Afrikanische Union: Ist Robert Mugabe eine kluge Wahl für Afrika?
Von Peguy Takou Ndie, März 2015
Auf den ersten Blick ist Robert Mugabe ein beeindruckender Staatsmann, ja er ist eine der bekanntesten großen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Trotz seines fortgeschrittenen Alters häuft er immer weiter Auszeichnungen und politische Ämter an.
Man mag sich allerdings fragen, ob die Wahl dieses Mannes der seit 27 Jahren an der Spitze des Staates Simbabwe steht und am 21. Juli 2013 wiedergewählt wurde, eine kluge Wahl für Afrika ist. Was gewinnt der Kontinent mit diesem einzigartigen Mann an der Spitze, der seit 2002 ein Einreiseverbot nach Europa und in die Vereinigten Staaten hat.
Robert Mugabe steht seit 1987 einem diktatorischen Regime vor, das sein Volk zu einem Leben in Angst und Elend verurteilt, wo die Pressefreiheit unterdrückt wird und die Menschenrechte nicht respektiert werden. Er war Anführer der Rebellion in Süd-Rhodesien und reformierte die Agrarwirtschaft zu einem hohen Preis. Denn obwohl der Vorschlag zur Agrarreform von 54,7 Prozent der Bevölkerung abgelehnt wurde, setzte er sich über die Entscheidung des Volkes hinweg, um seine Agrarreform durchzusetzen. Eine blutige Reform, die nur durch Mord, Zwangsenteignung und Verbrechen durchgeführt werden konnte. Aber schließlich gewann doch der allmächtige Staat, und die Weißen, die über mehr als 70% des Ackerlands verfügten, wurden aus dem Land vertrieben – samt einer Neuaufteilung ihres Landes, das einst aus Simbabwe den Maisspeicher Afrikas gemacht hatte.
Ein Sieg für das Volk in Simbabwe, das sich auf diese Weise sein Recht auf diese Anbauflächen zurückholte. Aber der Preis, den man dafür zu bezahlen hatte, war hoch, denn die Reform war ganz offensichtlich schlecht vorbereitet worden. Die ehemals bestellbaren Böden sind heute fast unfruchtbar und der Mais-Speicher von gestern ist ein Bettler geworden.
Aber dieser Gewaltakt hat der Welt dennoch gezeigt, dass der Präsident ein mächtiger Mann ist, ein Nationalist, den man fürchten muss. Dies ist unter anderem der Grund, weshalb die Afrikanische Union (AU) 2015 entschieden hat, ihm die Führung für dieses neue Mandat zu überlassen. Aber ist der Mann, den man hier gerade gewählt hat, die beste Wahl? Warum er, wo der Kontinent sich doch eigentlich der Zukunft zuwenden sollte, statt weiterhin die Vergangenheit „durchzuschütteln“, um Männer an die Oberfläche zu befördern, die ihrer eigenen Ansicht nach noch den Mut haben, Nein zur westlichen Welt zu sagen und so jener AU Geltung zu verschaffen, die Mühe hat, den Aufschwung in Gang zu bringen.
Was kann Mugabe wirklich gegen die Krisen ausrichten, die Afrika derzeit erschüttern? Man hört von Boko Haram, von Ebola, von Krieg, aber hat der 91-jährige Mann (wirklich) die Mittel, den Stier bei den Hörnern zu packen? Für manche ist die Wahl Robert Mugabes sicherlich symbolisch. Ist er nicht eigentlich der Held der Unabhängigkeit Simbabwes, der renommierte Panafrikaner, dem es gelang sich zu bewähren?
Ja, Robert Mugabe ist wahrhaftig ein Symbol, das Symbol eines Afrikas, welches den Kolonialismus besiegt hat, welches unter dem Kolonialismus gelitten hat (Mugabe hat von 1964 bis 1974 10 Jahre im Zwangsarbeitslager von Gonakudzingwa verbracht), seine Erfolge in der Vergangenheit und sein Ruf reichen bis in den hintersten Winkel der Erde. Wie schon Gaddafi ist Mugabe ein Mann, der den Westen gewiss nicht fürchtet. Er ist das Symbol eines Afrikas, das sich durchsetzen kann, das dem Westen entgegnen kann, doch zur Hölle zu fahren, das ohne Umschweife reden kann. Vor diesem Hintergrund, erscheint es klar, dass Mugabe eine gute Wahl ist, er ist in der Lage, Afrika vor den (anderen) westlichen Nationen zu verteidigen und eine gewisse Angst einzuflößen wenn auch ohne größeren Respekt.
Der starke Mann aus Simbabwe, dem es gelungen ist, 4000 weiße Bauern davonzujagen und das Land seiner Ahnen wiederzuerlangen, kann natürlich mehr erreichen, wenn er auf afrikanischer Ebene und im Namen Afrikas handeln soll. In diesem Zusammenhang ist sein Alter vielleicht kein Hindernis, sondern ein Vorteil, er hat nichts zu fürchten, er hat keine Angst zu sterben, so hoffen wir zumindest, und er kann dem Rest des Kontinents sein panafkrikanistisches Gefühl einhauchen. Aber ist Afrika im 21. Jahrhundert ein Kontinent, der noch Symbole benötigt? Befinden wir uns noch auf auf diesem Niveau?
Die afrikanischen Staatoberhäupter denken immer noch realitätsfern, sie sind noch immer weit davon entfernt zu verstehen, was die jungen Afrikaner von ihrem Kontinent erwarten. Die Jugendlichen, die Tag für Tag nach Europa drängen, die Wellen des Mittelmeers bezwingen und die Stacheldrähte von Melila überwinden, brauchen ein Afrika, das Antworten auf ihre Nöte bereithält, auf ihre Erwartungen und ihre Forderungen. Was der junge Mensch will, ist Frieden, Meinungsfreiheit und die Möglichkeit, sich in seinem eigenen Land sicher zu fühlen, zu Hause glücklich zu sein und sich ein eigenes Leben aufbauen zu können, ohne (dafür) auf den Kontinent zu fliehen, wo einem nur Misstrauen entgegenschlägt. Die AU sollte das Symbol dafür sein, dass Afrika sich vereinen kann, dass es fähig ist, große Entscheidungen zu fällen, dass es fähig ist, Terrorismus, Hungersnöten, Cholera, Malaria oder selbst Ebola-Epidemien die Stirn zu bieten.
Die Afrikaner erwarten eine AU, die in der Lage ist, ihre Mitgliedstaaten zu ermutigen, sich selbst zu entwickeln, selbst zu verteidigen und ihre Ressourcen zu nutzen, um die Wirtschaft so anzukurbeln, dass alle Völker der Welt davon träumen können. Bislang versteht man nicht, weshalb Afrika zurückbleibt, obwohl es mehr als 500 Milliarden Dollar Rücklagen in Form seiner Bodenschätze besitzt. Robert Mugabe zu wählen, einen müden Staatschef, der die Treppe herunter fällt, ist leider Zeichen dafür, dass Afrika nicht weiß, was es will. Ist es nötig, sich zu dem alten Symbol hinzuwenden, zum ältesten noch lebenden Präsidenten. Kann er für die Transportwege sorgen und die Vorhaben unterstützen, die ihn erwarten? Alles drängt in Afrika – sowohl in gesundheitlicher, finanzieller, sozialer, infrastruktureller Hinsicht, aber auch, was den Bildungssektor und die Sicherheit angeht. Die Wahl Mugabes ist einmal mehr der Beweis dafür, dass die Jugend unterschätzt wird, zurückgedrängt auf den zweiten Rang auf dem schwarzen Kontinent. Anstatt sich der Zukunft zuzuwenden, erinnern sich die Staatsführer fortwährend an ihre Vergangenheit. Afrika muss aber vorankommen, in dem es sich der Vergangenheit wie eines Sprungbretts bedient. Die Wahl eines Mannes der seit 27 Jahren an der Macht ist, lässt wieder die Haupterkrankung des Kontinents sichtbar werden. Die alten Staatsoberhäupter, unfähig auf die starke Jugend zu bauen, die voller fortschrittlicher Ideen ist, setzten nur auf sich selbst und auf ihre Umgebung, die bereits in Rente gehen sollte, um ihr Werk von einem Stuhl in der Ecke aus zu betrachten und die Jugend sich bewähren zu lassen.
Gewiss, Robert Mugabe hat sich mit seinen rigiden Ansichten, mit historischen Reformen durchgesetzt und manch Frau oder Mann liebt ihn bereits dafür, aber niemand ist unersetzlich. Wie es mal jemand formuliert hat, benötigt Afrika nicht starke einflussreiche Männer, sondern starke Institutionen, die die Menschen überdauern und der Garant einer strahlenden Zukunft sein können.
Schließlich wäre es fruchtlos, sich auf die Frage zu beschränken, ob Mugabe der passende Präsident der AU ist, den wir brauchen oder nicht. Er ist bereits da und wird nach seinen Taten beurteilt werden. Im Moment sind wir uns alle einig, dass Afrika Eigenverantwortung übernehmen muss, alle vorhandenen „Baustellen“ sind so schwerwiegend und dringlich. Die Frage ist vielleicht gar nicht, ob Mugabe etwas tun kann, sondern, ob es Afrika gelingt, (aus eigener Kraft) aus dieser Lage herauszukommen. Hätte es die Dinge verändert, wenn ein anderer Präsident gewählt worden wäre? Hätte Afrika mit Jacob Zuma aus Südafrika, mit Machi Sall aus dem Senegal oder mit Teodoro Obiang Nguema Mbasogo aus Äquatorialguinea mehr Glück gehabt?
Der Nordosten von Nigeria wird durch Boko Haram kontrolliert, Ebola verwüstet weiterhin lautlos Länder wie z.B. Sierra Leone, Guinea und Liberia. Die Diktatoren verwalten die Länder weiter wie Königreiche. Idriss Debby, Paul Biya, um hier nur diese zu nennen. Die Pressefreiheit und die Menschenrechte, werden jeden Tag durch Amnesty International angemahnt.
Afrika hält weiter die Hand auf. In der Tat lassen sich die Jugendlichen in verschiedenen Bereichen, die für Afrikas Zukunft wichtig sein sollten, im Westen ausbilden. Aber sie bleiben dann in dem Land, in dem sie ihre Ausbildung absolvieren und das von nun an ihre Wahlheimat ist, da die nötigen Voraussetzungen, um ihre Fähigkeiten einzusetzen, meistens in ihrem Heimatland nicht gegeben sind.
Die westlichen Länder sind es, die den Kontinent mit Waffen, Geld, Medikamenten versorgen, wenn ein Konflikt ausbricht, und an diesen Konflikten mangelt es nicht, Afrika ist eine wahre Hölle, eine Mine, wo alles in jedem Moment entgleisen kann. Nigeria hat gerade die Vereinigten Staaten um Unterstützung im Kampf gegen Boko Haram gebeten. Frankreich ist dauerhaft in Mali, im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz. Die internen Krisen und die personellen Konflikte hindern die AU daran die Rolle zu spielen, die nötig wäre. Die AU ist übrigens mehrmals nur einfache Beobachterin gewesen, passiv, schwach, zögerlich, manchmal leider verzagt und lasch angesichts der großen afrikanischen Krisen und der Weltkrisen. Manchmal fragt man sich seufzend, ob die AU nicht ein Luxus für Afrika ist?