Nein zu Abschiebungen aus Algerien in den Niger! Nein zur Kriminalisierung von Migration und der Schließung von Grenzen und Migrationsrouten im Niger!
Erklärung zum Aktionstag "Bewegungsfreiheit statt Abschiebungen"
Die folgende Erklärung stammt vom Koordinationskomitee des Alarme Phone Sahara in Agadez, Niger, und wurde im Rahmen des Aktionstags Bewegungsfreiheit statt Abschiebungen an seine Exzellenz Herrn Botschafter Souleymane Issakou übergeben.
Die französische Version befindet sich hier
Ihre Exzellenz, sehr geehrter Herr Botschafter Souleymane Issakou,
das Netzwerk Afrique-Europe Interact und Alarme Phone Sahara wenden sich an Sie wegen einer dringenden Situation, die die Migrant*innencommunities zwischen Algerien und Niger erleben:
Niger ist ein Staat im Fokus der Externalisierung europäischer Grenzen. Im Herzen des afrikanischen Kontinents gelegen, gilt Niger als das Transitland schlechthin für Kandidat*innen der Migration nach Europa. Deswegen gehört es zu den Ländern, die von europäischen Staaten ins Visier genommen werden, um Strukturen zur Migrationskontrolle zu implementieren. Niger ordnet seine Migrationspolitik in einen allgemeinen internationalen und nationalen Kontext ein, der durch Schwerpunktsetzungen bezüglich Sicherheit, Migration und Entwicklung von Grenzgebieten geprägt ist.
Neben der Unterbringung von UNHCR-Flüchtlingslagern in Agadez und Hamdallaye in der Nähe der Hauptstadt Niamey hat Niger ein zentrales Instrument zur Kriminalisierung von Migration verabschiedet und umgesetzt: das „Gesetz 036-2015“. Auf der Grundlage dieses Gesetzes wurden bereits viele Menschen, die beschuldigt wurden, mit Migrant*innen zu arbeiten oder sie zu transportieren, ins Gefängnis gesteckt und ihre Fahrzeuge beschlagnahmt. Diese Politik der Kriminalisierung hat die Migrationsrouten noch gefährlicher gemacht, denn die Fahrer nehmen abgelegene Routen, weit weg von den offiziellen Straßen, wo das Risiko, sich zu verirren oder im Falle eines Unfalls nicht gefunden zu werden, hoch ist.
Wie zum Beweis dessen verschwanden im Laufe des Monats Februar 2021 immer mehr Menschen auf der Grenzroute Agadez-Libyen, die ein Friedhof unter freiem Himmel geworden ist.
Am 21. März 2021 wurden 601 Migrant*innen aus mehreren afrikanischen Ländern südlich der Sahara, darunter 10 Frauen und zwei Mädchen, abgeschoben und im Grenzgebiet zwischen Algerien und Niger mitten in der Wüste zurückgelassen und gezwungen, 15 Kilometer quer durch die Wüste zum Grenzposten von Assamaka zu laufen. Dies ist Routine für Menschen, die in sogenannten „inoffiziellen“ Konvois aus Algerien abgeschoben werden. Die Begriffe „offizieller Konvoi“ und „inoffizieller Konvoi“ stehen im Widerspruch zum Abschiebeabkommen zwischen nigrischen und algerischen Behörden in Bezug auf nigrische Migrant*innen.
Am 23. März 2021 traf ein weiterer Konvoi aus Algerien mit gewaltsam abgeschobenen Personen ein. Dieses Mal waren die meisten der Migrant*innen Nigrer*innen, darunter 917 Männer, 66 Frauen, 94 minderjährige Jungen und 87 minderjährige Mädchen. Hinzu kamen weitere Migrant*innen aus Afrika südlich der Sahara: 23 Personen aus dem Tschad, 9 aus Benin, 5 aus Nigeria, 3 aus Burkina Faso, 3 aus Mali, 2 aus Togo, eine aus Ghana und eine aus Liberia. Die hohe Anzahl von Minderjährigen unter den Abgeschobenen ist alarmierend.
Am 10. Mai kam ein weiterer Konvoi mit 1218 Menschen an, darunter 61 unbegleitete Kinder, die meisten von ihnen Kinder aus der Region Zinder im Alter zwischen 10 und 11 Jahren, von denen viele Anzeichen von Misshandlung aufwiesen. Die Praxis, minderjährige Kinder von ihren Familien und Verwandten zu trennen und sie unter Bedingungen von Gewalt und Misshandlung abzuschieben, zeigt einmal mehr die Missachtung der Rechte von Kindern durch die algerischen Sicherheitskräfte.
Diese Haltung der Ermutigung zu Abschiebungen erstreckt sich auch auf die Küstenländer, wo beispielsweise im April 2021 eine Massenrückkehr nigrischer Migrant*innen aus Ghana und der Elfenbeinküste zu beobachten war.
Trotz der Proteste der Zivilgesellschaft haben die Abschiebungen nicht aufgehört. Dies zeigt deutlich die Unnachgiebigkeit der algerischen Behörden gegenüber dieser Praxis, die die menschliche Integrität mit Füßen tritt und die den internationalen Prinzipien des Menschenrechtsschutzes widerspricht.
In Anbetracht des oben Gesagten fordern Afrique-Europe Interact und Alarme Phone Sahara
1) Den sofortigen Stopp der Abschiebungen und Pushbacks von Geflüchteten und Migrant*innen aus Algerien in den Niger!
2) Die Aufhebung des Abschiebeabkommens zwischen Algerien und Niger!
3) Der Staat Niger muss seine Verantwortung wahrnehmen, seine Bürger*innen, die in Algerien unter Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen und Abschiebung leiden, zu schützen!
4) Die Aufhebung des Gesetzes 036-2015 und das Ende der Kriminalisierung von Migration!
5) Den Schutz des Lebens von Menschen auf den Migrationsrouten im Niger! Keine Maßnahmen, die Migrant*innen in Gefahr bringen!
6) Respekt für die Menschenrechte und die Bewegungsfreiheit aller Migrant*innen und Geflüchteten auf Nigers Boden!
7) Niger muss aufhören, mit der Politik der Auslagerung der europäischen Grenzen auf afrikanischen Boden zu kollaborieren!
Im Geiste des Kampfes für eine Welt, in der es um die Achtung der Menschenrechte in ihrer ganzen Fülle geht, grüßen wir Sie ganz herzlich.
Afrique-Europe Interact & Alarme Phone Sahara
Agadez / Berlin, 21. Mai 2021
Für weitere Informationen:
Bericht auf African Arguments
Website des Alarme Phone Sahara