Newsletter Nr. 6 (Oktober 2012)
I. Vorbemerkung:
Dieser Newsletter ist ab demnächst auch auf englisch und französisch verfügbar. Er informiert über die Aktivitäten des transnationalen Netzwerks Afrique-Europe-Interact, an dem bislang vor allem BasisaktivistInnen aus Mali, Burkina Faso, Togo, Kongo, Deutschland, Österreich und den Niederlanden beteiligt sind. Mehr Informationen finden sich auch auf unserer Webseite: www.afrique-europe-interact.net
II. Land & Freedom: Aktion von Afrique-Europe-Interact in Segou/Mali gegen Hunger und islamistische Terrorherrschaft (17.10.2012)
Einen Tag nach dem Welternährungstag der UN (16.10.) hat die malische Sektion unseres transnationalen Netzwerks in der 235 Kilometer nordöstlich von Bamako gelegenen Stadt Segou 2 Tonnen Reis und 160 Liter Speiseöl im Gesamtwert von 1.150 Euro an eine Gruppe von Flüchtlingen aus dem Norden des Landes verteilt. Die Übergabe wurde mit einer politischen Versammlung verknüpft, die sich sowohl gegen Landraub als auch gegen das Terrorregime islamistischer Milizen im gesamten Norden Malis gerichtet hat (Stichwort: Land & Freedom), wozu unter anderem die Wüstenstädte Gao, Timbuktu und Kidal zählen. Über die Aktion ist im Anschluss u.a. in den Hauptnachrichten des malischen Fernsehen (ORTM) berichtet worden.
Hintergrund der Aktion war, dass sich durch den aktuellen Konflikt m Norden die ohnehin schwierige Ernährungslage in Mali extrem zugespitzt hat – nicht zuletzt durch massenhafte Vertreibungen und bürgerkriegsbedingte Versorgungsengpässe. Konkret sind derzeit ca. 4,6 Millionen Menschen von Lebensmittelunsicherheit in Mali bedroht, wobei vom Welternährungsprogramm gerade mal 360.000 Menschen im Süden und 148.000 im Norden erreicht werden. Kein Wunder also, dass sich die Zahl der akut von Mangelernährung betroffenen Menschen in den nördlichen Landesteilen seit 2011 auf etwa 13 Prozent der Bevölkerung verdoppelt hat. Hinzu kommen zwei weitere Problemlagen: Einerseits, dass in der gesamten Sahelregion die Getreidepreise um ca. 50 Prozent über das Vorjahresniveau geklettert sind – eine Entwicklung, die zahlreiche Ursachen hat, unter anderem Lebensmittelspekulation sowie weltweit steigende Produktion von so genanntem Biosprit. Andererseits, dass die Ernten im Jahr 2011 dürrebedingt an vielen Orten derart schwach ausgefallen sind, dass die Bauern und Bäuerinnen keine Möglichkeiten hatten, genug Saatgut zurückzulegen. Und das mit der Konsequenz, dass die diesjährige Ernte in vielen Regionen trotz reichhaltiger Niederschläge um 20 bis 30 Prozent niedriger ausfallen dürfte. Beides zeigt, wie sehr Hunger mit fehlenden Ressourcen zu tun hat – ob für Nahrungsmittel selbst oder die notwendigen landwirtschaftlichen Inputs. Um so zynischer ist, dass insbesondere die USA als Reaktion auf den von der großen Bevölkerungsmehrheit unterstützten Putsch gegen den langjährigen Präsidenten Amadou Toumani Touré im März 2012 zahlreiche Hilfsprogramme gestoppt haben, darunter auch Kleinkreditprogramme für Saatgut.
Zwei Aspekte noch zur politischen Begleitkundgebung: Wenn die malische Sektion von Afrique-Europe-Interact von Landraub spricht, dann ist damit nicht nur der Ausverkauf fruchtbarer Böden an transnationale Unternehmen oder korrupte Lokaleliten gemeint, sondern auch die Abtrennung des Nordens durch islamistische Kräfte. Denn Fakt ist, dass es hierbei allenfalls am Rande um religiöse Fragen geht. Ausschlaggebend ist vielmehr ein Geflecht unterschiedlichster (Macht-)Interessen, stellvertretend erwähnt seien die Kontrolle über Schmuggelrouten sowie der langfristige Zugriff auf mutmaßliche Bodenschätze im Norden Malis (mehr Infos hierzu auf unserer Webseite: http://www.afrique-europe-interact.net/index.php?article_id=683&clang=0). Schließlich: Auch wenn die Lage im Norden Malis dramatisch ist (nicht nur wegen der allgemeinen Notlage, sondern auch wegen des vornehmlich gegen Mädchen und Frauen gerichteten islamistischen Terrorregimes), sollte nicht aus dem Blick geraten, dass der bereits erwähnte Putsch vor allem in Bamako zu einer regelrechten Aufbruchstimmung innerhalb sozialer Bewegungen, ja der malischen Zivilgesellschaft insgesamt geführt hat (vgl. hierzu folgenden von Charlotte Wiedemann unter dem Titel „Einsturz der Fassaden“ im August 2012 erschienen Artikel: http://afrique-europe-interact.net/index.php?article_id=778&clang=0 ). In diesem Sinne war ein mit der Übergabe und der Kundgebung verbundenes Ziel, besagte Aufbruchstimmung auch in andere Städte Malis zu tragen, weshalb aus Bamako 18 AktivistInnen unseres Netzwerks nach Segou gereist sind (unter anderem, um zwei VertreterInnen der beiden Dörfer aus dem Office du Niger zu treffen, die eine Delegation von Afrique-Europe-Interact bereits im März 2012 besucht hat: mehr hierzu weiter unten).
Die Aktion „Land & Freedom“ hat punktuelle Unterstützung mit politischer Kritik verbunden, vor allem hat sie versucht, das basisdemokratische Prinzip stark zu machen, um jenseits der wohl ohnehin kommenden militärischen Intervention im Norden (welche auch von der Bevölkerung überwiegend gewollt ist) die Idee von Freiheit, Partizipation und Selbstbestimmung stark zu machen – so wie sie sich derzeit in zahlreichen Ländern Westafrikas artikuliert.
III. Weitere Neuigkeiten aus dem Netzwerk
a) Landgrabbing: Im März ist eine größere Delegation von Afrique-Europe-Interact in das 270 Kilometer nordöstlich von Bamako gelegene Office du Niger gefahren, um sich mit Bauern und Bäuerinnen über ihre Erfahrungen mit unterschiedlichen Formen von Landgrabbing auszutauschen – konkret hat sich die Delegation aus 20 AktivistInnen aus Bamako und 10 AktivistInnen vom europäischen Teil unseres Netzwerks zusammengesetzt (wobei hinzugefügt sei, dass im Anschluss noch drei Aktivisten nach Togo weitergereist sind und dort unter anderem die „Assoziation der Abgeschobenen Togos“ getroffen haben). In einer im Juli veröffentlichten (leider nur deutschsprachigen) Broschüre haben wir die Ergebnisse unserer Reise ins Office du Niger dokumentiert – inklusive zahlreicher Interviews. Mehr Infos zur Broschüre finden sich auf unserer Webseite (http://www.afrique-europe-interact.net/index.php?article_id=743&clang=0), sie kann kann gegen eine kleine Spende auch gerne bei nolagerbremen@yahoo.de bestellt werden.
b) boats4people: Nach einjährigem Planungsvorlauf ist im Juli das Projekt boats4people zwischen Italien und Tunesien über die Bühne gegangen, an dem Afrique-Europe-Interact von Anfang an beteiligt war. Bei einem jüngst in Marokko stattgefundenen Auswertungstreffen wurde beschlossen, das Netzwerk boats4people weiterzuentwickeln, im Zentrum soll nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit BasisaktivistInnen in Tunesien und Marokko stehen. Mehr Infos zu boats4people sind auf unserer Webseite dokumentiert: http://www.afrique-europe-interact.net/?article_id=544&clang=0.
c) Umbau der Webseite: Afrique-Europe-Interact ist in den letzten 2 Jahren ungleich stärker gewachsen, als wir das anfangs erwartet hätten, vor allem ist die Zahl der Projekte, Themen und Aktionsschauplätze rasant in die Höhe geschnellt. Vor diesem Hintergrund sind wir mit unserer Webseite nicht immer hinterhergekommen, vor allem hat sich das bisherige Format als zu klein erwiesen. In diesem Sinne ist seit dem 30. Oktober eine etwas überarbeitete Version unserer Webseite online verfügbar, neu ist vor allem, dass auf der Startseite ungleich mehr aktuelle Informationen aus den Bereichen Migration/Migrationspolitik sowie soziale Kämpfe in Afrika abrufbar sind (Texte, Filme, Bilder und Radiobeiträge). Außerdem ist geplant, spätestens im Dezember in allen drei Sprachen Aktualisierungen der Artikel vorzunehmen, teilweise auch Straffungen, um die Informationsmenge weiterhin überschaubar zu halten. Wir würden uns daher auch freuen, wenn unsere Webseite noch stärker verlinkt würde, eine Bitte, die gerne auch weitergetragen werden kann (Wichtig: Der erwähnte Umbau der Webseite ist bislang nur in der deutschen Version erfolgt, spätestens Ende Dezember werden wir auch die englische und französische Version umstellen).
d) Lokale Aktivitäten: In Berlin, Bremen und Wien exisiteren bereits seit längerer Zeit lokale AEI-Gruppen, die sich auch immer wieder an lokalen Aktionen und Kampagnen beteiligen. Genaueres hierzu an anderer Stelle, unter anderem auf unserer Webseite.
e) taz-Beilage: Am 8. Dezember wird aller Voraussicht nach eine 4-seitige Zeitung von Afrique-Europe-Interact der taz beigelegt werden, die zudem als Massenzeitung verfügbar sein wird.
f) Spenden: Afrique-Europe-Interact ist für seine alltägliche Arbeit ausschließlich auf Spenden bzw. einzelne Anträge bei Stiftungen angewiesen. Derzeit sammeln wir für folgende Aktivitäten Geld: Erstens für unsere Projekte gegen Landgrabbing – inklusive Weiterentwicklung des Kontaktes zu zwei Dörfern im Office du Niger/Mali; zweitens für die schon erwähnte Solidaritätsaktion der malischen Sektion unseres Netzwerks in Segou; drittens für unsere neue 3 × 1.000-Kampagne für Basisinitiativen in Togo und Mali; und viertens für unsere allgemeine Netzwerk-Arbeit – hierzulande genauso wie in Mali, Tunesien und Togo. Spenden sind steuerlich absetzbar! SpenderInnen erhalten (sofern uns die Adressen bekannt sind) jeweils unsere neusten Druckerzeugnisse bzw. Film-DVDs per Post zugeschickt. Unsere Kontoverbindung lautet: Name: Globale Gerechtigkeit e.V. +++ Kontonummer: 2032237300 +++ Bank: GLS Gemeinschaftsbank +++ BLZ: 43060967 +++ IBAN: DE67 4306 0967 2032 2373 00 +++ BIC: GENODEM1GLS
IV Mitarbeit bei Afrique-Europe-Interact:
Neue AktivistInnen sind stets willkommen! Wer Interesse hat, kann sich auch auf unserer transnationalen Mailingliste „Afrique-Euro“ eintragen lassen (bitte per Mail bei nolagerbremen@yahoo.de melden). Zudem finden sich auf unserer Webseite die Kontaktdaten von zahlreichen Gruppen in Mali bzw. in Deutschland, Österreich und den Niederlanden.