationale Koalition der Papierlosen und Migrant_innen) eine sogenannte NoStress-Tour zu organisieren – eine Serie von Konzerten vor Flüchtlingslagern, um auf diese Weise Geflüchtete zur Selbstorganisierung einzuladen (und natürlich auch zur Mitarbeit bei Afrique-Europe-Interact):
11. Webseite
Schließlich noch der Hinweis, dass wir uns stets bemühen (wenn auch bisweilen mit gewissen Verzögerungen), sämtliche unserer Kampagnen und Projekte auf unserer Webseite zu dokumentieren. Zudem ist dort auch unsere Kontoverbindung für Spenden jeder Art zu finden: www.afrique-europe-interact.net