Newsletter Nr. 2 (November 2010)
November 2010
I. Sprachen:
Dieser Newsletter ist in deutsch, englisch und französisch verfügbar.
II. Vorbemerkung:
Unser erster Newsletter wurde im Juli 2010 verschickt. Seitdem ist viel passiert – insbesondere was die Vorbereitung der Bamako-Dakar-Karawane betrifft. Eine wichtige Rolle hat in diesem Zusammenhang die Jahresversammlung der AME (Assoziation der Abgeschobenen Malis) am 23./24. Oktober in Bamako/Mali gespielt, an der unter anderem eine kleine Delegation der europäischen 'Sektion' unseres Netzwerks teilgenommen hat. In diese Sinne besteht dieser Newsletter aus zwei Teilen: Während im ersten Teil aktuelle Informationen zum Netzwerk und zur Bamako-Dakar-Karawane gegeben werden, enthält der zweite Teil einen kurzen Bericht von der Delegationsreise nach Mali.
Wer bislang noch nichts von der Bamako-Dakar-Karawane gehört hat, sei auf unsere ab dem 18.11. online geschaltete Webseite verwiesen: www.afrique-europe-interact.net
III. Neuigkeiten aus dem Netzwerk:
a) Name: Anfangs hieß unser Netzwerk ganz pragmatisch Afrique-Euro-Netzwerk. Nach längeren Debatten haben wir uns gemäß eines Vorschlags der AME auf einen neuen (politisch aussagekräftigeren) Namen verständigt – unser Netzwerk heißt jetzt „Afrique-Europe-Interact“.
b) Webseite: Die dreisprachige Webseite wird ab dem 18.11. online sein (zuerst deutsch, einige Tage später englisch und französisch): www.afrique-europe-interact.net. Die Webseite soll über die Aktivitäten unseres Netzwerks informieren – einschließlich thematischer Hintergründe bzw. Schwerpunkte. Wir suchen weiterhin ÜbersetzerInnen – egal in welche Richtung. Spannende Artikel (ob in deutsch, englisch oder französisch) können an folgende Adresse geschickt werden: nolagerbremen@yahoo.de. Allerdings möchten wir an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass die Webseite kein Archiv ist, d.h. wir möchten die Zahl der Artikel bewusst beschränken.
c) Neue MitstreiterInnen: In Mali haben anlässlich der AME-Jahresversammlung über 10 Gruppen ihr Interesse an unserem Netzwerk signalisiert, einige haben bereits ihre Mitarbeit beschlossen. Die meisten sind in der praktischen Unterstützung von Abgeschobenen aktiv, mehrere der Gruppen wurden von Abgeschobenen selbst gegründet. Neben direkter Hilfe spielen in der alltäglichen Arbeit insbesondere entwicklungspolitische Zielsetzungen eine zentrale Rolle. Hintergrund ist, dass Abgeschobene im Aufbau einer neuen Existenzsgrundlage unterstützt werden sollen, nicht zuletzt im landwirtschaftlichen Bereich. Erwähnt sei aber auch, dass einige der Akteure andere Schwerpunkte haben, etwa im Kampf gegen Privatisierungen oder Landvertreibungen. Grundsätzlich wurde von den aus Mali beteiligten Gruppen das Interesse an einer gemeinsam Deklaration geäußert, in welcher die wichtigsten Ziele unseres Netzwerks festgehalten sind.
d) Mailingliste: Auf der dreisprachigen Mailingliste von Afrique-Europe-Interact sind zur Zeit 130 Leute subskribiert. Zudem gibt es für die aus Europa kommenden AktivistInnen der Bamako-Dakar-Karawane eine deutschsprachige Mailingliste zur Koordinierung der organisatorischen Angelegenheiten wie Flugtickets, Impfungen etc. (inklusive Übersetzungssupport für Nicht-Deutschsprachige). Bei Interesse bitte an nolagerbremen@yahoo.de schreiben. Erwähnt sei außerdem, dass es in den letzten Monaten immer wieder mit der Zwei- bzw. Dreisprachigkeit auf der großen Mailingliste nicht geklappt hat. Einerseits ist das verständlich (denn viele AktivistInnen können Mails nicht in zwei oder drei Sprachen verfassen), andererseits dürfte transnationale Organisierung langfristig nur dann eine wirkliche Chance haben, wenn sich alle Beteiligten auf die eine oder andere Weise um Übersetzungen bemühen.
IV. Neuigkeiten von der Bamako-Dakar-Karawane:
a) Recherche-Tour: Zwei Aktivisten der AME sind vom 16. bis 19. September zu sämtlichen Orten gefahren, welche die Karawane auf die eine oder andere Weise besuchen wird – inklusive Dakar. Die Gespräche während dieser Recherche-Tour waren durchgehend erfolgreich, es konnten an allen Orten lokale Kooperationspartner für die Karawane gefunden werden. Wichtig war zudem, dass der Vorbereitungskreis des WSF großes Interesse an der Karawane gezeigt hat. Konkret gibt es die Idee, dass sich sämtliche zum WSF fahrenden Karawanen (egal aus welcher Himmelsrichtung sie kommen) einen Tag vor Beginn des WSF in einem kleinen Ort („Diamniadio“) in der Nähe von Dakar treffen und von dort als große Bus-Demonstration nach Dakar einfahren.
b) Name der Karawane: Der offizielle Name der Karawane lautet: „BürgerInnen-Karawane zum WSF in Dakar 2011. Für Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung.“ Es dürfte klar sein, dass dieser Name je nach Kontext variiert werden kann, bei der Benennung der Ziele sollten allerdings stets beide Zielsetzung erwähnt werden.
c) Beginn der Karawane: Die Karawane wird zwischen dem 26. und 29.01. in Bamako starten. Bislang steht noch nicht fest, ob es gelingen wird, sich zeitlich mit jenen Karawanen zu verständigen, die ebenfalls über Bamako nach Dakar fahren. Notfalls treffen wir uns erst in Kayes (Mali), um von dort gemeinsam über die Grenze nach Senegal zu fahren (Hintergrund ist, dass die anderen Karawanen zum Teil einen etwas anderen Zeitplan verfolgen als wir). Die Rückfahrt nach Bamako wird vom 12. bis 13. Februar dauern.
d) Stationen der Karawane: Die einzelnen Stationen der Karawane stehen ebenfalls noch nicht endgültig fest. Bislang sind folgende Orte im Gespräch: Bamako – Region Kayes (Yelimane et Kabate) – Nioro – Kidira (Grenze Mali/Senegal) Kaolack – Kedougou – Mbour – Keur Massar/Malika – Dakar. Erst wenn die Orte endgültig geklärt sind, kann mit der Planung der politischen Versammlungen begonnen werden, die gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung durchgeführt werden sollen.
e) Aktionen während der Karawane: Vor der Karawane wird es mindestens eine Aktion in Bamako geben, wahrscheinlich eine Demonstration unter dem Motto der Karawane (für Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung). Des weiteren sind zur Zeit Aktionen in Kayes, Nioro (gegen Abschiebungen zwischen Mali und und Mauretanien) und Dakar (gegen Frontex) geplant.
f) Finanzen der Karawane: Dieser Punkt dürfte im Moment das größte Problem sein: Einerseits kostet die Karawane ziemlich viel Geld (insbesondere für die Reisekosten – sowohl von Europa nach Westafrika als auch von Bamako nach Dakar), andererseits wurden viele Finanzanträge bislang abgelehnt (präzisierend sei darauf hingewiesen, dass die Gruppen in Afrika bzw. Europa jeweils eigene Finanzanträge gestellt haben, dennoch ist klar, dass wir am Ende gemeinsam gucken müssen, dass genug Geld für das Gesamtprojekt verfügbar ist – zumindest insoweit es um die Teilnahme der afrikanischen AktivistInnen geht). Vor diesem Hintergrund müssen wir ab nächster Woche mit einer breiten Spenden-Kampagne für das Projekt beginnen, da die Kassenlage bislang äußerst knapp ist. Konkret bedeutet das, dass alle aufgerufen sind, entweder selbst zu spenden oder SpenderInnen zu finden (FreundInnen, Verwandte, politische Gruppen, Kirchengemeinden, Hausprojekte etc. pp). Weitere Informationen zur Spendenkampagne findet ihr auf der Webseite, dort kann ab demnächst auch online gespendet werden!
g) TeilnehmerInnen-Zahl: Nach dem aktuellen Stand werden sich aus Mali ca. 200 AktivistInnen beteiligen und aus Europa ca. 50. Hinzu kommen die TeilnehmerInnen anderer Karawanen (wenn es mit der zeitlichen Koordinierung klappe sollte). Wichtig ist also folgendes: Aus Europa können nicht viel mehr als 50 Leute teilnehmen, einfach deshalb, weil ansonsten die Logistik für Schlafen etc. überlastet wäre (abgesehen davon, dass es es den afrikanischen AktivistInnen wichtig, dass möglichst viele Leute aus den sozialen Bewegungen in Mali mit nach Dakar kommen können). Deshalb: Wer sich bislang nicht an den Vorbereitungstreffen unseres Netzwerks beteiligt hat, sollte nicht unabgesprochen nach Bamako reisen, denn es können nicht beliebig viele Busplätze garantiert werden!!!
h) Sicherheit: Das deutsche Außenministerium warnt explizit vor der Gefahr von Entführungen im Grenzgebiet von Mali/Senegal/Mauretanien. Unsere Partner in Mali teilen diese Befürchtungen ausdrücklich nicht: In der Region sei noch nie etwas passiert, und auch würden am Grenzübergang Nioro ständig TouristInnen in eigenen PKWs die Grenze überqueren. Hinzu kommt, dass die Karawane bereits bei den Behörden in Mali und Senegal angemeldet worden sei, insofern sei auch die Polizei stets vor Ort.
i) Filmen: Es wird mehrere Film-Teams geben, die die Karawane begleiten und eine Dokumentation der Karawane erstellen werden (mehr Informationen hierzu folgen separat).
j) Journalistische Berichterstattung: Mehrere JournalistInnen aus Mali sowie AktivistInnen von Radio Kayra (Netzwerk lokaler Radios) werden in Mali/Senegal von der Karawane berichten. Außerdem werden in Mali im Vorfeld der Karawane Informationsspots sowohl im Fernsehen als auch im Radio laufen. In Deutschland wird unter anderem eine 4-seitige Aktionszeitung erstellt werden, sie wird am 24. Dezember der Weihnachtsausgabe der linksliberalen tageszeitung „taz“ beigelegt werden (natürlich auch in der Hoffnung, auf diese Weise nochmal kräftig Spenden zu sammeln…)
k) Logistik (Busse, Übernachtung, Essen etc.): Für diese Aufgaben wurden sowohl in Mali als auch in Senegal Kommissionen gegründet, genauere Informationen folgen in den nächsten Wochen.
l) T-Shirts/Hemden: Für die Karawane sollen T-Shirts/Hemden mit einem eigenen Motiv hergestellt werden. Für das Motiv soll noch ein kleiner Wettbewerb unter KünstlerInnen ausgerufen werden (bitte auf entsprechende Aufrufe achten!). Ansonsten gab es in Bamako unterschiedliche Stimmen, woher die T-Shirts/Hemden kommen sollen: Die einen meinten, dass der Stoff auf jeden Fall aus Stofffabriken in Mali bzw. Westafrika kommen solle (egal ob es sich um biologische oder konventionelle Baumwolle handelt). Andere meinten, dass es wichtiger wäre, dass es sich um biologische und fair gehandelte Baumwolle handelt, auch wenn die T-Shirts/Hemden selbst außerhalb Afrikas hergestellt würden. Wahrscheinlich wird es deshalb einen T-Shirt/Hemden-Mix geben, auch wenn alle T-Shirts/Hemden das gleiche Motiv haben sollen (die Unterscheidung zwischen T-Shirts und Hemden verweist darauf, dass es auch diesbezügliche unterschiedliche Wünsche gab, unter anderem deshalb, weil in Mali/Westafrika kaum noch T-Shirt-Stoff produziert wird).
V. Kurzbericht Delegationsreise nach Bamako und Yanfolila (Dorf 200 Kilometer südlich von Bamako)
a) Vorbemerkung: Bereits im Juni hatte die AME den europäischen Teil von Afrique-Europe-Interact eingeladen, mit einer Delegation an der Jahresversammlung der AME am 23./24. Oktober teilzunehmen. Konkret waren an dieser Delegation 4 Leute aus Deutschland beteiligt – zwei ohne, zwei mit Fluchthintergrund (Togo und Tunesien). Der folgende Kurzbericht ist also aus einer europäisch geprägten Gast-Perspektive formuliert, zumal es für sämtliche Delegationsmitglieder der erste Aufenthalt in Mali gewesen ist.
Beginnen möchten wir (die Mitglieder der Delegation) mit einem großen Danke-Schön: Die Gastfreundschaft in Mali war schwerlich zu überbieten – ganz gleich, durch wen. Das hat uns nicht nur persönlich gut getan, auch die politischen Begegnungen und Gespräche haben von der offenen und zugewandten Atmosphäre enorm profitiert! Wichtig war zudem, dass wir privat bei einem Aktivisten der AME untergebracht waren, auf diese Weise haben wir von Anfang an einen vergleichsweise realistischen Eindruck von den alltäglichen Abläufen in Djélibougou erhalten – jenem Stadtteil in Bamako, in dem die AME zu Hause ist.
b) Treffen & Besuche: Im Rahmen unserer Delegationsreise haben wir an zahlreichen Vorbereitungstreffen der Bamako-Dakar-Karawane sowie an der zweitägigen, auf einem öffentlichen Platz durchgeführten Jahresversammlung der AME teilgenommen (viele der diesbezüglichen Ergebnisse sind bereits im ersten Teil dieses Newsletter dokumentiert). Darüber hinaus haben wir uns mit diversen Gruppen und Organisationen getroffen – unter anderem mit folgenden: (1) der ARACEM (association des réfoulés de l'afrique centrale au Mali/Organisation der Abgeschobenen Zentralafrikas in Mali), (2) der MSV (mouvement des sans voix/Bewegung der Menschen ohne Stimme), (3) der AMRLEC (Association des Maliens Rapatriés de Lybie, de l'Espagne et de la Cote d'Ivoire/Organisation der Malischen Abgeschobenen aus Libyen, Spanien und der Elfenbeinküste), (4) Les Réfoulés” Ceuta et Mellila” de Yanfolila/Den aus Ceuta und Mellila Abgeschobenen Yanfolilas, (5) Mobiom (Mouvement Biologique Malien/Ökologische Bewegung Malis), (6) Si Nafa (Ausbildungs- und Gesundheitsprojekt für Frauen), (7) les travailleurs de?Huicoma (collectivité de grève)/Den Arbeitern von Huicoma (Streikkollektiv) und (8) der Association espoir de Kachan Kalifa (Rapatriés de Paris)/der Organisation der Hoffnung von Kachan Kalifa (Abgeschobene aus Paris)
c) Migration-Entwicklung: Bei sämtlichen unserer Gespräche wurde immer wieder deutlich, dass der politische Umgang mit Migration in Mali ein völlig anderer als in Deutschland bzw. Westeuropa ist: Während in Deutschland bzw. Westeuropa migrations- und entwicklungspolitische Fragestellungen in aller Regel von unterschiedlichen Akteuren bearbeitet werden, sind in Mali die beiden Perspektiven auf das Allerengste verschränkt: Einerseits deshalb, weil die sozialen Hintergründe von Flucht und Migration im Alltag ohnehin omnipräsent sind, andererseits weil sich auch für Abgeschobene (mit denen viele der migrationsbezogenen Gruppen zusammenarbeiten) die ganz konkrete Frage stellt, wie es für sie in Mali weitergehen kann. Vor diesem Hintergrund konnte auch das Motto der diesjährigen Jahresversammlung der AME nicht überraschen – es lautete „Emigration & Entwicklung : Für soziale Gerechtigkeit („Emigration & Développement : Pour une justice sociale“).
Was die konkreten Ursachen von Migration und Flucht betrifft, ist es in unseren Gesprächen vor allem um drei Problembereiche gegangen: Erstens um weltweite Dominanz- und Ausbeutungsverhältnisse – diese Ebene hat unter anderem im ersten Teil der AME-Jahresversammlung eine wichtige Rolle gespielt (auch unter Verweis darauf, dass die Unabhängigkeit vor 50 Jahren lediglich eine neue Phase der Herrschaft des Nordens eingeleitet habe). Zweitens wurde immer immer das Versagen der Regierung bzw. des Staates betont. In diesem Zusammenhang ist es nicht nur um Korruption und ähnliche Phänomene gegangen, es wurde auch auf die zentrale Verantwortung des Staates für Bildung, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur etc. gepocht. Drittens sind auch einzelne Problemkomplexe zur Sprache gekommen, besonders häufig wurden Privatisierungen (in ganz verschiedenen Sektoren), Bodenspekulation & Landvertreibungen, die Geschäfte des Agrobusiness (inklusive der Agrarpolitiken der EU und der USA) sowie der Ausverkauf von Land an ausländische Investoren erwähnt. Ein in Europa wohl kaum bekannter Umstand ist in diesem Zusammenhang die fatale Rolle, welche Libyen in Mali spielt. Denn Libyen bzw. Gaddafi scheint Mali als eine Art Kolonie bzw. Hinterhof zu betrachten, was sich unter anderem darin bemerkbar macht, dass Libyen zu jenen Ländern gehört, die in Mali derzeit in großem Stil Land aufkaufen. Zusammen mit der rabiaten Politik gegenüber MigrantInnen aus Subsahara-Ländern ist dies einer der Gründe, weshalb die libysche Regierung bei vielen AktivistInnen in Mali absolut verpönt ist.
d) Rolle der Migration: Sämtliche unserer GesprächspartnerInnen waren sich darin einig, dass Migration unter den aktuellen Bedingungen eine legitime Überlebensstrategie darstellt (wobei berücksichtigt werden sollte, dass die allermeisten MigrantInnen aus Mali innerhalb von Westafrika migrieren). Dennoch wird Migration nach Europa überwiegend kritisch gesehen. Erstens weil es derzeit zu gefährlich sei, zweitens weil insgesamt die Nachteile überwiegen würden (massenhafte Abschiebungen etc.) und drittens weil es für Mali langfristig besser wäre, wenn die jungen Leute in Mali bleiben und sich dort für die Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse einsetzen würden. Denn so wichtig die Rücküberweisungen seien, das entsprechende Geld würde lediglich für den individuellen Konsum reichen, eine Verbesserung der Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Wirtschaft…) sei auf diese Weise kaum möglich. Einer unserer Gesprächspartner berichtete in diesem Zusammenhang davon, dass die Regierung genau in jenen Regionen ihre öffentlichen Investitionen kürzen würde, aus denen viele MigrantInnen kämen.
Insofern dürfte es kaum verwunderlich sein, dass sich mehrere der an unserem Netzwerk beteiligten Gruppen in Mali an selbst organisierten Sensibilisierungskampagnen gegen Migration nach Europa beteiligen: In Yanfolila berichtet zum Beispiel die „Organisation der Abgeschobenen aus Ceuta und Mellila“ in einer wöchentlichen Radiosendung über die Situation von MigrantInnen im Transit bzw. in Europa – dabei kommen auch MigrantInnen zu Wort, die aktuell im unterwegs bzw. in Europa sind. Der zentrale Unterschied zu so genannten Sensibilisierungskampagnen der Europäischen Union ist jedoch, dass die Gruppen in Mali nicht von „irregulärer Migration“ sprechen. Im Gegenteil: Sie sprechen sich ausdrücklich für das Recht auf Bewegungsfreiheit aus. Außerdem sei Aufklärung in ihren Augen nur legitim, wenn sie mit konkreten Alternativangeboten einherginge. Die Abgeschobenen Yanfolilas haben zum Beispiel Land gekauft, das gemeinsam bearbeitet wird und das langfristig allen Beteiligten ein festes Einkommen sichern soll (zur Zeit wird das Feld einmal in der Woche gemeinsam bearbeitet, mit dem Ertrag wird die Reparatur einer Mühle finanziert, die später als Einkommensquelle dienen soll).
e) CIGEM: CIGEM ist eine von der EU in Bamako finanzierte Institution. Ihre Aufgabe ist es, „irreguläre Migration“ zu verhindern, dies soll unter anderem durch Sensibilisieruskampagnen, Unterstützung von Abgeschobenen-Gruppen und Ausbildungsprogramme für Jugendliche erreicht werden. Aus Sicht unserer Gesprächspartner sind jedoch die von CIGEM initiierten Kampagnen gegen irreguläre Migration aus vier Gründen zum Scheitern verurteilt: Erstens ist das Recht auf Bewegungsfreiheit zu sehr in der Malischen Kultur verankert, zweitens ist die soziale Not viel zu groß (die Leute seien zwar durch die CIGEM-Abschreckungsvideos verunsichert, sie würden aber trotzdem gehen, wusste ein Aktivist von der AMRLEC zu berichten), drittens seien die Alterantivangebote von CIGEM ein schlechter Witz (ein paar Dutzend Ausbildungsplätze, obwohl Millionen Arbeitsplätze gebraucht würden) und viertens habe auch die Regierung Interesse an Rücküberweisungen und würde sich deshalb eher pro Forma an entsprechenden CIGEM-Diskursen beteiligen. Zusammenfassend hieß es also, dass CIGEM derzeit aus guten Gründen in einer politischen Sackgasse stecken würde, und diese Einschätzung wurde auch von AktivistInnen vertreten, die in den letzten 2 Jahren Geld von CIGEM erhalten haben und damit (wie z.B. die ARACEM) ihr Projekt überhaupt erst aufbauen konnten.
f) Schlussbemerkung: Wir haben in unserem Kurzbericht ausdrücklich darauf verzichtet, Eindrücke von Bamako bzw. der Gesellschaft in Mali zu formulieren. Wir werden das noch nachholen, allerdings erst, wenn wir die dafür notwendige Ruhe und Zeit finden…