21. Mai 2021 | Transnationaler Aktionstag: Bewegungsfreiheit statt Abschiebungen!
Am 21. Mai planen wir einen transnationalen Aktionstag für Bewegungsfreiheit statt Abschiebungen. Wir sagen “Nein zu neokolonialer Kollaboration!” und protestieren in Berlin vor der nigrischen, tunesischen und algerischen Botschaft. Außerdem gibt es zeitgleich Protestaktionen in Agadez, Sokodé, Kindia und Bamako. Auf dieser Seite sind die Informationen zu allen Aktionen am 21.5. zu finden. Neben den unterschiedlichen Programmen für die einzelnen Städte zählen dazu der Aufruf und Erläuterungen zu den politischen Hintergründen für den Aktionstag. Die Flyer und Texte stehen auf deutsch, französisch, englisch und arabisch zum Download am Ende der Seite bereit und können gerne verbreitet werden. Die Texte und Flyer wurden von der Organisationsgruppe für den Protest in Berlin erstellt. Der inhaltliche Fokus liegt daher auf den Hintergründen zur Auswahl der drei Botschaften für den Aktionstag in Berlin.
Was findet am 21. Mai wo statt?
Berlin: Botschaftstour zu den Botschaften von Niger, Tunesien und Algerien.
Agadez/Niger: Nacht der Migrant*innen. Migrantische Künstler*innen zeigen ihr Können und setzen ein Zeichen der Menschenwürde gegen die Entmenschlichung durch Massenabschiebungen aus Algerien
Sokodé/Togo: Versammlungen und Diskussionen zur Sensibilisierung der togoischen Öffentlichkeit über Abschiebungen und Rückschiebungen von Migrant*innen nach Togo, begleitet von einem Programm im Lokalradio
Kindia/Guinea: Das Künstler*innenkollektiv Faso Kele klärt mit künstlerischen Darbietungen über Menschenrechte und menschenrechtswidrige Migrationspolitik auf und wendet sich an junge Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben
Bamako/Mali: Malische Aktivist*innen zeigen Solidarität mit der malischen Diaspora und anderen Migrant*innen-Communities gegen Abschiebungen und Menschenrechtsverletzungen auf den Migrationsrouten
Programm der Botschaftstour am 21. Mai 2021 in Berlin:
09:30 bis 10:30: Botschaft der Republik Niger. Wir fordern: Niger darf keine weiteren Abschiebungen aus Algerien akzeptieren. Beendigung der Kollaboration mit dem europäischen Migrationsregime. Nein zur Kriminalisierung von Migration, Nein zum Sterbenlassen in der Wüste. Schutz der Menschenrechte aller Migrant*innen und Geflüchteten, die im Niger in Lagern und Migrant*innen-“Ghettos” festsitzen.
12:00 bis 13:00: Tunesische Botschaft. Wir sagen Nein zur Schließung des Mittelmeerraums und Nein zu Reisedokumenten für Abschiebungen nach Tunesien.
14:30 bis open end: Algerische Botschaft. Wir fordern Schluss mit den Massenabschiebungen aus Algerien nach Niger und Mali und keine Reisedokumente für Abschiebungen aus Europa nach Algerien. Wir zeigen Solidarität mit von Repression betroffenen Aktivist*innen der algerischen Zivilgesellschaft.
Zwischen den Botschaften reisen wir am 21. Mai mit dem Öffentlichen Nahverkehr. Wir wollen die Aufenthalte an den Stationen und in Bus und Bahn für das Verteilen von Flyern nutzen und über unsere Forderungen und den Aktionstag informieren. Außerdem wird es ein paar Plätze im Solibus geben, der ebenfalls zwischen den Botschaften verkehrt. Wir achten auf die Einhaltung aller notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor Corona.
Der Aufruf für den transnationalen Aktionstag (deutsch):
Botschaftstour Niger – Tunesien – Algerien
Europa hat seine Grenzen in tödliche Festungsanlagen verwandelt, das Mittelmeer, den Atlantik und die Sahara zu Massengräbern gemacht und in Kollaboration mit unterdrückerischen und korrupten Regierungen sein Grenzregime weit auf den afrikanischen Kontinent ausgelagert.
Abschiebungen sind eine der machtvollsten und gewalttätigsten Praktiken des Grenzregimes. Abschiebungen ziehen eine gnadenlose Grenze, wer sich zwischen Ländern frei bewegen darf und für wen Bewegungsfreiheit zum unerreichbaren Privileg erklärt wird und welche Leben zählen oder als wegwerfbar gelten. Abschiebungen zementieren rassistische Spaltungen ebenso wie das Oben und Unten und die koloniale Aufteilung der Welt.
Mit dem Aktionstag “Bewegungsfreiheit statt Abschiebungen” setzen wir ein lautes Signal transnationaler Solidarität gegen Abschiebungen aus Europa in afrikanische Länder und zwischen afrikanischen Ländern. Und wir wollen ganz besonders deutlich machen, dass das Grenzregime und Abschiebungen nur dadurch funktionieren können, dass Regierungen des globalen Südens und deren Sicherheitsapparate kollaborieren:
Deutsche Abschiebepolitik und Kollaboration der Botschaften
Deutschland und andere europäische Staaten schieben regelmäßig Bürger*innen vieler afrikanischer Staaten ab. Dafür benötigen sie die Kollaboration der Botschaften oder anderer Behörden der Herkunftsstaaten, um Reisedokumente für Abschiebungen auszustellen. Beispielsweise wurden am 16. März deutschlandweit koordiniert geflüchtete Menschen per Charterflug nach Guinea abgeschoben. Davor wurden am 9. März Personen mit (angeblich) guineischer Herkunft unter Polizeigewalt und rechtswidrigen Bedingungen in Berlin vor einer guineischen Delegation vorgeführt, um sie zu “identifizieren” und Abschiebe-Papiere auszustellen. Alpha Oumar Bah, ein in Berlin lebender geflüchteter Mann aus Guinea, nahm sich vermutlich wegen Angst und Traumatisierung durch die drohende Abschiebung das Leben.
EU exportiert Grenzregime und Abschiebungen
Die Staaten der EU benutzen ihre wirtschaftliche und politische Machtposition u.a. dafür, Staaten des globalen Südens unter Druck zu setzen, dass sie bei Abschiebungen kollaborieren. Aktuell drohen sie 13 sogenannten “rücknahmeunwilligen” Staaten – darunter u.a. Mali, Senegal, Kamerun und Gambia – mit schärferen Restriktionen bei der Vergabe von Visa für deren Staatsbürger*innen.
Die Politik der Auslagerung europäischer Grenzen sorgt auch dafür, dass zahlreiche Staaten auf dem afrikanischen Kontinent es ihren Bürger*innen und den Bürger*innen anderer afrikanischer Staaten schwer machen, sich zu bewegen und die Grenzen zu passieren – und dafür, dass sie selbst viele tausende Bürger*innen anderer afrikanischer Staaten abschieben.
Der Aufbau eines repressiven Grenzregimes, den die EU-Staaten auf afrikanischem Boden vorantreiben, geht auch damit einher, dass die Machthaber*innen der betreffenden Staaten autoritäre Herrschaft gegen ihre Bevölkerung verschärfen und den Ausbau von Polizei und Sicherheitsapparaten zur Unterdrückung von Protestbewegungen nutzen.
Ähnlich wie die libyschen Milizen beweisen sich auch die Regierungen, Armeen und Polizeikräfte der Maghreb-Staaten seit Jahren als brutale Grenzwächter und beziehen dafür Geld, Waffenlieferungen und Sicherheitstechnologie aus Europa.
Algerien und Niger: Massenabschiebungen und staatliche Repression
Die algerischen Sicherheitskräfte führen regelmäßig Razzien mit Massenverhaftungen an den Wohnorten subsaharischer Migrant*innen durch und schieben tausende von Bürger*innen vieler verschiedener afrikanischer Staaten unter Misshandlungen und Lebensgefahr mit Abschiebe-Konvois in die Wüste an den Grenzen zu den Nachbarländern Niger und Mali ab. Gleichzeitig betreibt der algerische Staat in Reaktion auf die 2020 erstarkten Massenproteste massive Repression gegen Menschenrechtsaktivist*innen und soziale Bewegungen.
Der Staat Niger selbst unterhält seit Jahren ein Abschiebe-Abkommen mit Algerien. Außerdem bezieht der nigrische Staat von der EU viele Millionen Euro im Rahmen von Kooperationsabkommen zur Bekämpfung “irregulärer Migration”. Viele Tausende von Menschen stranden durch die Massenabschiebungen im Niger, während die Durchquerung der Sahara in Folge vermehrter Kontrollen auf den Reisewegen lebensgefährlicher ist als je zuvor. Nigrische Menschenrechtsaktivist*innen berichten von vermehrten Razzien in Migrant*innen-“Ghettos”. Auch hier nimmt die politische Repression zu: Inhaftierungen von zivilgesellschaftlichen Aktivist*innen, Polizeigewalt gegen Demonstrationen und Abdrehen des Internets nach Protesten infolge der letzten Präsidentschaftswahlen.
Tunesien und Deutschland: Schließung des Mittelmeerraumes, Abschiebungen und Kriminalisierung
Regelmäßig versuchen junge Menschen von Tunesien aus über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Die geschlossene EU-Außengrenze zwingt die Menschen zu den lebensgefährlichen Fahrten über das Meer und verschließt der tunesischen Gesellschaft den Zugang zum Mittelmeerraum. Die Isolation und der Mangel an Bewegungsfreiheit spielen eine große Rolle für die schwierige Lage Tunesiens und erschwert den Aufbau demokratischer Strukturen.
Auch mitten in der Corona-Pandemie kollaborieren Deutschland und Tunesien weiterhin bei Abschiebungen. Fast jeden Monat gibt es Sammelabschiebungen von deutschen Flughäfen nach Tunesien. Immer wieder werden Tunesier*innen in Vorbereitung auf ihre Abschiebung wochenlang in Abschiebehaft festgehalten. Die ständige Angst vor Abschiebungen übt einen großen Druck auf Betroffene aus und zwingt sie in die Illegalität und Kriminalität.
In Europa betreiben die Protagonist*innen der Abschiebe-Politik regelmäßig wiederkehrende rassistische Kriminalisierungskampagnen gegen Menschen aus den Maghreb-Staaten und aus den subsaharischen afrikanischen Ländern – in letzter Zeit u.a. gegen Tunesier*innen, Algerier*innen und Marokkaner*innen in Sachsen und gegen Guineer*innen in Berlin oder .
Mit dem transnationalen Aktionstag setzen wir ein Zeichen der Solidarität für Bewegungsfreiheit und gegen Abschiebungen. Das ist gerade in Zeiten der Covid-Pandemie unverzichtbar, wo geschlossene Grenzen und neue tödliche Hürden gerade für die Bevölkerung des globalen Südens zur neuen Normalität zu werden drohen.
In der Covid-Krise gilt ebenso wie sonst auch: “Respektieren wir uns selbst und andere! Abschiebungen lösen keine Probleme!” (Künstler*innenkollektiv Faso Kele aus Guinea)
Aufruf (deutsch)
L'appel (français)
Appeal (english)
Appeal (arabic)
Flyer (deutsch)
Flyer (français)
Flyer (english)
Flyer (arabic)
Plakat (deutsch)
L'affiche (français)
Poster (english)
Poster (Arabic)