13. Mai 2013 | „Watch the Med“ - Alternative Alarmsysteme als Flüchtlingsschutz im Mittelmeerraum
Mit Lorenzo Pezzani (London) vom Projekt “Forensische Ozeanographie“ an der Goldsmith University und Dr. Ulrike Borchardt (Politologin, Universität Hamburg). Werkstatt 3, Nernstweg 32, Altona 20.00 Uhr. Eintritt 3 Euro ermäßigt 2 Euro
Mehr Menschen als je zuvor sind im Laufe des vergangenen Jahres im Mittelmeer ertrunken, als sie versucht haben, nach Europa zu gelangen. Viele tausend Menschen sind gestorben, obwohl die Staaten Europas das Gebiet mit größtem Aufwand überwachen. Doch ihre Satelliten, Aufklärungsflugzeuge und Patrouillenboote sind nicht im Einsatz, um Menschen zu retten, sondern um Menschen fernzuhalten. Ihr Tod wird dabei in Kauf genommen.
Als sich Anfang 2011 mit den revolutionären Umbrüchen in Nordafrika einige Tausend der so genannten Harragas (zu deutsch:“Grenzverbrenner”) mit Booten auf den Weg Richtung Europa machten, reagierte die EU in der Meerenge vor Sizilien mit einer Verschärfung der Kontrollen durch die Grenzschutzagentur Frontex. Die Verweigerung von Rettungsmaßnahmen gegenüber Schiffbrüchigen und mehrfach dokumentierte “Left-to-die-Boote” belegen, dass das “Sterben lassen” zur EU-Abschreckungsstrategie im unerklärten Krieg gegen Flüchtlinge gehört. Das Grenzregime der Friedensnobelpreisträgerin von 2012 kostete alleine im letzten Jahr über 2000 Boatpeople das Leben. Zur Rechenschaft gezogen wird für die Tragödien, die diese Politik produziert, meist niemand.
Dieser mörderischen Abschottungspolitik will „Watch the Med“ (zu Deutsch etwa: 'Beobachte das Mittelmeer' [Mediterranean]) ein alternatives Alarmsystem entgegen setzen, um die Rettung von Boatpeople in Seenot zu erzwingen. Das interaktive Monitoring- und Kartenprojekt, wurde im Juni 2011 am Londoner Goldsmith-College als Untersuchung in Form einer “forensischen Ozeanographie” begonnen. Im Fall eines “Left-to-die-Bootes”, das die europäischen Grenzschützer sich selbst überlassen hatten, wurden mittels Karten- und Satellitentechnologie die Umstände des Todes von 63 Boatpeople rekonstruiert. Die so gewonnenen Erkenntnisse waren Grundlage für ein laufendes Strafverfahren gegen die Verantwortlichen. Doch “Watch the Med” will nicht bloß die in den vergangenen Jahren üblich gewordene Straflosigkeit bei bewussten Menschenrechtsverletzungen auf See angreifen. Das Projekt zielt auf Echtzeitinterventionen, sobald Boatpeople in Seenot geraten. Das setzt nicht nur ein funktionierendes Notrufsystem und eine entsprechende Ausrüstung der betroffenen MigrantInnen voraus. Grundlage ist vor allem ein handlungsfähiges zivilgesellschaftliches Netzwerk auf beiden Seiten des Mittelmeeres, das den notwendigen politischen Druck erzeugt.
Im Anschluss an die Vorstellung des Projektes “Watch The Med” soll sowohl die prekäre Menschenrechtslage im Mittelmeerraum als auch die Ambivalenz der EU in Menschenrechtsfragen thematisiert werden. Die EU betont immer wieder wie wichtig Menschrechtsschutz sei, klagt Menschenrechtsverletzungen global an und scheint trotz allem nicht willens die Menschenrechte von Flüchtlingen wirklich zu schützen.
Die Veranstaltung findet in Englisch und Deutsch statt. Die Veranstaltung vom Flüchtlingsrat Hamburg ist Teil der Reihe „Widerstand – Protestkulturen in der globalisierten Welt“ der Werkstatt3. Die Veranstaltung wurde gefördert durch die Landeszentrale für Politische Bildung Hamburg
Einzelne AktivistInnen vom Hamburger Flüchtlingsrat sind an Afrique-Europe-Interact beteiligt, daher wird die Veranstaltung auf dieser Webseite unter “Netzwerktermine” dokumentiert.